Hamburg. Bei einer Messerattacke in Hamburg wird ein Mensch getötet, viele verletzt. Der Täter war als Islamist bekannt. Sein Motiv: unklar.

Gegen den mutmaßlichen Messerangreifer von Hamburg ist Haftbefehl erlassen worden. Der 26-jährige abgelehnte Asylbewerber sitzt nun wegen des Verdachts auf vollendeten Mord sowie fünffachen versuchten Mordes in Untersuchungshaft, wie die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft, Nana Frombach, am Samstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur sagte. Zum Tathergang oder seinem Motiv habe der Mann keine Angaben gemacht, wohl aber zu seiner Person. Für eine verminderte Schuldfähigkeit hätten sich „keine belastbaren Hinweise“ ergeben, sagte sie.

Zuvor hatte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) gesagt, bei dem Mann habe es Anzeichen für eine Radikalisierung gegeben. Er sei als Islamist den Behörden bekannt gewesen. Man sei aber nicht zu der Einschätzung einer unmittelbaren Gefährlichkeit gelangt. Als Straftat sei bisher bei ihm bisher nur ein Ladendiebstahl im Frühjahr registriert worden. Die Ermittlungen wurden damals wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Bei dem Mann gebe es einerseits Hinweise auf religiöse Beweggründe und islamistische Motive, andererseits auch auf eine „psychische Labilität“. Die Polizei gehe bei dem Tatmotiv von einer Gemengelage aus und wisse noch nicht, was letztlich den Ausschlag für den Messerangriff gegeben habe.

Derzeit keine Hinweise auf Hintermänner

„Solchen Anschlägen in dieser Begehungsform wohnt immer ein hohes Maß an Unberechenbarkeit inne, weil es eine in gewisser Weise willkürliche Tat ist – mit primitivsten Mitteln, an einem fast beliebigen Ort ausgeführt“, sagte Grote weiter.

Derzeit gebe es keine Hinweise auf Hintermänner oder eine Einbindung des Täters in ein Netzwerk. Hierzu seien aber weitere Ermittlungen nötig. „Wir gehen im Moment von einem Einzeltäter, einem zumindest psychisch labilen Einzeltäter aus.“ Es müsse nun aber geprüft werden, ob die Sicherheitsbehörden allen Hinweisen immer in angemessener Weise nachgegangen seien.

De Maizière reagierte bestürzt

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) reagierte am Samstag bestürzt. „Erneut trifft eine schreckliche Attacke unsere Gesellschaft“, sagte er in Berlin. „Meine Trauer gilt dem Toten, mein Mitgefühl seinen Angehörigen und den verletzten Opfern.“ Mit Blick auf die möglichen Hintergründe der Tat sagte der Minister: „Wir müssen damit rechnen, dass die dschihadistische Ideologie als Begründung oder Rechtfertigung für Taten herangezogen wird, die vielleicht aufgrund ganz anderer Motive begangen werden.“ Das lehre die leidvolle Erfahrung.

„Die eigentlichen Motive können dann auch in der Persönlichkeit des Täters liegen.“ Es sei nun Aufgabe der Hamburger Behörden, diese zu ermitteln. „Es ist wichtig, die Hintergründe der Tat so schnell wie möglich zu analysieren, um aufzuklären, wie es zu der Tat kommen konnte“, betonte der CDU-Politiker.

Kanzlerin Angela Merkel erklärte: „Die Gewalttat muss und wird aufgeklärt werden.“ Sie sprach den Opfern ihr Mitgefühl aus. Wie Justizminister Heiko Maas zollte sie jenen Passanten Respekt, die sich dem Angreifer mutig entgegengestellt hatten, bis die Polizei kam.

„Es hätte jeden von uns genauso treffen können“

Der Mann, geboren in den Vereinigten Arabischen Emiraten, hatte am Freitag im Stadtteil Barmbek

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. Ein 50-Jähriger starb. Laut Grote gab es sieben weitere Opfer, die zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Inzwischen befänden sich aber alle außer Lebensgefahr.

Der Innensenator sprach von einer „erbärmlichen, verachtenswerten Tat“ eines Menschen, der offenbar als Schutzsuchender nach Deutschland gekommen sei. Der Angriff habe die Opfer wie aus dem Nichts getroffen. „Es hätte jeden von uns genauso treffen können“, sagte Grote.

