Berlin. Trotz Niedrigzinsen bleibt der Erwerb einer Immobilie für viele Bürger ein Traum. Deutschland ist ein Mieterland. Das sind die Gründe.

Das Häuschen im Grünen bleibt für Millionen Bundesbürger ein Traum, obwohl die eigene Immobilie als guter Schutz gegen Geldnot im Alter gilt. Dennoch – eine repräsentative Umfrage des Marktforschungsinstituts Kantar TNS zeigt: In der Liste der Sparziele liegt Wohneigentum mit 39 Prozent zwar immer noch auf Platz drei. Allerdings ist das der niedrigste Wert seit Beginn der regelmäßigen Umfrage 1997. Auf dem ersten Platz steht aktuell der Konsum (57 Prozent), gefolgt von der Altersvorsorge (54 Prozent).

Als Grund für diese Entwicklung nennt der Verband der Privaten Bausparkassen die steigenden Immobilienpreise in Ballungsräumen. Diese wirken offenbar auf viele Verbraucher als Motivationsbremse. So bleibt Deutschland weiterhin ein Mieterland. Und jetzt steigen auch noch die Bauzinsen an.

Wie viele Menschen wohnen in der eigenen Immobilie?

In nahezu der Hälfte (46 Prozent) der bewohnten Wohnungen hierzulande ist dies laut Datenreport Wohnen 2106 der Fall. Die niedrigste Eigentümerquote fand sich in Berlin (16 Prozent), in Hamburg beträgt sie 24 Prozent.

Gibt es in Deutschland ungewöhnlich wenig Eigentümer?

Laut Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat bildet Deutschland mit der Schweiz im europaweiten Vergleich das Schlusslicht. Frankreich und die Niederlande kommen auf Quoten von mehr als 65 Prozent, in Italien sind es knapp 75, in Spanien sogar fast 80 Prozent. Ein Grund für Deutschlands Position ist der Wiederaufbau nach dem Krieg, den in den Städten vielfach große, oft öffentliche Unternehmen und Genossenschaften stemmten. Sie vermieteten die Häuser anschließend.

Welche Gründe halten Berufsanfänger vom Kaufen ab?

Forscher begründen das mit mehr Single-Haushalten und einer Landflucht in die mieterdominierten Städte. Eine große Rolle spielt die Berufslaufbahn: In den 50er-Jahren waren die meisten Menschen noch deutlich vor ihrem 20. Geburtstag in Lohn und Brot – und damit in der Lage, für Haus oder Wohnung zu sparen.

Heute verschiebt sich das. Studium, befristete Verträge, viele Ortswechsel – da hat man es als Mieter leichter. „Wenn ich als junger Mensch nicht weiß, wo ich beruflich bleibe, kann ich mit der eigenen Wohnimmobilie eigentlich nichts anfangen“, sagt Matthias Günther, Vorstand des Pestel-Instituts für Systemforschung. Doch wer bis 45 nicht gekauft habe, schaffe es meist nicht mehr.

Wer besitzt Wohneigentum?

Vor allem Ältere. Mehr als jeder zweite Haushalt mit über 70-Jährigen lebt in den eigenen vier Wänden. Knapp 70 Prozent der 18- bis 45-Jährigen mieten.

Warum kommt es durch die niedrigen Zinsen nicht zu einem Wandel?

Viele Eigentümer leben nach Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) günstiger als Mieter. „Das große Problem ist der Kapitalbedarf“, sagt Michael Voigtländer, IW-Immobilienexperte. Wer Baukredite aufnehmen wolle, müsse 25 bis 30 Prozent der Kaufsumme gespart haben. „Das ist einfach zu viel für viele Haushalte.“

Das Pestel-Institut führt in einer Studie für Verbände der Bau- und Immobilienbranche weitere Hemmnisse auf: Baulandmangel, hohe Grunderwerbsteuern, Gebühren und Maklerkosten. Haushalte mit netto 1500 bis 2600 Euro Einkommen im Monat könnten da nicht mithalten. Diese haben die Verbände als Ziel einer neuen, von ihnen verlangten Eigentumsförderung ausgemacht – nicht ganz uneigennützig, wie manche Vertreter zugeben.

Was tut die Politik?

Sie hat vor zehn Jahren die Eigenheimzulage abgeschafft, die dazu beigetragen hatte, dass die Schlafstädte abseits der Zentren wuchsen und die Pendlerzahlen stiegen. Nun gibt es erste Pläne, Käufern wieder zu helfen. Die Union überlegt, das Baukindergeld wiederzubeleben und will auch an die Grunderwerbsteuer ran. Das SPD-geführte Bauministerium denkt über Eigenkapitalzuschüsse nach.

Wie geht es mit den Zinsen weiter?

Schwer zu sagen. Die Vorsitzende der US-Notenbank Fed, Janet Yellen, deutete gerade an, eine Anhebung der seit Monaten niedrigen Leitzinsen könne „relativ bald“ angemessen sein. Damit könnte auch die Zeit extrem günstiger Baukredite enden.

Nach Angaben der Frankfurter Finanzberatung FMH haben seit der US-Wahl mehr als 20 Banken in Deutschland die Zinsen für Baukredite angehoben. „Wir erwarten aber keine Zinswende“, sagt IW-Experte Voigtländer. Signifikante und dauerhafte Anstiege werde es voraussichtlich in den nächsten Monaten nicht geben.