Berlin. Lange teilten sich zwei Streusalzlieferanten den deutschen Markt. Plötzlich gibt es Konkurrenz aus Nordafrika. Das hat einen Haken.

  • Harter Winter bedeutet gute Geschäfte für Streusalzproduzenten
  • Streusalz aus Tunesien und Marokko drängt auf den Markt
  • Milder Winter 2015/2016 hat den Streusalzpreis gedrückt

Die vergangenen Tage mit Schneesturm und Glatteis haben bereits gezeigt: Der Winter 2016/2017 könnte etwas heftiger werden als die der vergangenen Jahre. Und während viele schon nach kurzer Zeit genug von Neuschnee, Kälte und Glätte haben, freuen sich andere: die Salzproduzenten. Denn ein harter Winter bedeutet gutes Geschäft. Und die vergangenen Jahre waren da eher mau in Deutschland. Zudem bekommen die beiden Großen der Branche Konkurrenz: aus den Niederlanden und sogar aus Nordafrika.

„Die letzten drei Winter waren sehr mild, viele Lager der Kunden sind daher voll“, sagt Ulrich Göbel von Weltmarktführer K+S aus Kassel. Solch milde Winter bedeuten für die Salzproduzenten einen Geschäftsverlust.

Kostete die Tonne Streusalz – oder Auftausalz, wie es korrekt heißt – im dritten Quartal 2015 bei K+S noch durchschnittlich 61,90 Euro, so waren es im selben Zeitraum 2016 nur noch 52,30 Euro. Der Umsatz sank um 41 Prozent. Als Deutschland 2010 im Schnee versank, konnte K+S 62 Millionen Euro umsetzen. Sechs Jahre später waren es gerade einmal knapp 26 Millionen Euro. Aus Sicht von K+S dürfte der Winter jetzt also gern etwas kälter werden – und vor allem sollte es schneien.

Milde Winter in Deutschland belasten das Geschäft

Weil es immer häufiger milde Winter gibt und manche Stadt ohnehin den Einsatz von Streusalz aus Umweltgründen so gering wie möglich hält, ist Deutschland daher längst nicht mehr die Haupteinnahmequelle für K+S. Mit Streusalz lässt sich derzeit vor allem in Amerika gut verdienen. Dort erzielt K+S inzwischen knapp 80 Prozent seines Salz-Umsatzes.

Härter trifft ein milder deutscher Winter da schon die süddeutsche Konkurrenz: Die Südwestdeutschen Salzwerke in Heilbronn, Nummer acht der Weltrangliste, setzen 90 Prozent ihres geförderten Salzes auf dem deutschen Markt ab. Der Rest geht in die Nachbarländer Österreich, Niederlande und Italien.

Hamburg hat sich bereits im Sommer mit Salz eingedeckt

Die Schneefälle der vergangenen Tage stimmen die Salzwerke immerhin zuversichtlich: „Die heftigen Niederschläge bei niedrigen Temperaturen haben das Geschäft sehr schnell in Bewegung gebracht. Zurzeit werden täglich mehr als 20.000 Tonnen abgesetzt“, sagt Salzwerke-Sprecherin Eveline Niebler.

Trotzdem ist der Salzpreis weiterhin niedrig, zum Missfallen der Salzproduzenten, aber zur Freude vieler Städte und Gemeinden. Denn viele haben sich angesichts der niedrigen Preise mit Streusalz eingedeckt und noch keinen Bedarf an Nachschub.

In Hamburg etwa füllte die Stadtreinigung die Lagerhallen bereits im Sommer zu günstigen Konditionen. 12.000 Tonnen Streusalz lagern nun in den Hallen der Hansestadt. „Wir haben Kapazitäten bis zu 17.000 Tonnen. Weil das Salz aber mit der Zeit anfängt zu klumpen, haben wir uns für diese Auslastung entschieden“, sagt Reinhard Fiedler von der Hamburger Stadtreinigung.

Berlin lässt Streusalzvorrat sofort wieder auffüllen

Berlin ging anders vor und nutzte den niedrigen Salzpreis im Sommer nicht. Die BSR vereinbarte mit ihren Lieferanten dafür, dass diese die Lager umgehend wieder auffüllen, wenn etwas entnommen wurde – unabhängig vom derzeitigen Streusalzpreis. Im Gegensatz zu Hamburg haben die Berliner ihre Lagerkapazitäten auch voll ausgelastet. 13.000 Tonnen Streusalz und 5000 Tonnen Split warten darauf, auf die Straßen verteilt zu werden.