Er soll oft „Allahu Akbar“ über den Flur gerufen haben

Mitbewohner des mutmaßlichen Täters haben sich schockiert gezeigt. Sie beschrieben den 26-Jährigen, der in einer Container-Unterkunft für Flüchtlinge wohnte, als Außenseiter.

Messerangriff in Hamburger Supermarkt

In einem Edeka-Supermarkt hat ein Angreifer wahllos mit einem Küchenmesser auf Kunden eingestochen. Dabei wurde ein Mensch getötet. Sieben weitere wurden verletzt.
In einem Edeka-Supermarkt hat ein Angreifer wahllos mit einem Küchenmesser auf Kunden eingestochen. Dabei wurde ein Mensch getötet. Sieben weitere wurden verletzt. © dpa | Markus Scholz
Der Täter war nach der Tat auf die Straße geflüchtet.
Der Täter war nach der Tat auf die Straße geflüchtet. © REUTERS | UGC
Eine ältere Passantin wird nach der Messerattacke von einem Feuerwehrmann begleitet.
Eine ältere Passantin wird nach der Messerattacke von einem Feuerwehrmann begleitet. © dpa | Paul Weidenbaum
Feuerwehr und Polizei waren mit einem Großaufgebot vor Ort.
Feuerwehr und Polizei waren mit einem Großaufgebot vor Ort. © REUTERS | UGC
Wie die Polizei mitteilte, wurde der Täter von Passanten überwältigt und von Zivilfahndern festgenommen.
Wie die Polizei mitteilte, wurde der Täter von Passanten überwältigt und von Zivilfahndern festgenommen. © dpa | Paul Weidenbaum
Noch Stunden nach dem Geschehen war die Spurensicherung in dem Supermarkt bei der Arbeit.
Noch Stunden nach dem Geschehen war die Spurensicherung in dem Supermarkt bei der Arbeit. © dpa | Markus Scholz
Die Polizei vermutet bei der Tat einen islamistischen Hintergrund.
Die Polizei vermutet bei der Tat einen islamistischen Hintergrund. © dpa | Markus Scholz
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Ein 33 Jahre alter syrischer Nachbar berichtete am Samstag, der mutmaßliche Täter habe oft „Allahu Akbar“ über den Flur gerufen. Er beschrieb ihn als „verrückt“, Freunde habe er in der Unterkunft nicht gehabt. Die Bewohner hätten ihn nur ab und zu in der Gemeinschaftsküche gesehen. Er habe viel Alkohol getrunken, Haschisch geraucht und Kokain konsumiert. Früher spielte er demnach oft noch Fußball mit den anderen Bewohnern – in letzter Zeit habe er sein Zimmer aber kaum noch verlassen, erzählt sein Nachbar weiter.

„Wer so was macht, ist krank“

Der Mann habe viel gebetet, auch in eine Moschee sei er gegangen. Welches Gebetshaus das war, wusste der Nachbar nicht. Die Menschen in der Unterkunft erzählten sich, der mutmaßliche Täter von Barmbek sei in Syrien aufgewachsen. Er selbst gab an, Palästinenser zu sein.

Ein anderer Nachbar sagte: „Wer so was macht, ist krank. Das ist schwer für die Leute hier.“ Der zweifache Familienvater hat Angst, dass Asylsuchende nach der Attacke unter Generalverdacht gestellt werden. „Die Frage ist, warum jemand so was macht. Ich bin nach Deutschland gekommen für eine neue Zukunft. Das verstehe ich nicht.“

Zeugen überwältigen den Angreifer mit Stühlen

Der Anlass der Attacke ist nach Angaben der Behörden bisher noch unklar. Der Mann habe zunächst den Supermarkt betreten und womöglich etwas gekauft und sei anschließend in einen Bus eingestiegen. Diesen habe er jedoch sofort wieder verlassen und sei in den Supermarkt zurückgekehrt.

Dort hatte der Mann den Behörden zufolge dann ein Messer mit einer 20-Zentimeter-Klinge aus der Auslage gerissen und ohne Vorwarnung auf einen 50-jährigen Kunden eingestochen. Danach war er geflohen.

