Peine. Sein Lehrer ist der zwölfjährige Felix Küker. Zusammen üben sie, Bilder per Whatsapp zu verschicken.

Er ist vermutlich der älteste Nachhilfeschüler Deutschlands: Wilhelm Schnatbaum aus dem DRK-Seniorenzentrum Edemissen im Landkreis Peine ist 94 Jahre alt und bekommt Unterricht im Fach „Smartphone“. Sein „Lehrer“ Felix Küker ist 12 Jahre alt, Enkel eines anderen Pflegeheim-Bewohners und ganz schön fit im Umgang mit Handys.

„Mein erstes Handy hatte ich schon in der Grundschule“ erzählt Felix. Als er vergangenes Jahr im November zusammen mit seiner Mutter seinen Opa im Seniorenzentrum besuchte, lernte er dort Wilhelm Schnatbaum kennen. Der wollte wissen, wie er Kontakte in seinem Smartphone Marke HTC einspeichern kann. Felix konnte das ruckzuck, so ruckzuck das Wilhelm Schnatbaum ganz erstaunt war: „Du bist erst zwölf und kannst das schon?“

Smartphone-Nutzung

Seit diesem Tag verabreden sich die beiden, die 82 Jahre Altersunterschied trennen, jeden Freitag zum „Smartphone-Unterricht“. Felix bekommt dafür zehn Euro, die er anspart für einen Gamer-PC. „Das ist sein erster Nebenjob“, erzählt seine Mutter Petra Küker stolz.

Wilhelm Schnatbaum hält mit seinem Smartphone Verbindung zu Verwandten, surft im Internet und schreibt E-Mails. „Ich bin selbst erstaunt, wie schnell ich damit fertig werde“ erzählt der ehemalige Ingenieur. Jeden Tag lerne er etwas Neues. „Durch das Internet bekomme ich einen Blick in die Welt“, freut er sich.

Felix hingegen weiß, dass Schnatbaum noch „1300 Sachen“ mehr lernen könnte. Doch die beiden gehen Schritt für Schritt vor. So sollte Wilhelm Schnatbaum zum Beispiel in der vergangenen Stunde lernen, wie er ein Foto, dass er mit seinem Handy geschossen hat, per Whatsapp weiterleiten kann. Felix erklärt jeden Schritt geduldig. Schwierig ist manchmal, die richtigen Tasten auf dem kleinen Touchpad zu treffen. „Mein Ziel ist, dass er die bald total gut trifft“, erzählt Felix. Dafür soll sich Wilhelm Schnatbaum zum Beispiel angewöhnen, das Handy quer zu halten, so dass sich die Tastatur dreht und größer wird. „Die Standardsachen kann er schon total gut“, lobt Felix seinen Schüler, als das Verschicken geklappt hat.

Zuletzt hatte Schnatbaum seiner Schwester, 87 Jahre alt, ein Foto von sich im Garten mit einer Frauenstatue geschickt – die war natürlich nackig. „Nanana“, kam es zurück von deren Sohn, seinem Neffen. Und einen Tag später prompt ein Foto von Schnatbaums Schwester mit einer anderen – männlichen – Statue. „Mutter bietet Paroli“ hieß es dazu. Wilhelm Schnatbaum kann darüber herzhaft lachen. Das und der Unterricht mit Felix sei für ihn „ein Geschenk“, sagt er.

Dass die digitale Kommunikation gerade für Ältere sehr bereichernd sein kann, weiß auch Stefan Schaper, Medienpädagoge aus Braunschweig: „Sie passt in die Welt der Jüngeren und dockt an die Welt der Kinder und Enkelkinder an“, sagt er. Der Kontakt sei direkter und schneller. Eine Antwort auf eine Whats-app-Nachricht zu bekommen sei außerdem viel wahrscheinlicher, als auf eine Postkarte. Dennoch würden sich viele Senioren dieser Technik verschließen. „Man hört oft das Argument: Ich bin alt, das brauche ich nicht mehr“, erzählt Schaper.

Wie eine Studie zur Smartphone-Nutzung vom Digitalverband Bitkom belegt, nutzen jedoch immer mehr Menschen ab 65 Jahren ein Smartphone: Inzwischen sind es knapp 40 Prozent – elf Prozent mehr als in 2016. In dieser Zielgruppe liegt laut Studie noch großes Wachstumspotenzial.

Wilhelm Schnatbaum ist im Seniorenzentrum Edemissen der Erste, der sich so intensiv mit dem Smartphone auseinandersetzt. „Er ist schon eine absolute Ausnahme“, sagt die Einrichtungsleiterin Christina Brandes.

Neben dem Smartphone nutzt er sogar auch den Computer. Dort schreibt Schnatbaum nach jeder Unterrichtsstunde in einem Word-Dokument auf, was er gelernt hat. Bei Bedarf liest er einfach nach, wie das noch einmal ging, mit dem Bilder verschicken per Whatsapp.