Prag. Dank Toren von Timo Werner und Mats Hummels gewinnt die deutsche Nationalmannschaft 2:1 gegen Tschechien - der siebte Sieg in der WM-Qualifikation.

Wer nur die Bilder sah und das Ergebnis nicht kannte, der hatte zu befürchten, dass es ein ungewohnt unglücklicher Abend werden könnte für die deutschen Fußballer. Binnen weniger Minuten spielten sich Szenen unfreiwilliger Komik ab. Als endlich mal wieder einer mit den weißen Hemden aufs Tor schoss, blockte den Ball einer im weißen Hemd ab. Und als bei einem eigenen Eckstoß die Verteidiger Mats Hummels und Matthias Ginter hochstiegen, schlugen sie mit den Köpfen zusammen.

Die Nationalmannschaft stand sich eine Viertelstunde vor dem Ende des WM-Qualifikationsspiels gegen Tschechien in Prag selbst im Wege. Und ein bisschen war das in der ganzen Partie so gewesen, weil die deutlich überlege Mannschaft spät den Ausgleich kassierte und erst Mats Hummels mit einem Kopfball den 2:1-Sieg herbeihebelte. So feierte die Mannschaft im siebten Spiel den siebten Sieg und kann am Montag in der Partie gegen Norwegen schon das Ticket für Russland 2018 buchen.

Vor dem Anpfiff war der Bundestrainer mal wieder in eine Rolle geschlüpft, die ihm besonders behaglich scheint: die des Unvorhersehbaren. Jene elf Männer, die der 57-Jährige in Prag als Ensemble auf den Rasen schickte, war kaum so erwartet worden. Überraschend waren Beauftragungen der Gladbacher Matthias Ginter und Lars Stindl sowie des Leverkuseners Julian Brandt. Im ersten Länderspiel nach dem siegreichen Ausflug zum Confed-Cup im Sommer durchmischte Löw seine Weltmeister von 2014 mit einem Teil jener Spieler, die zuletzt auf sich aufmerksam gemacht hatten und die sportliche Hierarchie ins Wanken bringen dürfen.

Dass aus der Zusammenarbeit von Bewährt und Neu sehr Schönes entstehen kann, war in der längst nicht ausverkauften Eden-Arena schon bemerkenswert früh zu erkennen. Keine vier Minuten waren gespielt, als Mesut Özil, Korsettstange seit vielen Jahren, einen feinen Pass auf Timo Werner spielte und der draufgängerische Stürmer aus Leipzig den Ball ins Tor spitzelte. Es war sein vierter Treffer im siebten Länderspiel. Genau so hatte sich Löw das einen Tag zuvor vorgestellt: Durch Offensive und Ballbesitz wollte er die Partie dominieren und am besten früh in die richtigen Bahnen lenken. Und noch dazu sah es in der ersten Halbzeit wunderbar galant und geradezu einfach aus.

Es ist nicht einmal zehn Jahre her, da reiste die deutsche Nationalmannschaft 2007 in der EM-Qualifikation nach Prag und galt eher als Außenseiter, weil Tschechien mit Könnern wie Jan Koller, Tomas Rosicky und Milan Baros aufwartet. Damals wie heute gewann Löws Team, dieses Mal aber war der Qualitätsunterschied beträchtlich. Deutschland beherrschte Ball und Gegner nahezu nach Belieben. Toni Kroos dirigierte gewohnt elegant, Abnehmer für seine Pässe fand er vor ihm mit Thomas Müller (erstmals Kapitän in einem Pflichtspiel), Özil, Stindl, aufgeboten als zweite Spitze mit großem Aktionsradius, reichlich. Ein bewegliches, offensives System mit viel Bewegung, vielen Pässen. Und mit Chancen. Die beste vergab Lars Stindl, als er nach einer Hereingabe von Müller aus acht Metern am schnell reagierenden Torwart Tomas Vaclik scheiterte, Kroos' Nachschuss missriet (20.).

