Mossel Bay/Südafrika. Vor Südafrika beobachten Forscher einen einzelnen Orca auf der Jagd. Das ist außergewöhnlich – und könnte größere Bedeutung haben.

„Starboard“ ist unter Meeresbiologen in Südafrika längst berüchtigt. Zusammen mit seinem Artgenossen „Port“ macht der Orca gerne Jagd auf den vermutlich bekanntesten Fisch der Welt: den Weißen Hai.

Soweit nichts Neues, Orcas – auch Schwert- oder Killerwale genannt – jagen für gewöhnlich in Gruppen; die Tiere gelten als außerordentlich sozial, nicht nur, wenn es um die Nahrungsbeschaffung geht. Auch das Beuteschema ist bekannt, wenn auch noch nicht ganz so lange. So haben „Starboard“ und „Port“ im März 2023 mindestens 17 Weiße Haie getötet und dabei immer nur die Leber ihrer Beute gefressen, der Fall machte international Schlagzeilen.

Nun schafft es „Starboard“ wieder in die Presse. Das umtriebige Tier geht ganz offenbar nicht nur mit seinem Artgenossen auf Haifischfang, sondern auch alleine.

Erstmals Solo-Jagd auf Weißen Hai beschrieben

Die Biologin Alison Towner hat zusammen mit Kollegen am 1. März eine Studie veröffentlicht, in der sie dieses bemerkenswerte Verhalten von „Starboard“ ausführlich beschreibt. Das Tier hat demnach am 18. Juni 2023 einen jungen Weißen Hai von etwa 2,5 Metern Länge attackiert und innerhalb von rund zwei Minuten getötet sowie die Leber des Hais verspeist, „was die Jagdfähigkeiten des Killerwals hervorhebt“, wie die Forscher schreiben.

Rund zwei Minuten benötigte „Starboard“, um den Hai zu töten und auszuweiden.
Rund zwei Minuten benötigte „Starboard“, um den Hai zu töten und auszuweiden. © DPA Images | Christiaan Stopforth

Jagdkumpan „Port“ sei ebenfalls anwesend gewesen, wie Videoaufnahmen zeigten, allerdings rund 100 Meter entfernt gewesen.

Zwar sei Solo-Nahrungssuche schon bei anderen Killerwalen vor Kapstadt beobachtet worden, schreiben die Forscher. Die Ergebnisse aber zeigten, dass „mindestens ein Killerwal, der für Haifischjagd bekannt ist, die Fähigkeit besitzt, unabhängig jungen Weißen Haien nachzustellen“.

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In allen anderen bekannten Fällen in der Region seien zwei bis sechs Tiere auf die Jagd nach Haien gegangen. Dabei würde sich die Orcas ihrer Beute nähern, während ein Tier den Fluchtweg abschneide. Rund zwei Stunden dauere so eine Jagd normalerweise.

Jagdverhalten besorgt Forscher

Dass es „Starboard“ ausschließlich auf die Leber seiner Beute abgesehen hat, ist indessen für Wissenschaftler wenig überraschend. Das Organ gilt als sehr nahrhaft, es enthält wertvolle Fette. Auch andere Tiere haben es oft nur auf bestimmte Organe oder Teile abgesehen; manche Bären etwa fressen vorzugsweise die Eier aus trächtigen Lachsweibchen. Von Wölfen und Seehunden ist ähnliches Verhalten bekannt.

Forscher fürchten, dass das Ökosystem vor Südafrika aus den Fugen geraten könnte.
Forscher fürchten, dass das Ökosystem vor Südafrika aus den Fugen geraten könnte. © DPA Images | Christiaan Stopforth

Mehr Sorgen bereitet den Forschern in Südafrika die Tatsache, dass das Jagdverhalten der Orcas Bemühungen zur Arterhaltung beim Weißen Hai erschweren könnte; auch, weil Orcas sehr schnell Jagdtechniken voneinander lernen können.

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Zusätzlich erschweren könnten solche Bemühungen Veränderungen im Ökosystem, ausgelöst vom Klimawandel und von anderen, vom Menschen gemachten, Stressfaktoren.

Auch könnte eine Abnahme der Hai-Population vor Südafrikas Küste dazu führen, dass etwa die Population der Kap-Pelzrobbe zunimmt – mit negativen Folgen für andere Tierarten. In Kürze: Das Ökosystem vor Ort gerät ins Wanken.