Thale. Back-Bloggerin Selina Neubert hat über 70 000 Fans auf Facebook. Sie erzählt uns, wie sie zum Bloggen kam.

Mit einer Hand zieht Selina Neubert einen langen pinken Faden aus Zuckerschrift über die Schokoladenglasur ihres heutigen Kunstwerks. „Für Dich“ schreibt sie in großen Buchstaben auf die riesige Himbeer-Buttercreme-Torte, an der sie soeben eine Stunde lang herumgewerkelt hat. Hier noch ein Bonbon-Herz, dort ein Mikadostäbchen mehr – erst als alles perfekt aussieht, stellt sie die Torte vor ihre extra eingerichtete Foto-Ecke und schießt ein Foto nach dem anderen.

Die 24-Jährige aus Thale ist gelernte Konditorin und Backbloggerin. Sie backt leidenschaftlich gerne, entwickelt eigene Rezepte und lässt ihre Fans im Internet an ihren Kreationen teilhaben. Sobald sie mit dem Foto der Himbeer-Buttercreme-Torte zufrieden ist, kommt es direkt zu Facebook, Instagram und Co.

Backen und Bloggen

Über 70 000 Menschen folgen der jungen Frau aus Thale auf Facebook. Mit einem solchen Erfolg hatte sie bei weitem nicht gerechnet als sie vor fünf Jahren anfing, ab und zu mal ein Bild von einer Torte zu posten. „Aber über Facebook haben sich die Bilder rasend schnell verbreitet“, erzählt sie. Freunde von ihr haben ihre Bilder geteilt, Freunde von Freunden ihre Seite besucht und einen Gefällt-mir-Daumen gesetzt. „Viele Leute haben mich auch angeschrieben und nach den Rezepten gefragt, da habe ich entschieden mit dem Bloggen anzufangen und meine Tortenrezepte dort zu teilen.“

Auf ihrer Internetseite tortenlust.blogspot.de veröffentlicht sie seitdem Rezepte für Kuchen, Cupcakes, Motivtorten, Pralinen – alles, was das süße Herz so begehrt. Dazu verrät sie ihre Tricks, Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Back-Basics. „Wenn ich die Zeit habe, mache ich auch Videos mit Back-Tutorials oder Fotostrecken.“ Die Resonanz ist für sie überwältigend: Über viereinhalb Millionen Mal wurde ihr Blog bereits besucht – am Tag bis zu 500 Mal. Wenn sie ihre Kreationen morgens auf den sozialen Netzwerken teilt, ist die Klickzahl am Nachmittag auch auf ihrem Blog dementsprechend hoch. Die Rezepte werden auf Facebook gewissermaßen „angeteasert“.

Selina erklärt: „Ich kann bei Facebook in den Statistiken sehen, wann die meisten meiner Follower online sind. Das ist meist morgens zwischen 8 und 9 Uhr und abends ab 18 Uhr der Fall. In dieser Zeit versuche ich dann, meine Postings zu platzieren.“ Später, wenn sie das Rezept auf ihrem Blog veröffentlicht hat, postet sie den Link dazu unter das Facebookbild – so auch heute bei der Himbeer-Buttercreme-Torte.

50 Torten an einem Tag

Mittlerweile bekommt Selina auch Bestellungen über Facebook zugeschickt – aus ganz Deutschland. „Dann muss ich immer erstmal schauen, aus welcher Stadt die Anfrage kommt und ob es überhaupt möglich ist, die Torte dort hinzubringen“, erzählt sie. An manchen Tagen bekommt sie vier bis fünf Anfragen, mal zehn, manchmal auch gar keine. „Aber im Schnitt eine Bestellung pro Tag“, sagt sie. Es gebe aber auch Extremfälle: Im August etwa, kurz vor dem Einschulungstag, konnte sie sich kaum noch retten vor Anfragen. „Da habe ich tatsächlich 50 Torten an einem Tag gebacken. Alle mit Schreib- oder Schultütenmotiven. Das war schon eine Herausforderung, aber mit den Ergebnissen war ich mehr als zufrieden – und die Schulkinder auch.“

Facebook-Stammkunden haben Selinas Rezepte bereits selbst ausprobiert und der Thalenserin dann Fotos von ihren Ergebnissen geschickt. „Über so ein Feedback freut man sich natürlich“, sagt sie. Sogar Firmen haben sie schon angeschrieben und ihr Back-Utensilien zum Testen geschickt. So testete sie unter anderem Förmchen, Schüsseln, Schneebesen oder Fondant für bekannte Marken wie etwa Tchibo. Zuerst kostenlos – „Ich habe mich erstmal nur darüber gefreut, überhaupt von Firmen angeschrieben zu werden.“ – mittlerweile bekommt sie auch Geld dafür. Für Backzeitschriften entwickelt sie gelegentlich Rezepte. „Für die Bravo-Girl habe ich einmal ein Weihnachtsspecial gemacht“, erzählt sie.

Backstube statt Anwaltskanzlei

Dass ihre beruflichen Pläne zunächst in eine ganz andere Richtung gingen, mag man heute gar nicht glauben. 2012 entschied sich Selina vorerst dazu, Jura zu studieren: Ellenlange Paragraphen auswendig zu lernen, sollte zunächst ihre Freizeit bestimmen. „Das hat mir anfangs auch großen Spaß gemacht, aber irgendwann habe ich mehr gebacken als studiert“, lacht Selina. „Ich habe schon immer gerne gebacken und gekocht und neue Sachen ausprobiert. Auch andere Backblogs habe ich gerne gelesen.“

Irgendwann habe sie dann für sich beschlossen, doch lieber
etwas Kreatives zu machen – und das Jura-Studium an den Nagel
zu hängen. Die anfangs schwere
Entscheidung erwies sich rückblickend allerdings als goldrichtig. Die 24-Jährige ging in einem Unternehmen in Stolberg im
Harz in die Konditorlehre, zwei Jahre später machte sie bereits ihren Meister in Berlin.

Seitdem backt sie im Unternehmen ihrer Mutter im Spielhaus Thale, für ihre Freunde und Facebook-Fans. „Mein großer Traum ist nun, mich selbstständig zu machen“, verrät sie. Am liebsten würde die gebürtige Gifhornerin ihre eigene Konditorei auch in
ihrer Heimatstadt Thale aufmachen.

Was begeistert die 24-Jährige so sehr an ihrem Tagewerk?
Sie schwärmt: „Es ist einfach toll zu sehen, wie sehr sich die Menschen über meine Torten freuen. Mit ganz einfachen Zutaten,
kann ich vielen eine Freude
machen – und auch noch meiner Kreativität freien Lauf lassen.“ Und wer darf sich nun über
die Himbeer-Buttercreme-Torte freuen? An diesem sonnigen Tag im Harz die glückliche Reporterin. Köstlich...