Im Gefühl der Überlegenheit - und das war der Risikofaktor bei jenem Spielstand - fehlte es ein wenig an Zielstrebigkeit am Strafraum. Gleichzeitig gestattete die Löw-Elf dem Gegner recht viel Platz bei Kontern. Einen Schuss von Jan Kopic blockte Stindl im letzten Moment ab (11.), den Versuch von Jan Boril aus 20 Metern parierte Marc-André ter Stegen stark (16.). Und auch Sekunden vor der Halbzeit war der Ausgleich möglich, als der Bremer Theodor Gebre Selassie frei im Strafraum zum Schuss kam, sich bei der Ausführung aber eindeutig als Verteidiger zu erkennen gab (45.).

Auch zu Beginn der zweiten Halbzeit stand das Ergebnis noch auf wackligen Beinen. Tschechien, in der Qualifikationsgruppe schon schwer unter Druck, suchte seine Chance auf einen überraschenden Punktgewinn. Zunächst musste ter Stegen einen abgefälschten Schuss von Tomas Soucek parieren, dann ließ Jan Kopic eine gute Chance ungenutzt (51.). Deutschland wirkte in der Defensive nun nicht sonderlich souverän und musste sich in die Schussversuche der Tschechen werfen. Ein Umstand, auf den Löw reagierte: Für Offensivmann Brandt wechselte er nach einer Stunde Spielzeit Innenverteidiger Antonio Rüdiger als Stabilisationsfaktor ein.

Doch es folgten jene unglücklichen Szenen in der Offensive mit Mesut Özil und Jonas Hector, sowie Mats Hummels und Matthias Ginter. Der sehenswerte Fernschusstreffer des Berliner Profis Vladimir Darida (78.) schien die logische Folge. Doch dann sprang Hummels in die Höhe und rettete den Abend (88.).

Marc-André ter Stegen: Hielt gut gegen Boril und Jankto. Beim Gewaltschuss von Darida machtlos. Note: 3

Joshua Kimmich: Brüllte wie ein Löwe, als ihn Jankto schubste. Aber sonst nicht aggressiv genug. Note: 4

Matthias Ginter: Kein Stabilisator. Note: 4

Mats Hummels: Mentalitätsmonster. Hielt die Abwehr nicht immer zusammen, vorn aber im entscheidenden Moment den Kopf hin. Siegtorschütze. Note: 3

Jonas Hector: Diesmal mehr Außenstürmer als Außenverteidiger, was hinten für Löcher sorgte. Blockte auch noch einen Özil-Schuss. Diesmal unglücklich. Note: 4

Toni Kroos: Seine Anmut auf dem Rasen fragt eigentlich danach, sich 90 Minuten lang nur ihm zu widmen, wie es mal eine Kamera bei Zidane getan hat. Gegen Tschechien hätte sie einen Schuss in den Prager Abendhimmel gesehen – und ansonsten aber den Dirigenten der deutschen Kapelle, einen Zidane der Neuzeit. Bereitete das Siegtor mit einem genialen Freistoß vor. Note: 2

Julian Brandt (bis 61.): Zu unkonzentriert als Außenverteidiger-Außenstürmer-Hybrid. Lief sich oft fest. Nicht die Idealbesetzung. Merkte auch Löw und nahm ihn für Rüdiger runter. Note: 4.

Thomas Müller: Er durfte von Beginn an spielen. Die schlechte: Es tat ihm oft weh und brachte wenig Applaus. Lag viel im Rasen. Arbeitete viel, spielte zweimal Stindl prächtig frei, aber der vergab. Könnte gerade besser laufen. Note: 3,5

Mesut Özil: Bereitete das 1:0 mit einem Pass vor, der unverschämt beiläufig aussah, aber ziemlich schwer war. Zeigte eine Weltsensation: eine Özil-Grätsche. Note: 3.

Timo Werner (bis 79.): Viertes Tor im siebten Länderspiel. Mit derartigen Quoten überzeugt man gewöhnlich auch eher abgeneigte Fans. Ist endgültig in die Stammelf gestürmt. Note: 2

Lars Stindl (bis 68.): Rettete einmal gegen Kopic, dem er die Chancen mit einem Fehlpass ermöglichte. Eigentlich der ideale Stürmertyp in fluiden deutschen System, weil er wie ein Taschenmesser alle Werkzeuge dabei hat. Diesmal aber auch viele Abspielfehler. Note: 4.

Antonio Rüdiger (ab 61.): Brachte auch keine Ruhe rein.

Julian Draxler (ab 68.): Hatte wenige Aktionen.

Emre Can (ab 79.): Kam zum Schlussspurt.