Berlin. Die Nase läuft und läuft: Das kann auch im Winter bereits eine Pollenallergie sein. Was Beschwerden verursacht und was dagegen hilft.

Wenn das Niesen nicht aufhören will, kann ein früher Heuschnupfen dahinterstecken: Seit die Winter milder werden, fliegen die Pollen zeitiger und sorgen dafür, dass Allergien auftreten, wenn wir noch nicht mit ihnen rechnen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts leiden in Deutschland rund 15 Prozent der Erwachsenen und mehr als zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen unter Heuschnupfen. Experten vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) und dem Allergie-Centrum der Charité geben Tipps für die steigende Zahl Betroffener.

Wieso beginnt die Allergie schon im Winter?

„Viele Pflanzen blühen früher und zusätzlich länger“, erklärt Anja Schwalfenberg, Sprecherin des DAAB. Treibende Kraft ist nach Ansicht von Klimaforschern die Erderwärmung: Laut Studien haben steigende Temperaturen die Vegetationsperiode in Deutschland seit 1961 um zwei Wochen verlängert. Der Beginn von Frühling und Sommer schiebt sich pro Jahrzehnt um mindestens 2,5 Tage nach vorn. Professor Karl Christian Bergmann vom Allergie-Centrum der Charité beobachtet, dass bereits jetzt die Haselblüte kurz bevorsteht.

Bei anderen Pflanzen wie beispielsweise Birke oder Esche beginnt die Blütezeit inzwischen ebenfalls einige Tage früher. Als neue mögliche Allergieauslöser kommen Pflanzen hinzu, die in öffentlichen Grünanlagen oder im privaten Garten im Trend liegen – wie etwa die Purpurerle, die schon im Dezember blühen kann, Olivenbäume oder Koniferen wie Eiben, Thuja-Arten, Zedern. Auch eingewanderte Pflanzenarten wie Ambrosia-Arten oder solche, die sich durch ein verändertes Klima stärker verbreiten, könnten in Zukunft den Pollenflug verändern, befürchtet der DAAB. Es müsse hierzu weiter geforscht werden, um mögliche Zusammenhänge zu erkennen und besser zu verstehen sowie notwendige Bekämpfungsstrategien bei invasiven Pflanzen durchzuführen.

Wie unterscheiden sich Schnupfen und Allergie?

Bei Schnupfen und Allergie gibt es ähnliche Anzeichen, aber unterschiedliche Gründe.
Bei Schnupfen und Allergie gibt es ähnliche Anzeichen, aber unterschiedliche Gründe. © dpa | Maurizio Gambarini

Es gibt ähnliche Anzeichen, da sind sich Schwalfenberg und Bergmann einig: Niesreiz, „laufende Nase“ und angeschwollene Schleimhäute. Aber: „Ein Schnupfen sollte nicht länger als neun Tage anhalten und dann abklingen. Halten die Symptome viel länger an oder kommt der Schnupfen in jedem Jahr wieder, beispielsweise im Frühjahr, sollte auf jeden Fall geklärt werden, ob es sich womöglich um eine Pollenallergie handelt“, sagt Schwalfenberg. Ein Unterschied bestehe auch darin, dass ein bakterieller Infekt meist ein gelbgrünlich gefärbtes Sekret auslöst, bei einem allergischen Schnupfen ist die Flüssigkeit klar. Ein zusätzliches Allergiesymptom ist Juckreiz, ergänzt Bergmann.

Wie entsteht eine Allergie?

„Wenn man das wüsste, wäre man bei der Prävention von Allergien sicherlich weiter“, erklärt Schwalfenberg. Jeder könne eine Allergie entwickeln – Kinder, deren Eltern schon darunter leiden, hätten ein höheres Risiko. Heuschnupfen ist laut der Expertin eine Erkrankung, bei der die Beschwerden kurz nach dem Kontakt mit dem Allergieauslöser auftreten. Dabei handelt es sich um eine Überreaktion des Immunsystems. Der menschliche Körper reagiert empfindlich auf meist harmlose Auslöser wie Pollen und produziert sogenannte IgE-Antikörper, die sich an spezielle Körperzellen (Mastzellen) binden.

