Braunschweig. Die Blau-Gelbe Hilfe hält Kollektivstrafen für den falschen Weg. Aus Hannover heißt es, Innenministerin Behrens betreibe Populismus.

Die Ansage von Innenministerin Daniela Behrens (SPD), die kommenden Niedersachsen-Derbys ohne Gästefans auszutragen, ist bei Fan-Vertretern auf großes Unverständnis gestoßen. Jendrik Pufahl von der Blau-Gelben Hilfe (BGH) sagte unserer Zeitung, man lehne generell jegliche Form von Kollektivstrafen ab. Die Aufforderung zum Dialog im Vorfeld des Spiels in Braunschweig am 14. April hätte aus seiner Sicht „ehrlicher geführt“ werden müssen, kritisierte Pufahl. Zwar habe es den verstärkten Austausch zwischen Verein, Polizei und der Politik gegeben, „das Einbinden von Vertretern der aktiven Fan-Szene hat aber nur stiefmütterlich stattgefunden.“

Fan-Vertreter: Dialog vor Derby muss „zielführender und ehrlicher sein“

Pufahl hofft, dass künftig der Dialog zwischen den für die Stadionsicherheit zuständigen Akteuren umfassender, frühzeitiger und regelmäßiger passiere. Er plädierte auch dafür, diesen Austausch zunächst intern und nicht im öffentlichen Raum in Talk-Runden zu führen. „Das ist zielführender, weil dann auch ehrlicher gesprochen wird.“

Die Fanhilfe Hannover fuhr gegen Ministerin Behrens noch deutlich schwerere Geschütze auf. Sie warf ihr Populismus vor. Entgegen ihrer eigenen Ankündigungen habe die Ministerin zum wiederholten Male gezeigt, wie egal ihr die Fankurven und Fankultur in Gänze seien. „Wir haben im deutschen Profifußball weiterhin die sichersten Stadien der Welt“, heißt es dort. Man bedauere sehr, dass die Innenministerin „aus eigenem Profilierungsdrang“ leichtfertig zur „Treiberin“ einer populistischen Debatte werde.

Vorwurf aus Hannover: Ergebnisse haben vor Treffen in Ministerium schon festgestanden

Das Zustandekommen des Ergebnisses zeige bereits, dass es von Beginn an lediglich um eine Direktive aus dem Innenministerium statt um einen lösungsorientierten und auf Augenhöhe geführten Prozess gegangen sei, sagte Paula Mundt, Sprecherin der Fanhilfe Hannover. So hätten bereits im Vorfeld die Ergebnisse des „Arbeitstreffens“ durch Telefonate zwischen Daniela Behrens und Vertretern der Vereinsspitzen festgestanden, vermutet Mundt.

Daniela Behrens (SPD) hält an ihren Forderungen fest: Die Stadien in Niedersachsen müssen wieder sicherer werden. Die Fanhilfe Hannover hält dagegen und verweist unter anderem auf die Anzahl verletzter Personen. Diese läge im Promillebereich, hieß es.
Daniela Behrens (SPD) hält an ihren Forderungen fest: Die Stadien in Niedersachsen müssen wieder sicherer werden. Die Fanhilfe Hannover hält dagegen und verweist unter anderem auf die Anzahl verletzter Personen. Diese läge im Promillebereich, hieß es. © dpa | Julian Stratenschulte

Auch die Fanhilfe Hannover wehrt sich gegen den Ausschluss ganzer Blöcke. „Aufgabe des Rechtsstaates ist es, potentielle Täter zu ermitteln und einem fairen Rechtssystem zuzuführen. Kollektivstrafen, wie die heute diskutierten Gästefanausschlüsse, sowie personalisierte Tickets sind weder zweck- noch verhältnismäßig. Sie offenbaren lediglich die Unfähigkleit der politischen Verantwortlichen, sich mit komplexen Sachverhalten im Bereich der Fankultur auseinanderzusetzen oder verdeutlichen das überhebliche Desinteresse an der Materie“, heißt es in einer veröffentlichten Mitteilung auf Facebook. Und weiter: „Sollte Daniela Behrens tatsächlich interessiert an einer lösungsorientierten Debatte sein, so erwarten wir eine umgehende Rücknahme der heutigen Ergebnisse und ein klares Bekenntnis zu Fankultur.“

Jendrick Pufahl aus Braunschweig äußerte die Hoffnung, dass die Ergebnisse des Treffens noch nicht „in Stein gemeißelt“ seien. Er trat auch der Einschätzung entgegen, Ultras oder andere Fan-Gruppierungen seien an einem umfassenden Dialog nicht interessiert. „Es gibt ja nicht die Ultras und nicht die Kurve. Aber natürlich gibt es den Willen der Fanszene, sich an Regeln und Absprachen zu halten.“ Dazu gehöre auch, keine Böller zu werfen und keine Raketen in andere Blöcke zu schießen.

Derby in Braunschweig: Sieben Personen direkt oder indirekt durch Pyrotechnik verletzt

Genau das, war aber beim Rückspiel in Braunschweig passiert. So erlitt mindestens ein Ordner im Umfeld der Südkurve nach einem Böllerwurf ein Knalltrauma. Zudem feuerten 96-Chaoten aus dem Gästeblock hinaus immer wieder Raketen in andere Blöcke, unter anderem in den Familienblock. „ Insgesamt sieben Personen wurden im Verlauf des Spiels direkt oder indirekt durch den Beschuss mit Pyrotechnik verletzt“, hieß es nun auch in der Pressemitteilung, die das Innenministerium am Mittwoch nach dem Treffen veröffentlichte, dann auch Eintracht und 96 gleichlautend auf den jeweiligen Internetseiten.

Auch andere Fans von Eintracht Braunschweig im Stadion und Leserinnen und Leser unserer Zeitung hatten deutlich ihren Unmut über die Situation im Stadion in Braunschweig bekundet. In einer Nachricht an diese Redaktion schrieb unter anderem das Mitglied eines Fan-Clubs aus dem Kreis Peine, dass, nach einer absoluten sehenswerten Choreo das „Unheil seinen Lauf“ genommen habe. „Diese dummen Böller und Raketen haben nur noch genervt (...) Es machte als Zuschauer wirklich keinen Spaß.“ Auch der Beschuss mit Raketen vonseiten der Gästefans sei einfach nicht hinnehmbar gewesen.