Berlin. ADHS wird bei Frauen seltener erkannt – Herzinfarkte ebenso. Die Dosierung vieler Medikamente ist für Männer berechnet. Das geht nicht.

In der Medizin wurde lange angenommen, dass ADHS, also die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, bei Frauen und Mädchen so gut wie nicht vorkommt. Heute weiß man: Das stimmt nicht. Die Störung wurde bei betroffenen Patientinnen nur jahrelang überhaupt nicht erkannt.

Schuld daran sind neben uneindeutigeren Symptomen bei Frauen auch geschlechtsspezifische Verzerrungen in den ADHS-Bewertungsskalen. Denn diese heben Verhaltensweisen hervor, die verstärkt bei Jungen auftreten. Die Folge: Unnötig viele Mädchen haben ein unnötig schweres Leben – kompensieren ADHS-bedingte Herausforderungen mit großem Kraftaufwand. Nicht selten endet das in Burnout, Depression oder Sucht.

Auch interessant:Warum ADHS bei Frauen so selten entdeckt wird

Und ADHS ist kein Einzelfall. Es steht exemplarisch für eine Vielzahl von Krankheiten. Auch ein Herzinfarkt beispielsweise äußert sich bei Frauen anders als bei Männern und wird so oftmals später erkannt. Bittere Realität: Medizin ist im Allgemeinen noch immer auf Männer ausgerichtet – egal ob Forschung, Symptombeschreibungen oder Behandlung samt Medikamentendosierung.

Medizinische Studien müssen Frauen stärker berücksichtigen

Für Frauen kann das fatale Folgen haben, wie das Beispiel ADHS zeigt. Und obwohl das Problem erkannt ist, werden die Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Medizin – genau wie in vielen anderen Lebensbereichen – noch immer nicht ausreichend berücksichtigt.

Anne-Kathrin Neuberg-Vural, Redakteurin Ratgeber & Wissen im Ressort Leben der Funke Zentralredaktion.
Anne-Kathrin Neuberg-Vural, Redakteurin Ratgeber & Wissen im Ressort Leben der Funke Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Strikte Vorgaben – beispielsweise, dass sich das Geschlechterverhältnis in Studien an der tatsächlichen Geschlechterverteilung der Krankheiten orientieren muss – wären wichtig. Erste entsprechende Ansätze gibt es auf EU-Ebene bereits, aber mit Blick auf medizinische Geschlechtergerechtigkeit ginge definitiv noch mehr.