Berlin. Die ganze Welt ist auf der Suche nach Glück. Dabei ist es gar nicht so weit weg, wie wir denken. Ein Glücksforscher erklärt, warum.

Jeder wünscht es sich – am liebsten für immer: glücklich sein. Doch dieser Zustand ist offenbar schwer zu erreichen. Nicht umsonst sind die Regale der Buchläden voll mit Ratgebern, die uns den Weg dorthin weisen wollen. Der Bedarf scheint groß zu sein, die Frage drängend.

Selbst die Vereinten Nationen haben sich das Streben nach Glück auf die Fahnen geschrieben: Der Weltglückstag, der seit vier Jahren am 20. März begangen wird, soll daran erinnern, dass zum Wohlergehen mehr gehört als materieller Wohlstand. Doch was ist dieses „Mehr“ genau? Wie erreichen wir es? Und wie ganz sicher nicht? Ein Gespräch mit Glücksforscher und Bestseller-Autor Stefan Klein („Die Glücksformel“).

Herr Klein, was genau ist eigentlich Glück?

Stefan Klein: Glück ist eine Emotion, eine automatische Reaktion unseres Organismus auf etwas, das mit uns geschieht oder das wir uns vorstellen. Glück geschieht aktuell, im Moment. Es ist etwas, das ich fühle, etwas ganz Ehrliches.

Die Frage nach dem Glück scheint gerade in der heutigen Zeit besonders wichtig zu sein. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Klein: Das sehe ich nicht so. Die Menschen haben sich schon immer mit dem Glück beschäftigt. Die antike Philosophie vor 2500 Jahren beginnt mit der Frage nach dem Glück. Weil es etwas absolut Lebensnotwendiges ist. Mit Glück sagt uns die Natur, was gut für uns ist.

Wie schaffen wir es, dieses Gefühl öfter zu erleben?

Klein: Ganz entscheidend ist, dass wir uns klar machen, dass Glück nicht vom Himmel fällt. Es entsteht in uns, wir haben Einfluss darauf. So können wir etwa unsere Wahrnehmung für gute Momente verstärken. Man kann das Glück trainieren wie Fahrradfahren oder eine fremde Sprache. Jeder kann das. Allerdings nicht über Nacht, es braucht Geduld.

Glücksforscher Stefan Klein: „Glück fällt nicht vom Himmel. Wir müssen etwas Eigenes dafür tun.“
Glücksforscher Stefan Klein: „Glück fällt nicht vom Himmel. Wir müssen etwas Eigenes dafür tun.“ © Andreas Labes | ANDREAS LABES

Wie kann man sich das ganz praktisch vorstellen?

Klein: Das Gehirn wird durch Erfahrungen geformt. Auch bei Erwachsenen bilden sich ständig neue Gehirnzellen und Verknüpfungen zwischen diesen Zellen. Wenn wir also üben, auf bestimmte Situationen in einer bestimmten Art zu reagieren, können wir das Gehirn sozusagen umgestalten. Auf negative Erfahrungen können wir zum Beispiel mit einem Wutausbruch reagieren oder den Ärger kurz wahrnehmen und dann zur Tagesordnung übergehen. So vermeiden wir, dass eine ähnliche Situation in Zukunft automatisch wieder starke negative Emotionen hervorruft.

Was kann man noch für sein Glück tun?

Klein: Bewegung und Tätigkeit sind weitere Schlüssel zum Glück. Wer immer nur faulenzt, wird auf Dauer keine guten Gefühle empfinden, dafür sind wir nicht gemacht. Die bekommen wir stattdessen, wenn wir uns Ziele setzen, nach denen wir streben können. Denn dabei entsteht Lust.

Lust war auch für den englischen Philosophen Jeremy Bentham ganz entscheidend auf dem Weg zum Glück. Er definierte es gar als Maximierung von Lust. Stimmen Sie dem zu? Und stößt die Lust nicht irgendwann an Grenzen?

Klein: Lust kann man natürlich nicht unendlich maximieren. Anders als Bentham dachte, ist Glück nicht einfach die Abwesenheit von Unlust, nicht das Vermeiden oder Vermindern von Schmerz. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass alles gut wird, wenn der Schmerz nachlässt, wenn das Projekt im Job vorbei ist, das einem Ärger macht, oder der Traumprinz endlich gefunden ist. Wir müssen etwas Eigenes dafür tun. Es ist auch gar nicht das Ziel, Lust unendlich zu maximieren. Viel wäre schon getan, wenn wir Glücksmomente, die wir ganz real haben, besser wahrnehmen.

Überschätzen wir den Einfluss äußerer Lebensumstände auf unser Glück?

Klein: Ja, und zwar gnadenlos. Das hat damit zu tun, dass Veränderungen im Leben uns zwar gute Gefühle verschaffen – wer freut sich nicht über eine Gehaltserhöhung -, aber wir gewöhnen uns schnell an solche Dinge. Es gibt eine klassische Untersuchung mit Menschen, die den Hauptgewinn in der Lotterie gewonnen haben. Die Leute gingen zunächst tatsächlich auf Wolken: Ein halbes Jahr lang war ihre Lebenszufriedenheit deutlich erhöht – danach war alles wie zuvor. Wer vorher ein sonniges Gemüt hatte, hatte es auch nachher noch, und wer vorher ein Miesepeter war, war es auch später – nur eben nicht mehr im VW Golf, sondern im Ferrari.

Wie wichtig ist es für ein glückliches Leben, dass wir anerkennen, dass auch Phasen des Unglücklichseins dazugehören?

Klein: Sehr wichtig. Genauso wie Glück eine natürliche Reaktion ist, sind es auch Niedergeschlagenheit und Trauer. Und das ist auch richtig so, weil sie uns etwas sagen wollen. Sie zu unterdrücken, wäre ganz falsch. Simples positives Denken, das sich die Welt rosarot malt, hilft da nicht weiter. Leider propagieren das noch immer viele Glücksratgeber. Entscheidend ist aber, wie wir auf die negativen Gefühle reagieren. Denn wenn wir Niedergeschlagenheit wahrnehmen, tun wir meist noch mehr, steigern uns richtig in sie hinein und überzeugen uns selbst, dass alles schrecklich ist. Damit tut man sich nichts Gutes. Das Beste wäre, einfach „Stopp“ zu sagen.

Aber läuft man so nicht doch Gefahr, die negativen Gefühle zu verdrängen?

Klein: Es geht dabei nicht ums Verdrängen. Es geht darum, diesen Gefühlen nicht mehr Aufmerksamkeit zu schenken als sie brauchen. Die negative Emotion ist ein Signal, wir erkennen es und sind traurig. Die Botschaft ist damit aber überbracht, wir müssen uns nicht länger mit ihr aufhalten. Dass man Gefühle rauslassen müsste, damit eine Katharsis erfolgt, ist eine uralte Vorstellung von Aristoteles, für die die experimentelle Psychologie keine Belege finden konnte. Wenn ich mich mit den schlechten Gefühlen befasse, werden sie nur stärker.

Wenn wir von „Glück“ sprechen, meinen wir da nicht eigentlich „Zufriedenheit“?

Klein: Der Sprachgebrauch geht da furchtbar durcheinander, das stimmt. Es ist wichtig, das klar zu trennen. Zufriedenheit ist etwas langfristiges, das in der Rückschau entsteht. Das gelingt allerdings nicht ganz einfach. Denn wir bewerten negative Momente im Nachhinein stärker als positive. Tatsächlich sind wir oft glücklicher, als wir uns selber wahrnehmen.

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