Womit fünf chinesische Autobauer Europa erobern wollen
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Von Holger Holzer
Hamburg. Die erste Offensive der Autohersteller aus Fernost scheiterte vor zehn Jahren. Einige nehmen wieder Anlauf, fünf stellen wir vor.
Die Japaner brauchten 20 Jahre, bis sie konkurrenzfähige Autos bauten. Die Koreaner zehn. Und die Chinesen nur noch fünf? Dieser in der Autobranche aktuell populäre Dreisatz ist so verlockend simpel, dass er kaum stimmen kann. Oder doch? Vielleicht kommt es nur darauf an, ab wann man anfängt zu zählen. Startet man jetzt, hätten mindestens fünf Kandidaten das Zeug. Auch, weil alle schon eine Verbindung mit Europa haben.
Borgward – europäischer Name
Am augenfälligsten ist die Kontinental-Connection bei Borgward. Mit der alten, innovativen Bremer Marke haben die SUV-Modelle BX7 und BX5 der Foton-Tochter bis auf das revitalisierte Logo allerdings nichts mehr zu tun. Unter der Karosserie stecken die China-Cross-over Senova X65 beziehungsweise X55, und auch der angekündigte Elektroantrieb wird wohl aus Fernost importiert.
Die bereits auf diversen Messen gezeigten Modelle machen einen durchaus vernünftigen Eindruck, für die vom Hersteller angekündigte Positionierung als „erschwingliche Premiummodelle“ braucht es aber noch Fantasie. 2018 sollen die ersten Modelle nach Deutschland kommen, montiert wird dann auch in einem Werk am alten Markensitz in Bremen. Händler soll es zunächst nicht geben, der Vertrieb erfolgt über den Leasinganbieter Sixt.
Geely – mit europäischer Sicherheit
Geelys Fuß in der Tür nach Europa heißt Volvo. 2010 kaufte die in der Heimat recht erfolgreiche Marke den kriselnden schwedischen Hersteller. Dadurch kam europäisches Know-how ins Haus, vor allem was Fahrzeugsicherheit angeht. So soll auch das erneute Scheitern beim Crashtest verhindert werden, das die erste China-Welle Anfang des Jahrtausends schnell zum Versickern gebracht und das Image für die Fernost-Autos beschädigt hatte.
Vielleicht auch deswegen setzt Geely für die Eroberung Europas auf eine neue Marke: Lynk & Co. soll mit SUM in frischem Design, Volvo-Technik und weitgehender Vernetzung Ende 2017 zunächst in China an den Start gehen und danach Europa sowie die USA erobern.
Wey – mit europäischem Anspruch
Auf dem chinesischen Automarkt gibt es gefühlt Hunderte unterschiedlicher Automarken. Monatlich verschwinden welche, regelmäßig aber kommen auch neue dazu. Ende 2016 zum Beispiel Wey, eine Tochter des Great-Wall-Konzerns, in dessen Portfolio sie künftig die Spitzenposition markieren soll. Wer in China als Premiummarke gelten will, muss den Anspruch offensiv vertreten – gerne auch mit der Ankündigung, Europa und die ganze Welt erobern zu wollen.
Vor diesem Hintergrund mag die auf der IAA im Herbst gestartet Herausforderung an Mercedes, BMW und Co. wie PR für den Heimatmarkt wirken. Die in Frankfurt gezeigten Autos aber wirkten nicht wie bloße Luftschlösser. Und auch Wey-Chef Jens Steingräber, ein ehemaliger Audi-Manager, verteidigt die ehrgeizigen Pläne. Im Rennen um Image und Prestige führen die deutschen Marken vielleicht noch vorne weg. Aber Wey fahre die schnelleren Rundenzeiten, sagte der im Interview mit der „Wirtschaftswoche“.
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Chery – europäischer Geschmack
Für chinesische Verhältnisse sahen Chery-Autos immer schon vergleichsweise „ausländisch“, wenn nicht „westlich“ aus. Manchmal zu sehr – 2003 etwa klagte General Motors gegen den Verkauf des Chery QQ, der angeblich zu sehr wie ein Chevrolet Matiz wirkte. Auch wenn Chery im nationalen Vergleich eher zu den harmlosen Kopisten zählte: Formale Eigenständigkeit war alles andere als ein Markenkern. Das könnte sich ändern.
Das auf der IAA gezeigte SUV Exeed TX erfindet das Autodesign nicht neu, kombiniert aber clever verschiedene Einflüsse zu einem gefälligen und stimmigen Gesamtpaket. Dass man noch mehr erwarten kann, zeigt die Coupé-Studie Tiggo, die endgültig mit dem Image des billigen Nachmachers aufräumen soll. Unterstrichen werden soll das durch die Ankündigung, Ende 2019 in Europa direkt einem Elektroauto starten zu wollen.
Byton – mit europäischem Personal
Warum die chinesischen Hersteller nun ihre Chance auf dem Weltmarkt wittern, wird bei keinem Unternehmen so klar wie bei der 2017 gegründeten Marke Byton. „Bytes On Wheels“ soll der Name bedeuten: „Bytes auf Rädern“. Digitalisierung, Vernetzung und Elektrifizierung ebnen den jahrhundertlangen technischen Vorsprung der etablierten Autohersteller im Handumdrehen ein.
Weil man auf das Know-how des Westens nicht verzichten kann, warb die Auto-Tochter der chinesischen Future-Mobility-Corporation kurzerhand einen Großteil vom Entwicklerteam aus BMWs E-Autoschmiede ab. Darunter auch den CEO Carsten Breitfeld. Als erstes Modell ist ein elektrisches SUV geplant, der Prototyp soll 2018 auf der CES in Las Vegas präsentiert werden.