Brüssel. Der Emissionshandel sollte den CO2-Ausstoß in der EU verringern. Bisher funktioniert er jedoch nicht. Jetzt ist eine Reform geplant.

Klimaschutz gehört zu den Politikfeldern, auf denen seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten in Europa Unsicherheit und Nervosität herrschen. Die Sorge geht um, dass sich Washington unter Donald Trump von den internationalen Bemühungen zur Begrenzung der Erderwärmung verabschiedet. Umso mehr sieht sich die EU selbst gefordert. Das Europaparlament nimmt Anlauf, den derzeit nicht funktionierenden Handel mit Verschmutzungsrechten neu zu gestalten.

Die drei Buchstaben ETS stehen für das Königsinstrument der Klimastrategie, mit der die EU den Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 40 Prozent senken will. Der Handel mit Verschmutzungsrechten (Emissions Trade System) wurde bei seiner Einführung 2005 als die perfekte Verbindung von Ökologie und Ökonomie gefeiert: Umweltschutz werde erreicht nicht durch klassische Instrumente wie Verbote und Grenzwerte, sondern durch den Druck des Marktes. Wer Klimakiller in die Luft bläst, benötigt dafür Lizenzen, und die werden gehandelt wie jede andere Ware.

Verschmutzung ist schlicht zu billig

Erfasst sind rund 11.000 Industriebetriebe, Kraftwerke und Luftfahrtunternehmen. Für sie alle gilt: Mehr Dreck kostet mehr. Das versteht auch der hartgesottene Geschäftsmann. Das Ganze hat nur einen Haken – es funktioniert schon seit längerem nicht mehr.

Die Verschmutzung ist schlicht zu billig. Es sind zu viele Zertifikate in Umlauf, ein Teil ist ohnehin kostenlos, die Krise ab 2008 hat die Produktion und damit die Nachfrage nach den Lizenzen zusätzlich gedrückt.

„Der Preis für Zertifikate wird steigen“

So dümpelt der Preis für die Tonne Kohlendioxid um die fünf Euro herum, 20 Euro sollten es mindestens sein. Deswegen sollen jetzt die Stellschrauben des Systems für die nächste Etappe (2021 bis 2030) so nachjustiert werden, dass der Preis wieder in die angepeilte Größenordnung klettert und seine umweltschützende Wirkung entfalten kann.

Dazu verabschiedete das EU-Parlament am Mittwoch seine Vorstellungen. Danach sollen bis zu einer Milliarde Zertifikate gelöscht, also aus dem Markt genommen werden. „Richtig!“, lobt der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese. „Der Preis für Zertifikate wird steigen. Dadurch werden erstens Innovationen unterstützt, und zweitens wird es dazu führen, dass es weniger nationale Maßnahmen, zum Beispiel Zwangsstilllegungen von Kohlekraftwerken in Deutschland geben wird.“

Verknappungsmechanismus wird verschärft

Außerdem wird ein bereits existierender Verknappungsmechanismus verschärft. Statt wie bislang um 1,74 Prozent soll die Menge der zur Verfügung stehenden Zertifikate künftig jedes Jahr um 2,2 Prozent sinken.

Änderungen sind auch bei der kostenlosen Zuteilung beabsichtigt, mit der energieintensive Industrien wie vor allem Chemie und Stahl vor zu hohen Belastungen geschützt und von der Abwanderung aus der EU abgehalten werden. Die Gratis-Zuteilung kann um bis zu fünf Prozent – von 43 auf 48 Prozent der Gesamtmenge – erhöht werden, um sicherzustellen, dass Unternehmen, die auf dem neuesten Stand der Technik produzieren, keine Zertifikate zukaufen müssen.

Flugverkehr und Seefahrt müssen mehr zahlen

Der Flugverkehr bekäme künftig nur noch die Hälfte statt bislang 85 Prozent der benötigten Verschmutzungsrechte gratis. Auch die Seefahrt soll sich stärker beteiligen. Der SPD-Umweltpolitiker Jo Leinen: „Der Schadstoffausstoß im Flug- und Schiffsverkehr steigt weltweit. Klimaschutzmaßnahmen greifen hier bisher kaum. Das Parlament macht nun Druck, um das zu ändern.“

Keine Mehrheit im Straßburger Plenum fand eine Forderung des Umweltausschusses, der Zement- und Kalk-Branche die kostenlosen Lizenzen zu streichen und sie stattdessen mittels einer Grenzabgabe gegen weniger umweltschonend produzierte Importe zu schützen.

Weitere EU-Gremien müssen noch zustimmen

Mit dem Erlös aus dem Verkauf von 600 Millionen Zertifikaten soll ein Innovationsfonds ausgestattet werden, der die Entwicklung CO2-armer Technologie fördert. Bei einem Zertifikatepreis von 20 Euro wäre der Fonds also immerhin zwölf Milliarden Euro schwer.

Wie die ETS-Reform am Ende ausfallen wird, ist freilich im Einzelnen noch nicht abzusehen. Das Konzept des Europaparlaments ist das Mandat für die abschließenden Verhandlungen mit dem Ministerrat, der Vertretung der EU-Regierungen. Dort gehe der Trend in dieselbe Richtung, heißt es im EP: Reduzierung der Gesamtmenge, verstärkter Schutz der einheimischen Industrie. Das definitive Ergebnis könne noch vor der Sommerpause vorliegen.