Wolfsburg. „Das Schönste auf der Welt“: Die Nationalspielerin des VfL Wolfsburg spricht über ihre Schwangerschaft und setzt auf die Verbände.

Am 28. Mai stand Tabea Waßmuth das letzte Mal für den VfL Wolfsburg in einem Pflichtspiel auf dem Platz. Der 2:1-Erfolg gegen den SC Freiburg hatte schließlich nicht mehr gereicht, um die Bayern in der Frauenfußball-Bundesliga abzufangen. Seitdem ist im Leben der 27 Jahre alten Fußballerin viel passiert: Die Nationalspielerin hat ihren langjährigen Freund geheiratet, heißt nun Tabea Sellner, wurde kurz vor der WM noch aus dem DFB-Kader gestrichen und kurz nach dem Saisonstart verkündete ihr Klub, dass Sellner aus einem der schönsten Gründe der Welt für längere Zeit nicht mehr zurückkehren wird: Sie ist schwanger. Darüber, wie es ihr geht und welche Fragen in dieser neuen Situation für die Stürmerin aufgekommen sind und wie sie ihre Zukunft im Profifußball sieht, spricht sie im Gespräch mit unserer Zeitung.

Sellner war noch als Waßmuth in ihrer ersten Saison beim VfL komplett durchgestartet. Sie war wegen verletzungsbedingter Ausfälle von Alexandra Popp und Ewa Pajor schnell gefordert, schoss vorwiegend als Mittelstürmerin eingesetzt insgesamt zehn Tore in der Champions League, war mit 24 Treffern in 36 Pflichtspielen gleich Wolfsburgs beste Torjägerin.

Tabea Sellner über ihr WM-Aus: „Alles passiert aus einem bestimmten Grund

Die zweite Saison verlief dann für sie persönlich vielleicht eher so, wie man die erste erwartet hatte. Angesichts des gewachsenen Konkurrenzkampfes schrumpfte ihre Spielzeit auf etwas mehr als die Hälfte, nach 28 Einsätzen standen sieben Treffer auf ihrem Konto. „Es war nicht ganz einfach, zweite Wahl zu sein, aber ich konnte das ganz gut meistern. Es wäre sicher anders gewesen, wenn ich gar nicht gespielt hätte.“

In ihrem ersten Jahr beim VfL Wolfsburg war Tabea Waßmuth 2021/22 die Senkrechtstarterin, schoss die meisten Tore und wurde mit Wolfsburg Meisterin und Pokalsiegerin.
In ihrem ersten Jahr beim VfL Wolfsburg war Tabea Waßmuth 2021/22 die Senkrechtstarterin, schoss die meisten Tore und wurde mit Wolfsburg Meisterin und Pokalsiegerin. © regios24 | Sebastian Priebe

Nach der Saison beim VfL kam die Hochzeit, bevor es in die WM-Vorbereitung mit dem DFB-Team ging. Sellner spielte im Test gegen Vietnam, war bei der Generalprobe gegen Sambia und schließlich auch im endgültigen Aufgebot außen vor. „Überraschend kam das nicht. Man konnte da schon so einiges zwischen den Zeilen lesen.“ Die Weltmeisterschaft in Australien hätte sie – ganz abgesehen vom frühen deutschen Aus in der Vorrunde – „gerne gespielt, es ist schließlich eine WM. Aber ich bin auch der Meinung, alles passiert aus einem bestimmten Grund.“

In ihrem Fall: Vielleicht die sich bald anschließende Schwangerschaft. Bis nach der 12. Woche wollte die Spielerin es geheim halten, nur ganz wenige waren eingeweiht. Ihr Coach Tommy Stroot führte in Medienrunden immer wieder einen langwierigen Infekt ins Feld. Kurz nach dem Bundesliga-Start (3:0 gegen Bayer Leverkusen) machte der Klub offiziell, was viele im Team natürlich schon geahnt hatten.

Sellner: Haben beim VfL eine gute Lösung gefunden

Mama werden als Profifußballerin – das ist immer noch sehr besonders. Es gibt Fußballerinnen, die ihre Karriere für die Familienplanung aufgegeben haben wie die langjährige Nationalspielerin Celia Sasic. Und auch für den VfL ist die Situation neu. Zwar sammelte der Klub in der Zeit mit Almuth Schult, die im April 2020 Zwillinge zur Welt gebracht hat, Erfahrungswerte. Vergleichbar sind die Situationen allerdings nicht. Schult hatte während ihrer Schwangerschaft mit einer Schulterverletzung aussetzen müssen, Sellner dagegen kann und will so lange wie möglich mittrainieren, Übungen mit Körperkontakt sind dabei ausgeschlossen.

Tabea Sellner möchte in ihrer Schwangerschaft
Tabea Sellner möchte in ihrer Schwangerschaft "so lange wie möglich am Ball bleiben". Auch ihre Mitspielerinnen unterstützt sie so gut es geht weiter, reiste auch mit zum Auswärtsspiel des VfL in München. © IMAGO/Sports Press Photo | Julia Kneissl / SPP

„Es geht mir gut, und ich möchte auch weiter im Klub Sport treiben“, so Sellner. „Da haben wir zum Glück beim VfL auch eine gute Lösung gefunden, und ich kann weiter bei der Mannschaft sein.“ Sie sagt weiter: „Solange es Sinn ergibt für alle Beteiligten und mir Spaß macht, versuche ich wirklich, am Ball zu bleiben.“

