Neckarsulm. Gerhard Schröder soll zur Rettung von Kaiser’s Tengelmann schlichten. In die Gespräche platzt nun unverhofft ein weiterer Interessent.

Im Ringen um eine Last-Minute-Lösung für die wankende Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann folgt ein Paukenschlag dem nächsten. Keine 24 Stunden nach der Verpflichtung von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder als Schlichter stieg das nächste Schwergewicht ins Tauziehen um die rund 400 Supermärkte der Krisenkette ein: Der Discounter Lidl hat Interesse an einigen Tengelmann-Läden. Man prüfe die Übernahme einzelner Standorte, teilte das Unternehmen aus Neckarsulm am Dienstag mit. Unterdessen drückt Schröder bei den Schlichtungsgesprächen aufs Tempo.

Den Fahrtwind des Altkanzlers zu spüren bekam Alain Caparros. Der Rewe-Chef sagte ein angekündigtes Gespräch mit Tengelmann-Betriebsräten ab. Er hatte einen dringenderen Termin: „Alain Caparros’ persönliche Teilnahme am Schlichtungsverfahren macht diese Verlegung leider unumgänglich“, bedauerte ein Rewe-Sprecher. Am Dienstag trafen sich die Beteiligten zu ersten Vorgesprächen. Schröder, so hieß es aus seinem Umfeld, wolle rasch Ergebnisse sehen. Äußern wollte sich der Bundeskanzler a. D. nicht. „Für die Dauer des Verfahrens haben alle Beteiligten Stillschweigen vereinbart“, teilte ein Sprecher mit.

Schlichter Schröder wird von Bert Rürup unterstützt

Neben Edeka, Rewe und Tengelmann ging auch Lidl auf Tauchstation. Die Frage, wie viele und welche Kaiser’s-Standorte der Discounter im Auge habe, blieb unbeantwortet. Eine Übernahme der gesamten Krisenkette hatte Lidl vor einiger Zeit verworfen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Verdi-Chef Frank Bsirske hatten am Montag überraschend Altkanzler Schröder als Schlichter ins Spiel gebracht. Unterstützt wird Schröder von Bert Rürup, dem langjährigen Vorsitzendenden des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage. Rürup ist ein geübter Krisenmoderator. Vor vier Jahren schlichtete er einen tiefgreifenden Tarifkonflikt zwischen der Lufthansa und der Gewerkschaft der Unabhängigen Flugbegleiterorganisation (UFO). Damals holte er mehr Geld für das Kabinenpersonal heraus.

Für viele Angestellte geht es um die berufliche Existenz

Für viele der fast 16.000 Beschäftigten von Kaiser’s Tengelmann geht es um ihre berufliche Existenz. Rund 8000 Arbeitsplätze, so rechnet Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, fielen weg, wenn die Supermarktkette zerschlagen würde. Ursprünglich hatte der Auflösungsprozess bereits begonnen. Seriöse Interessenten dürften die Geschäftszahlen sehen, kündigte Haub an. Nur die am Montag eingeleitete Schlichtung verschaffte Tengelmann noch einmal Luft. Solange das Verfahren laufe, werde es „keine Übergabe von Tengelmann-Filialen an Dritte“ geben. Das vereinbarten die Beteiligten.

Am Wochenende hatten sich die Fronten erstmals bewegt: Nach der Discount-Kette Norma zog auch Konkurrent Markant seine Klage gegen die Erlaubnis von Wirtschaftsminister Gabriel für den Tengelmann-Verkauf an Edeka zurück. Auf dem Papier steht damit nur noch Rewe als dritter Kläger einer Übernahme im Weg.

Tiefe Abneigung zwischen Firmenchefs

Doch die Gräben zwischen Lebensmittelprimus Edeka und Rewe sind tief – auch wegen einer ausgeprägten Geringschätzung der Firmenlenker: Rewe-Boss Caparros und Tengelmann-Chef Haub verbindet eine tiefe Abneigung, gegenseitiges Misstrauen und unterschiedliche Ziele: Haub will alle Filialen von Edeka übernommen sehen; Caparros fordert eine faire Aufteilung der rund 400 Läden, die sich auf die Großräume Berlin und München, Oberbayern sowie Nordrhein-Westfalen verteilen. Nach eigenen Angaben verliert Kaiser’s Tengelmann derzeit zehn Millionen Euro – jeden Monat.