Berlin. Eigentlich sollte ein Gesetz Verbraucher vor nervigen Anrufen schützen. Doch die Fälle von ungewollten Werbe-Anrufen nehmen wieder zu.

Wer kein Haustier besitzt, braucht keine Tiernahrung. Diese Logik hatten die Vertriebsmitarbeiter eines Unternehmens aus Nürnberg einfach ignoriert. Laut Bundesnetzagentur riefen sie selbst Verbraucher ohne Hund an, um ihnen Futter zu verkaufen. Die gesetzlich vorgeschriebene Zustimmung dazu hatten sie nicht. Die Anrufe seien manchmal in „regelrechten Terror ausgeartet“, berichtet die Behörde.

Ein Teil der Kontaktierten wehrte sich erfolgreich. Die Bundesnetzagentur ermittelte und verhängte ein Bußgeld – 150.000 Euro. Das Unternehmen widersprach, das Verfahren schwebt. „Telefonische Umsatzsteigerung auf Kosten der Verbraucher nehmen wir nicht hin“, sagt der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann.

Das Problem bedrängender Telefonwerbung ist in Deutschland bekannt. Vor Jahren war es derart groß geworden, dass der Staat ein Gesetz erließ. Seit 2004 ist sie verboten, 2009 und 2013 wurden die Regeln noch einmal verschärft. Ein Grund dafür war ein Alarmsignal der Verbraucherzen­trale in Hamburg. Trotz Verbots hatte sie 2010 etwa 80.000 Beschwerden registriert – innerhalb von nur neun Monaten.

26.714 schriftliche Anfragen und Beschwerden

Die Anhebung der möglichen Bußgelder von 50.000 auf 300.000 Euro hat die Misere seit 2013 eingedämmt, beseitigt hat sie sie nicht. Die Bundesnetzagentur hat 2016 bisher Bußgelder in Höhe von etwa einer halben Million Euro verhängt. Das dem Tiernahrungsanbieter aus Süddeutschland aufgebrummte Bußgeld ist dort nicht mal mit eingerechnet, weil es noch nicht rechtskräftig ist.

Bis einschließlich November zählte die Behörde zudem 26.714 schriftliche Anfragen und Beschwerden zu unerlaubter Telefonwerbung und Rufnummernunterdrückung, etwa 2250 mehr als 2015. „92 Verfahren sind eingeleitet worden“, so ein Sprecher.

Weniger Beschwerden

„Die Beschwerden sind weniger geworden, aber es gibt sie noch“, sagt auch Anneke Voß, Expertin für Telekommunikation bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Ziel der verbotenen Anrufe sei meist ein Vertragsabschluss oder das Sammeln persönlicher Daten. Häufig werden die Werbeanrufe als Umfrage oder Spendensammlung getarnt. Und manchmal, vermutet Voß, nähmen die Unternehmen das Risiko einer Verfolgung durch die Bundesnetzagentur bewusst in Kauf.

Denn der Teufel steckt im Detail: „Es ist leicht, sich etwa bei den Verbraucherzentralen mit einer Mail oder einem Anruf Luft zu machen, doch eine qualifizierte Beschwerde bei uns oder bei der Bundesnetzagentur ist mit Aufwand verbunden“, sagt Voß. Zwar gebe es Menschen, denen die Ahndung illegaler Telefonwerbung ein Anliegen sei, Widerstand aber sei selten.

Beschwerde muss präzise sein

„Für unsere Ermittlungen sind wir auf Hilfe angewiesen“, erklärt der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann. Der Rechtsbruch finde im Telefonat mit den Verbrauchern statt, „daher benötigen wir präzise Angaben der Betroffenen“. Dazu gehören das Datum des Anrufs, der Namen von Anrufer, Auftraggeber, dem beworbenen Produkt, gegebenenfalls die Rufnummer sowie Details zum Gesprächsverlauf. Die Beschwerde kann formlos oder als ausgefülltes Blatt eingeschickt werden. Dann beginnen die Ermittler mit der Arbeit.

Qualifizierte Beschwerden seien wichtig, um einen Rechtsbruch zu verfolgen und andere Verbraucher zu schützen, sagt Anneke Voß. Noch immer gebe es Menschen, die sich auf die geschulten Telefonverkäufer einließen und am Ende unbewusst kostenpflichtige Leistungen bestellten. Ein Klassiker dabei ist der Kauf eines Produkts in dem Glauben, nur der Zusendung einer Probe zugestimmt zu haben.

Verbraucherzentrale rät zum Auflegen

Die Verbraucherzentrale Hamburg rät dazu, bei unerlaubten Anrufen entweder in die Offensive zu gehen oder einfach aufzulegen. „Wenn die Anrufer nach Namen gefragt werden oder zu hören bekommen, dass ihr Anruf nicht erwünscht ist, erledigt sich das Pro­blem manchmal von selbst“, weiß Anneke Voß. Oft vermerkten die Werber dann in einer Datenbank, dass sich der Kontakt nicht lohne. „Und wer auf Nummer sicher gehen will, legt nach der Bitte, nicht mehr anzurufen, einfach auf. Da muss sich auch niemand Gedanken machen, dass das unhöflich ist. Wichtig ist, sich nicht in Gespräche verstricken zu lassen.“

Von einem Tipp aus Hochzeiten der unerlaubten Telefonwerbung haben Verbraucherschützer derweil Abstand genommen. Einst rieten sie dazu, sich eine Trillerpfeife neben das Telefon zu legen und aggressive Telefonwerber mit einem Pfiff zu bekämpfen. „Das ist wirklich keine gute Idee. Wenn dem Menschen am anderen Ende der Leitung dadurch ein Schaden entsteht, sind Verbraucher zum Schadenersatz verpflichtet“, sagt Voß. Eine Frau aus der Pfalz musste 2012 sogar 800 Euro Strafe zahlen. Die Mitarbeiterin eines Call-Centers hatte durch ihr Trillern ein Lärmtrauma erlitten.