Doch inwieweit das überhaupt geht, da gab es weder bei der Spielerin noch beim Klub große Erfahrungswerte. Sellners Ärztin steht ihr mit Rat und Tat zur Seite, aber auch Omar Rüppel, Chef-Physiotherapeut beim VfL, und Athletikcoach Erik Helm „haben sich sehr gut eingelesen. Letztendlich habe ich als Leistungssportlerin auch ein ganz gutes Körpergefühl und weiß, was sich gut anfühlt und was nicht.“

Mama und Profifußballerin: Sellner wünscht sich, dass es in Zukunft einfacher wird

Es gab allein rein rechtlich dabei einige Dinge zu klären. Dass Sellner weiter trainieren kann, war dabei nicht unbedingt klar. Der Klub hätte sie auch den Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechend anders einsetzen können; beispielsweise in der Medienabteilung oder im Fanshop. Sellner grinst. „Aber ich bin froh, dass wir diese Lösung gefunden haben.“ Beim VfL fühlt sich die 27-Jährige in der Schwangerschaft ohnehin sehr gut aufgehoben, auch wenn vieles Learning by doing ist und ohnehin jede Schwangerschaft anders ablaufen kann. „Ich habe keinerlei Vergleiche, wie es bei anderen Vereinen läuft. Aber ich bin sehr froh, hier beim VfL zu sein. Denn ich habe das Gefühl, dass wir hier über vieles sprechen können“, sagt sie.

Ihr letzter Titel mit dem Namen Waßmuth: Tabea Sellner jubelt beim DFB-Pokalfinale mit ihren Teamkolleginnen Svenja Huth (links) und Dominique Janssen (rechts).
Ihr letzter Titel mit dem Namen Waßmuth: Tabea Sellner jubelt beim DFB-Pokalfinale mit ihren Teamkolleginnen Svenja Huth (links) und Dominique Janssen (rechts). © Sport | Oliver Baumgart

Grundsätzlich würde sich die Stürmerin aber wünschen, dass an übergeordneter Stelle wie dem Deutschen Fußball-Bund die Rahmenbedingungen für schwangere Fußballerinnen einmal gesteckt werden. Und das aus zweierlei Gründen: „Es sollte nicht so sein, dass jeder Verein von vorne anfangen muss, wie dann die Möglichkeiten sind, was eine schwangere Fußballerin darf und was nicht. Ich hoffe, dass es in Zukunft einfacher wird.“ Denn anders als bei Sellner dürfte die ungewisse Situation viele Fußballerinnen abschrecken, während der Karriere Nachwuchs zu planen. „Wenn man ein Kind möchte, dann sollte man es auch versuchen. Es ist vielleicht nicht immer einfach, aber es gibt immer Lösungen. Allerdings denkt nicht jeder so und daher sollten einer Spielerin nicht auch noch Steine in den Weg legen. Denn ein Kind zu bekommen, ist das Schönste auf der Welt.“

Das sagt Tabea Sellner über ihr Comeback im Profifußball

Abgesehen vom Klub hat Sellner unter anderem mit der langjährigen VfL-Keeperin Schult, mit der sie in ihrem ersten Jahr in Wolfsburg noch zusammenspielte, weitere Ansprechpersonen: „Es war schon so, dass mir direkt von den entsprechenden Personen auch Hilfe angeboten wurde.“ Und: „Es waren viele Fragen offen. Ich hatte da das Glück, den Kontakt zu Almi zu haben.“ Fast parallel zu der Wolfsburgerin wurde mit der Ex-VfLerin Meret Wittje beim SC Freiburg eine weitere Bundesliga-Spielerin schwanger.

Tabea Sellner (links) ist froh, den Kontakt zur langjährigen VfL-Keeperin Almuth Schult zu haben, die inzwischen dreifache Mama ist.
Tabea Sellner (links) ist froh, den Kontakt zur langjährigen VfL-Keeperin Almuth Schult zu haben, die inzwischen dreifache Mama ist. © imago images | EIBNER/Memmler

Ende März, Anfang April erwartet Sellner dann ihr erstes Baby, es wird ein Junge. Und dann? Die Angreiferin, die in Wolfsburg einen Vertrag bis 2025 hat, möchte auf den Platz zurückkehren. „Das ist erst einmal der Plan“, sagt sie. Wann genau es soweit sein könnte, lässt sie offen. „Das zu planen, ist schwierig. Ich lasse es auf mich zukommen. Natürlich mache ich mir meine Gedanken. Erst einmal muss es dem Kind und auch mir gut gehen.“ Sie freut sich aber darauf, als „Mami“ ins Team zurückzukehren. Auswärtsfahrten mit Kindern hat sie schon mit Schult mitgemacht. Sellner sagt: „Das bringt neue Herausforderungen mit sich. Aber ich habe auch gesehen, wie schön es für eine Mannschaft sein kann, wenn Kinder dabei sind.“

„Etwas mehr Zeit“: Sellners Promotion läuft nach Plan

Und ihr Comeback wird vielleicht nicht nur das erste Spiel als Mama, sondern auch als Dr. Sellner. Nach ihrem Master in Psychologie begann sie mit ihrer Promotion, in der es um Trainingsmöglichkeiten für Schlaganfallpatienten geht. Rund drei Jahre, so hatte sie es bei ihrem Wechsel zum VfL im Sommer 2021 verraten, werde die Promotion etwa dauern. Die zweite und letzte Studie hierzu ist in den Endzügen, dann geht’s ans Auswerten und Aufschreiben. „Durch meine Schwangerschaft habe ich jetzt ein bisschen mehr Zeit dafür, und ich bin auch froh, diese Arbeit zu haben.“ Wenn sie also für den VfL auf den Platz zurückkehrt, dann nicht mehr wie im Mai als Tabea Waßmuth, sondern als Tabea Sellner, Mama und möglicherweise auch Dr.