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, Beamte konnten ihn festnehmen. Man ermittele in alle Richtung, sagte ein Polizeisprecher.

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Sieben verletzte Menschen

Bei den Verletzten handelt es sich um eine 50-jährige Frau und vier Männer im Alter von 19, 56, 57 und 64 Jahren. Ein 35 Jahre alter Mann wurde zudem bei der Überwältigung des Messerstechers verletzt. Eine 29-Jährige wurde im Rahmen des Geschehens leicht verletzt wurde, teilte die Polizei am Samstag mit. Demnach stürzte die Frau zog sich Schürfwunden zu.

Unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete zuerst der „Tagesspiegel“, der Verdächtige sei den deutschen Behörden als Islamist bekannt. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gehen die Sicherheitsbehörden Hinweisen auf salafistische Bezüge nach. Offen ist demnach aber, ob er ein ideologisches Motiv hatte. Es gebe auch Anhaltspunkte für persönliche Probleme wie Drogenkonsum. Darüber berichtete auch „Spiegel Online“.

Messerangriff in Hamburger Supermarkt

In einem Edeka-Supermarkt hat ein Angreifer wahllos mit einem Küchenmesser auf Kunden eingestochen. Dabei wurde ein Mensch getötet. Sieben weitere wurden verletzt.
In einem Edeka-Supermarkt hat ein Angreifer wahllos mit einem Küchenmesser auf Kunden eingestochen. Dabei wurde ein Mensch getötet. Sieben weitere wurden verletzt. © dpa | Markus Scholz
Der Täter war nach der Tat auf die Straße geflüchtet.
Der Täter war nach der Tat auf die Straße geflüchtet. © REUTERS | UGC
Eine ältere Passantin wird nach der Messerattacke von einem Feuerwehrmann begleitet.
Eine ältere Passantin wird nach der Messerattacke von einem Feuerwehrmann begleitet. © dpa | Paul Weidenbaum
Feuerwehr und Polizei waren mit einem Großaufgebot vor Ort.
Feuerwehr und Polizei waren mit einem Großaufgebot vor Ort. © REUTERS | UGC
Wie die Polizei mitteilte, wurde der Täter von Passanten überwältigt und von Zivilfahndern festgenommen.
Wie die Polizei mitteilte, wurde der Täter von Passanten überwältigt und von Zivilfahndern festgenommen. © dpa | Paul Weidenbaum
Noch Stunden nach dem Geschehen war die Spurensicherung in dem Supermarkt bei der Arbeit.
Noch Stunden nach dem Geschehen war die Spurensicherung in dem Supermarkt bei der Arbeit. © dpa | Markus Scholz
Die Polizei vermutet bei der Tat einen islamistischen Hintergrund.
Die Polizei vermutet bei der Tat einen islamistischen Hintergrund. © dpa | Markus Scholz
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Das weiß man über den Angreifer

Der 26-jährige Angreifer soll Palästinenser sein, er kam im März 2015 nach Deutschland. Vorher soll er in Norwegen, Spanien und Schweden gewesen sein. Er spreche „hervorragend Englisch, Schwedisch und Norwegisch“, so Hamburgs Verfassungsschutzchef Torsten Voß.

Bei seiner Ankunft in Deutschland hatte der junge Mann keine Ausweispapiere bei sich, nur eine Geburtsurkunde. Seine erste Station war Dortmund. Von dort aus wurde er nach Hamburg weitergeschickt, stellte dort im Mai 2015 einen Asylantrag. Der wurde Ende des vergangenen Jahres abgelehnt.

Nach Angaben von Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz konnte der Tatverdächtige aber nicht abgeschoben werden, weil er keine Papiere hatte. Der SPD-Politiker erklärte, es mache ihn wütend, „dass es sich bei dem Täter offenbar um jemanden handelt, der Schutz bei uns in Deutschland beansprucht und dann seinen Hass gegen uns gerichtet hat“. Innensenator Grote nannte die Bluttat einen „erbärmlichen Anschlag“. „Ich hoffe inständig, dass die zum Teil schwer verletzten weiteren Opfer überleben und wieder vollständig gesund werden“, erklärte er. (dpa/rtr)