Braunschweig. Im Interview äußert sich der im Sommer freigestellte Trainer über intensive Saisons beim Braunschweiger Zweitligisten und Zukunftspläne.

Michael Schiele schaffte mit Eintracht Braunschweig den sofortigen Wiederaufstieg aus der 3. in die 2. Liga und im Jahr darauf den Klassenerhalt. Trotzdem stellte der Traditionsklub den Trainer wenige Monate nach seiner Vertragsverlängerung frei. Seither hatte sich der 45-Jährige mit Äußerungen zu seiner Zeit in der Löwenstadt zurückgehalten. Nun spricht er im Interview über zwei intensive Saisons, die Familie und seine Ziele für die Zukunft.

Wo erwischen wir Sie gerade, Michael Schiele?

Beim Spazieren in meiner Heimat, der Ostalb, bei schönem Wetter. Vergangene Woche war ich aber noch in Spanien, um viele Klubs in ihren Wintertrainingslagern zu besuchen. Da habe ich mich mit vielen Leuten ausgetauscht, gerade auch mit Trainerkollegen aus dem In- und Ausland.

Sie wurden vor mehr als sechs Monaten bei der Eintracht freigestellt. Kribbelt es wieder, einen neuen Job zu übernehmen?

Ich bin aktuell entspannt und cool. Rund um Weihnachten hat es in mir noch etwas mehr gekitzelt, aber jetzt beobachte ich genau, wie sich der Markt entwickelt, wie bei bestimmten Vereinen gespielt wird und ob sich womöglich eine Chance auftut.

Hatten Sie schon Möglichkeiten, einen Klub als Trainer zu übernehmen?

Ja, es gab zahlreiche Anfragen aus dem In- und Ausland, aber nur mit zwei Klubs habe ich mich intensiver beschäftigt. Am Ende habe ich beide jedoch nicht weiter verfolgt.

Welche Parameter müssen erfüllt sein, dass Sie einem neuen Klub zusagen?

Es sollte ein Zweitligist sein. Am Saisonende kann ich mir auch einen ambitionierten Drittligisten vorstellen, der im Aufstiegsrennen vielleicht nochmal einen neuen Impuls braucht. Und ein spannendes Auslandsprojekt würde ich auch nicht ausschließen.

Was ist Ihr Ziel für 2024?

Ich würde gern wieder irgendwo anfangen. Generell geht es mir darum, dass ich junge Spieler entwickeln, eine gute Stimmung im Verein entstehen lassen und Erfolg haben möchte. Wenn aber dieses Gefühl bei mir nicht da ist, dann mache ich es auch nicht. Ich bin relativ cool. Aber: Ich habe natürlich Bock, wieder an der Linie zu stehen – keine Frage.

Sie können auch relativ cool sein, da die Eintracht Sie noch bis Sommer 2025 bezahlen muss. Wie haben Sie das Kapitel für sich aufgearbeitet?

Ich habe viele Gespräche geführt mit Menschen, die mich mal enger und mal weniger eng begleitet haben, um mich zu reflektieren. Als ich in Sandhausen entlassen wurde, war ich auch wütend auf mich, weil ich in einem schwierigen Umfeld nicht alles so gut hinbekommen habe wie gewünscht. Aber in Sandhausen war die Begründung klar: Wir haben nicht abgeliefert. Das Warum nach meiner Freistellung bei der Eintracht war anfangs für mich schwieriger zu beantworten.

Haben Sie heute eine Antwort dafür?

(lacht) Wir haben in Liga 3 in kürzester Zeit eine ganz neue Mannschaft zusammengestellt, mit der es bis auf ein paar kleinere Schwächephasen schnell gut lief. Es war dennoch nicht selbstverständlich, in der Konstellation gleich wieder in die 2. Bundesliga zurückzukehren. Dann haben wir dort den Klassenerhalt geschafft, haben auch gute Spiele gemacht und uns immer als Einheit gezeigt. Wir hatten alles, was wir uns bei meinem Dienstantritt vorgenommen haben, vorzeitig erreicht.

Dennoch hat der Verein andere Pläne gehabt.

Ja, aber es waren tolle zwei Jahre für mich, die ich niemals missen möchte. Wir sind aufgestiegen, haben in den beiden Derbys vier Punkte geholt und den Fahrstuhl erst einmal angehalten. Ich hatte das Gefühl, hier gut reinzupassen: in den Verein, die Stadt und die Region. Wir als Familie haben uns hier auch immer willkommen gefühlt.

Stichwort Familie: Die hat sich doch bestimmt auch ein wenig gefreut, dass Sie mal etwas mehr Zeit für sie haben oder?

Privat waren die vergangenen Monate eine wunderschöne Zeit, sie sind es immer noch. Wir haben erstmals seit 20 Jahren einen Sommerurlaub zusammen verbracht. Ich habe bei meinen Söhnen, der eine spielt hier in der B-, der andere in der E-Jugend, die Trainings mitgemacht. Das war ein ganz normales Familienleben, wie wir es eigentlich noch nie hatten: mit Hausaufgabenhilfe, Vokabeln abfragen und vielen gemeinsamen Stunden.

Wie war Ihr Verhältnis zum damaligen Sport-Geschäftsführer Peter Vollmann?

Professionell, würde ich sagen. Jeder hat vom Anderen profitiert. Vor Weihnachten haben wir mal telefoniert und uns über viele Dinge ausgetauscht.

Wie blicken Sie auf die aktuelle Eintracht-Mannschaft?

Sie spielt unter Daniel Scherning wieder einen klaren Umschaltfußball, das passt zum Team und zum Verein. Die Spieler bringen viel Dynamik rein und haben vorne gutes Tempo. Außerdem wirkt es so, als wäre mehr Gemeinschaftsgefühl da. Das scheint aktuell ganz gut zu passen. Die Rückholaktion von Ermin Bicakcic hat sich ebenfalls schon ausgezahlt, er bringt viel Stabilität und Emotionalität rein.

Trauen Sie der Eintracht den Klassenerhalt zu?

Sie sind auf jeden Fall dran in der Tabelle und haben auch die Konkurrenz unter Druck gesetzt. Es wird schwer, aber unmöglich ist es nicht. Fußballwunder gibt es immer wieder. Und mit den Fans im Rücken ist sowieso alles möglich.

Es ist Ihnen ein Anliegen, den Fans noch ein paar Worte mit auf den Weg zu geben.

Schade, dass ich mich nicht persönlich verabschieden konnte. Ich wollte mich bedanken für die Unterstützung, die uns die wahren Fans immer gegeben haben. Wir als Team haben immer gespürt, dass die Fans uns supporten und nicht im Stich lassen. Das hat enorm viel ausgemacht. Nur so kann man viel erreichen, wenn man einen gemeinsamen Weg geht. Es waren schöne Erlebnisse dabei und ich bin stolz, dass ich in dem Stadion arbeiten durfte.