Braunschweig. Die Braunschweiger verdienen sich beim 3:1 in Wiesbaden ihren ersten Sieg in der Fremde - Schernings Joker stechen zu.

Exakt zwei Monate nach seinem letzten Einsatz für die Eintracht bekam Rayan Philippe einen Tritt in den Allerwertesten. Jedoch einen der netteren Art. Robert Ivanov, der verteidigende Teamkollege des Franzosen, gratulierte Philippe auf diese Weise zu dessen erstem Tor in der 2. Fußball-Bundesliga. Jubeln auf Finnisch.

Das Tor hatte der 23-Jährige am Freitagabend in der Eintracht-Partie bei Wehen Wiesbaden in Minute 56 erzielt - und das Spiel somit von einem 0:1 zu einem 2:1 gedreht. Nach Abpfiff des 3:1 wiederholte sich Ivanovs Jubel mit all seinen Kollegen nochmal. Vor mehr als 500 mitgereisten Fans feierte die Mannschaft von Trainer Daniel Scherning den ersten Auswärtssieg dieser Saison. Fabio Kaufmann hatte die anderen Braunschweiger Treffer erzielt.

Die große Geschichte des Abends schrieb aber Philippe. Dass der überhaupt im Kader gestanden hatte, war schon eine kleine Überraschung. Denn am 8. Oktober war er zuletzt in ebenjenem aufgetaucht, die jüngsten sechs Spiele hatte er von der Tribüne aus verfolgt. Ein Abschied im Winter galt als ausgemacht, war sein Transfer doch ohnehin in der Schublade mit der Aufschrift „misslungenes Experiment“ abgelegt worden.

Und dann kam die Partie in Wiesbaden, in der Philippe zur zweiten Hälfte eingewechselt wurde und zunächst Kaufmanns Kontertreffer zum 1:1 vorlegte (48.), um acht Minuten später auf Vorlage Kaufmanns zum 2:1 zu treffen. Der 23 Jahre alte Franzose war an diesem Freitagabend nicht der wieder erstarkte Phönix, sondern Philippe aus der Asche. Ob der erste Auswärtssieg der Saison der Eintracht am Saisonende doch noch zum Klassenerhalt verhelfen wird, ist unklar. Sicher ist nur, dass das Grundgefühl positiver wird, seit Scherning das Ruder übernommen hat.

Der neue Trainer sollte nur langsam, aber sicher ein altes Eintracht-Problem in den Griff bekommen: defensive Standards. Es ist ein Eintracht-Trend des Grauens, der sich am nasskalten Freitagabend in Wiesbaden wieder einmal bestätigte. Bei gegnerischen Standards haben die Blau-Gelben riesige Schwächen. Kapitän Jannis Nikolaou ließ sich in Minute 18 von seinem Gegenspieler Aleksandar Vukotic viel zu leicht abkochen und ermöglichte dem Aufsteiger so das frühe und einfache 1:0.

In sieben der jüngsten acht Zweitliga-Spiele hatten die Braunschweiger zuvor bereits ihr jeweils erstes Gegentor immer im Kontext einer Standardsituation kassiert. Beim 0:1 in der Vorwoche gegen Fürth war‘s ein (unberechtigter) Strafstoß, gegen Hamburg eine Ecke, gegen Osnabrück ein (berechtigter) Strafstoß und vorher gegen Düsseldorf, Elversberg, Paderborn und Rostock jeweils eine Ecke. Das ist längst kein Zufall mehr, sondern eine eklatante Schwäche.

Und es ist auch kein Zufall, dass diese vielen Standard-Gegentore in die Phase fallen, in der Anthony Ujah nach Schulter-Operation ausfällt. Denn so sehr der Eintracht der erfahrene Stürmer in der Spitze fehlt, können die Braunschweiger ihn auch hinten nicht ersetzen. Bei gegnerischen Standards war es regelmäßig Ujah, der die Bälle mit seiner gewaltigen Sprungkraft aus dem eigenen Sechzehner köpfte und somit entschärfte. Die gute Nachricht: In diesem Fußball-Jahr steht nur noch ein Spiel an, am Sonntag in einer Woche gegen Kaiserslautern. Und danach, so die Braunschweiger Hoffnung, kann Ujah an beiden Enden des Platzes wieder mitwirken.

Am Freitag in Wiesbaden hätte es sogar schon nach zehn Sekunden im Kasten von Ron-Thorben Hoffmann klingeln können, doch der Keeper war von Beginn an hellwach. Der Zweitliga-Aufsteiger aus Hessen dominierte die Anfangsphase und belohnte sich durch das 1:0 von Vukotic, bei dem Nikolaou ganz und gar nicht gut aussah. Danach jedoch übernahm das Scherning-Team die Initiative - und wurde besser.

Als goldrichtig erwiesen sich die drei Halbzeit-Wechsel des Trainers. Nicht nur Philippe tat dem Spiel der Blau-Gelben gut, auch Thorir Helgason und Florian Krüger erwiesen sich als positive Erscheinungen in der Offensive - gepaart mit einer kompakten Defensive. So feierte die Eintracht einen verdienten Sieg, den ersten in der Fremde in dieser Spielzeit. Kaufmann mit seinen zwei Toren war ein Garant dafür, aber auch einer, der völlig überraschend überragte: Philippe aus der Asche.