Braunschweig. In Niedersachsen gibt es heute Zeugnisse. Philologenverband: Das Sitzenbleiben hat noch keinem geschadet.

Zuerst die gute Nachricht: Endlich sind Sommerferien! Für rund 1,1 Millionen Schüler an 3100 Schulen in Niedersachsen endet heute das Schuljahr – für viele geht es nun direkt in den Urlaub. Von allen Bundesländern starten die Schüler in Bremen und Niedersachsen als Erste in die schulfreien sechs Wochen.

Und jetzt die schlechte Nachricht: Es gibt davor Zeugnisse. Dabei geht es um Abschlüsse und Versetzungen – und wenn die Zeugnisnoten mies ausfallen, bereitet das nicht nur den betroffenen Schülern Sorgen, sondern auch ihren Eltern. Dahinter steht oft die Angst, die Kinder könnten mit schlechtem Abschluss später keinen guten Job finden.

Noten als Rückmeldefunktion

Dazu gibt es erstmal eine grundsätzliche Entwarnung. Der Vorsitzende des Philologenverbands Niedersachsen, Horst Audritz, meint: „So viele schlechte Noten gibt es überhaupt nicht mehr. Im Gegenteil, wir haben in Niedersachsen schon fast eine Inflation der guten Noten.“ Ein Drittel der Schüler am Gymnasium etwa hätten besser als 2,0 abgeschnitten.

Und, noch ein Beispiel: Von 186 Abiturienten des Gymnasiums am Schloss in Wolfenbüttel, „haben 182 das Abitur bestanden“, unterstreicht Audritz. Noten hält der Philologe vor allem für aussagekräftig: „Noten haben eine wichtige Rückmeldefunktion.“ Sie seien „ein relativ gutes Indiz“, wie die Leistung des Schülers einzuschätzen ist. Sind schlechte Noten schädlich? „Generell gelten schlechte Noten ja als demotivierend“, sagt Audritz. Der Philologen-Chef ist jedoch auch der Meinung, „dass Leistung belohnt werden muss. Es geht bei guten und schlechten Noten nicht darum, ‚die Schlechten’ abzuwerten, sonder eher darum, sehr gute Leistungen eben auch entsprechend zu würdigen, indem sie so benannt werden.“ Heidemarie Kemnitz, Professorin für Schulpädagogik an der Technischen Universität Braunschweig, bestätigt: „Eine Note sagt etwas im Vergleich zu einer Gruppe aus. Man kann sich dabei an Standards orientieren.“

Trotzdem könnten schlechte Noten auch dazu führen, dass das Selbstbewusstsein eines Kindes erschüttert wird – und möglicherweise sogar zur Stigmatisierung in der Klasse. Während sich laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Fact die meisten der Sechs- bis Achtjährigen noch auf ihre Zeugnisse freuen, gab bereits einer von drei 14-Jährigen an, vor der Ausgabe unter Stress zu stehen, zwölf Prozent sprachen sogar von Angst. Eltern sollten in jedem Fall gelassen auf schlechte Zeugnisse und Noten reagieren, findet Horst Audritz. „Sie sollten die Kinder unterstützen, nicht immer nur etwas fordern.“ Eine Vertrauensbasis hält er für wichtig. „Es sollte Kommunikation geben, und zwar nicht erst kurz vor den Zeugnissen, sondern einen permanenten Austausch.“

Ferienzeit als Pause nutzen

Manchmal gebe es Leistungsgrenzen, über die Eltern mit ihren Kindern offen reden sollten – eventuell sei den Schülern dann mit einem Wechsel der Schulform mehr geholfen als mit quälendem Lernen. Schulpädagogin Kemnitz rät Eltern auch zum Zuhören: „Man muss über schlechte Note reden, sie erstmal ergründen und gelassen bleiben.“

Sollten gute Noten belohnt werden? Darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Für viele Erziehungswissenschaftler spricht nichts dagegen, gute Noten etwa mit Geld, Geschenken oder gemeinsamen Ausflügen zu belohnen. Horst Audritz meint allerdings: „Leistung sollte nicht von einem Geldbetrag abhängen.“

Wer nicht versetzt wird und eine Klasse wiederholen muss, den sieht Gymnasiallehrer Audritz nicht im Nachteil. „Das Sitzenbleiben hat noch keinem geschadet.“ Vielen erfolgreichen Persönlichkeiten sei das auch passiert. Die Ferienzeit sollte jetzt erstmal als Pause genutzt werden.

Schüler sollten lieber mit neuer Energie ins kommende Schuljahr starten und dann „von Anfang an im Unterricht loslegen und mitarbeiten“. Die bildungspolitische Diskussion um das Sitzenbleiben sieht der Philologe als „aufgebauscht“ an. In Niedersachsen liege die Zahl der Wiederholer bei unter zwei Prozent. „Von 100 Schülern bleiben also nur zwei sitzen“, so Audritz.

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) empfiehlt Eltern, bei schlechten Zeugnissen nicht mit Vorwürfen zu reagieren. „Jedes neue Schuljahr bietet auch neue Chancen“, so die Ministerin.

Vorschläge für das Ferienprogramm finden Sie hier: Sechs Wochen voller Action