Braunschweig. Low-Carb-Diäten stehen in der Kritik. Experten raten zu einer ausgewogenen Ernährungsweise.

Wenn es um Diäten ging, stand in den vergangenen Jahren ein Konzept im Mittelpunkt von Ratgeberartikeln in Zeitungen oder Zeitschriften und Fachbüchern: die Low-Carb-Diät. Low Carb heißt übersetzt: wenig Kohlenhydrate. Durch Verzicht auf eigentlich gängige Nahrungsmittel wie Brot oder Pasta soll der Blutzuckerspiegel konstant, die Insulinausschüttung niedrig und der Fettabbau hoch gehalten werden. Doch immer mehr Experten beurteilen das Diät-Konzept kritisch.

„Lange Zeit galt die Niedrig-Fett-Ernährung als Dogma. Irgendwann hat man gemerkt, dass die Theorie nicht stimmen kann, und man hat die Kohlenhydrate als entscheidenden Faktor in Bezug auf das Körpergewicht ausgemacht“, erklärt Professor Max Reinshagen, Chefarzt am Klinikum Braunschweig. Der Mediziner hält die einseitigen Diätrezepte jedoch generell für falsch.

„Was in den bekannten Frauenzeitschriften als wirkungsvolle Diäten angepriesen wird, bringt in der Regel überhaupt nichts“, urteilt der Arzt. Er hält genauso wenig von speziellen Diätprodukten. Wer auf Low Carb setze, vergesse gute und schlechte Kohlenhydrate zu unterscheiden, so Reinshagen. Zu meiden seien größere Mengen isolierter Kohlenhydrate, wie sie in Weißmehlprodukten zu finden seien. Back- und Teigwaren, Kuchen, Kekse, weißer Reis und natürlich Süßigkeiten enthalten diese schlechten Kohlenhydrate. Doch die Kohlenhydrate in Vollkornprodukten, Kartoffeln oder Quinoa können damit nicht verglichen werden.

Dass Low-Carb-Anhänger alle Kohlenhydrate verteufeln, wird ihnen schon seit längerem vorgeworfen. Auch bezweifeln die Kritiker die Nachhaltigkeit der Diät. Ein Verzicht auf Kohlenhydrate sei in Bezug auf eine langfristige Umstellung der Ernährungs- und Lebensweise schwer durchzuhalten. In der Tat zeigen Studien, dass sich Gewichtsabnahme durch kohlenhydratarme Ernährung schneller erreichen lässt als durch das Setzen auf fettarme Lebensmittel. Nach Ablauf eines Jahres hatten sich die Gewichtswerte bei den beiden Vergleichsgruppen allerdings wieder angeglichen.

Viel Fleisch, Fisch oder Käse auf dem Speiseplan – das könne nicht gut sein, argumentieren die Low-Carb-Kritiker gerade in Zeiten von Massentierhaltung, Überfischung der Meere und allen daraus resultierenden ökologischen Folgen.

Aber auch für die Gesundheit sei die starke Reduzierung von Kohlenhydraten nicht gut. Die erhöhte Fettzufuhr könne die Arterien verstopfen. Der vermehrte Eiweißkonsum sei vor allem für Menschen mit Nieren- und Leberproblemen bedenklich. Und durch den verminderten Verzehr von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten fehle es dem Körper an wichtigen Vitaminen.

Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe, Mundgeruch oder Übelkeit könnten in Folge einer Low-Carb-Diät ebenfalls auftreten. Studien zufolge erhöhe die Ernährungsweise sogar das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hält nichts vom Low-Carb-Prinzip. Um sein Körpergewicht zu halten oder zu reduzieren, sei lieber beim Fett, insbesondere bei den tierischen Fetten, Zurückhaltung angesagt.

Eine natürliche Lebens- und Ernährungsweise sei der einzig richtige Weg auf dem Weg zu einem gesunden Gewicht, meint Professor Max Reinshagen. Wer unbedingt auf ein bestimmtes Diätkonzept setzen wolle, solle sich für die mediterrane Diät entscheiden. Sie sei ein vernünftiger Kompromiss zwischen der Low-Fat- und der Low-Carb-Diät. Hierbei wird der Verzehr von Lebensmitteln empfohlen, wie sie von den im Mittelmeerraum lebenden Menschen täglich verzehrt werden.

Auch Hannes Großmann rät zu einer alltagstauglichen Ernährungsstrategie. Als selbständiger Fitnesstrainer spielt das Thema Ernährung in seiner Beratung eine große Rolle. Kohlenhydrate seien die primären Energieträger für Körper und Geist, weiß der Braunschweiger. Fehlten diese, drohten Leistungseinbußen. Weil er von Verboten generell nichts hält, seien hier und da auch mal schlechte Kohlenhydrate etwa in Form von Süßigkeiten erlaubt. „Nur sollten sie als Genussmittel gesehen werden, nicht als Hungerstiller“, betont Großmann.