Pollenallergien zählen laut Schwalfenberg zu den Allergien vom Soforttyp. Gerät ein Pollenallergiker mit seinem Allergen in Kontakt, lässt die Reaktion also nicht lange auf sich warten – „vor allem bei einer heftigen Attacke – wie etwa bei einem starken Gräserpollenflug, den es vor einigen Monaten in Australien gab. Mehrere Menschen starben an schwerem Asthma“, berichtet Experte Bergmann. Allergieauslöser können neben Pollen beispielsweise auch Hausstaubmilben, felltragende Tiere oder Nahrungsmittel sein. Auch im höheren Lebensalter könne sich eine Allergie noch neu entwickeln.

Ab wann sollte man zum Arzt gehen?

„Wenn die Nase nicht aufhört zu laufen oder immer wieder Schnupfensymptome auftreten und noch ein trockener Husten hinzukommt, sollte man dies unbedingt beim Arzt abklären lassen“, rät Bergmann. Der Husten könne bereits ein Anzeichen von beginnendem Asthma sein, unter dem jeder dritte Pollenallergiker leide.

Anja Schwalfenberg betont, dass Menschen mit Allergien nicht unter einer Bagatellerkrankung leiden: „Werden die Beschwerden nicht frühzeitig und richtig behandelt, können im weiteren Verlauf auch die unteren Atemwege betroffen sein. Es kann allergisches Asthma bronchiale entstehen.“ Daher empfiehlt der DAAB bei einem Verdacht auf jeden Fall eine frühzeitige Allergiediagnostik und Behandlung.

Was hilft?

Bevor sich Betroffene ein Antiallergikum in der Apotheke besorgen, sollten sie zunächst den Allergieauslöser beim Arzt feststellen lassen, rät Professor Bergmann. „Anti-Schnupfensprays“ mit abschwellenden Wirkstoffen seien etwa nicht ideal. Sie sollten nur kurz angewendet werden, sonst könne es durch die regelmäßige Verengung der Gefäße zu Schädigungen der Nasenschleimhaut und zu einem Gewöhnungseffekt kommen.

Bei der Hyposensibilisierung können Spritzen gereicht werden.
Bei der Hyposensibilisierung können Spritzen gereicht werden. © dpa | Julian Stratenschulte

„Nur wer seine Auslöser kennt, kann individuell therapiert werden“, sagt auch Anja Schwalfenberg. Haut- und HNO-Ärzte sowie Allergologen führen zur Feststellung meist einen sogenannter Pricktest durch. Dabei werden allergenhaltige Lösungen auf den Arm getropft und die Haut oberflächlich angeritzt, damit die Abwehrzellen mit den Stoffen in Kontakt kommen. Die Reaktion, meist Rötungen oder Quaddeln auf der Haut, zeigt, auf welche Allergene der Patient reagiert.

Wann ist eine Hyposensensibilisierung sinnvoll?

Bei der auch Immuntherapie genannten Hyposensibilisierung wird der Körper langsam an den allergieauslösenden Stoff gewöhnt – in der Regel über drei Jahre hinweg, es gibt aber laut DAAB auch Kurzformen, die in drei aufeinanderfolgenden Jahren wiederholt werden sollten. Bei der Spezifischen Immuntherapie werden kleine Mengen des Allergens verabreicht.

Neben Spritzen, bei der die Allergenlösungen unter die Haut des Oberarms injiziert werden, können auch Tropfen oder Tabletten eingesetzt werden. Unabhängig von der Form, beurteilen unter anderem die Arzneimittelexperten der Stiftung Warentest die Hyposensibilisierung als „mit Einschränkung geeignet“, da sie auch gefährliche allergische Nebenwirkungen haben kann.
Die Therapie sollte demnach nur zum Einsatz kommen, wenn Medikamente nicht helfen und nie bei Kindern unter fünf Jahren.