Wie in Hamburg gilt auch in der Hauptstadt: Streuen nach Maß. Das Berliner Naturschutzgesetz sieht vor, dass ausschließlich die BSR bei besonders glatten Straßen streuen darf. Auf Privatgrundstücken ist das Auftausalz verboten. Mit einem Bußgeld bis zu 10.000 Euro droht die Stadt den Salzsündern. Trotz des milden Winters im vergangenen Jahr verbrauchte die BSR übrigens mehr als eine komplette Lagerung an Streusalz: 13.600 Tonnen Salz und 2800 Tonnen Split landeten auf den Straßen – und das, obwohl die Stadt nur die wichtigsten Verkehrsachsen streut, Nebenstraßen aber auslässt.

Niederländer entdecken Nordrhein-Westfalen als Markt

In Deutschland ist der Markt bisher weitgehend klar aufgeteilt. Weltmarktführer K+S beliefert mit seiner Tochter European Salt Company (Esco) in erster Linie Norddeutschland. Süddeutsche Städte bekommen ihr Salz eher von den Südwestdeutschen Salzwerken aus Heilbronn, Nummer acht auf dem Weltmarkt. Neben den großen Herstellern mischt die Münchener Wacker Chemie in Bayern mit. GSES Sondershausen beliefert zahlreiche Abnehmer in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. „Die Abnehmer sind meistens in der Nähe der Produktionsstandorte, um die Logistikkosten gering zu halten“, sagte K+S-Sprecher Göbel.

Dennoch interessieren sich immer mehr ausländische Hersteller für Deutschland – trotz der niedrigen Preise und der etablierten Unternehmen, die ungern Marktanteile abgeben. Der niederländische Konzern Akzo Nobel beispielsweise hat in den letzten Jahren Nordrhein-Westfalen als Absatzmarkt für sich entdeckt.

Salz aus Tunesien kommt per Schiff nach Hamburg

Die größte Konkurrenz der deutschen Salzunternehmen kommt aber aus weiter Ferne: aus Nordafrika, etwa Tunesien und Marokko. Dort wird Salz – anders als in Deutschland – in großen Mengen aus dem Meer gewonnen. Durch die geringen Lohnkosten können die Hersteller dort viel Salz zu günstigen Konditionen in Europa anbieten. Auch das hält die Preise zur Freude der Stadtreinigungen und Straßenmeistereien niedrig.

Allerdings hat Salz aus Nordafrika einen Nachteil: Bricht der Winter eher überraschend herein, kann nicht rechtzeitig nachgeliefert werden. Der Stoff aus Marokko oder Tunesien gelangt meist per Schiff nach Deutschland. Im harten Winter 2010 allerdings reichte auch die in Deutschland geförderte Salzmenge kaum – die Stadt Krefeld etwa nutzte damals Salz aus Tunesien, das per Schiff nach Hamburg kam.

Im Ernstfall Sonderschichten im Salzbergwerk

Deutsche Salzhersteller haben da einen Vorteil. Sie können in der Regel innerhalb von 72 Stunden, im Notfall auch schneller, große Mengen an Streusalz per Lkw liefern. Die Südwestdeutschen Salzwerke fördern in ihrem Werk in Heilbronn bis zu fünf Millionen Tonnen Salz jährlich aus der Erde. Auch K+S produziert 70 Prozent seines Streusalzes in Deutschland. Die Werke Bernburg (Sachsen-Anhalt), Borth am Niederrhein und Helmstedt in Niedersachsen fördern 5,8 Millionen Tonnen Streusalz im Jahr.

Bei einem wirklich harten Wintereinbruch kann K+S den Schichtbetrieb von zwei auf drei Schichten erhöhen und auch Wochenendschichten, die im deutschen Bergbau sonst unüblich sind, eingeführt werden. 30.000 Tonnen Salz könnten so täglich produziert werden. Mit Hinzunahme der Außenlager aus Westeuropa und Skandinavien würden weitere 70.000 Tonnen täglich produziert. Der Salznachschub für Deutschlands Straßen wäre also gesichert.