Braunschweig. Für Schalker galten in den Blöcken 5 bis 17 strenge Auflagen. Braunschweig verteidigt das Vorgehen – auch wenn es zu teilweise kuriosen Szenen kam.

Es war klar und deutlich kommuniziert worden: Dennoch sorgte das strenge Vorgehen an den Stadiontoren vor dem Zweitliga-Spiel zwischen Eintracht Braunschweig und Schalke 04 im Nachhinein für Irritationen, auch bei so manchem blau-gelben Fan. So war es Anhängern der Gästemannschaft am Sonntag im Stadion untersagt worden, Fan-Utensilien zu tragen. Das galt in dem Fall sogar in den Blöcken 5 bis 17, jedoch nicht auf der Haupttribüne, in den Blöcken 1-4.

Eine Leserin aus Braunschweig sprach mit Blick auf die Vorgabe von Eintracht gegenüber unserer Zeitung von „großem Unbehagen“. Sie schildert auch, was daraus folgte: „Neben mir in der Gegengerade saß ein älterer Herr im Unterhemd!“, so die Frau. Und weiter: „Selbst wenn im Vorfeld dieses Vorgehen mit den Fans kommuniziert wurde, empfinde ich diese Maßnahme zur Eskalationsvermeidung als unverhältnismäßig und beschämend!“

Außerdem wies sie darauf hin, dass der Verein doch lieber was gegen das ständige Zündeln gefährlicher Pyro-Technik unternehmen solle, das erst zuletzt wieder zu Geldstrafen durch die DFL geführt habe.

Eintracht-Fan berichtet von versuchtem Schal-Klau

Leser Uwe Deutschmann aus Vechelde widerspricht ihr deutlich. Er und seine Enkel wurden beim Pokalspiel Zeugen, als im Familienblock erst Schalker pöbelten und dann ein Eintracht-Fan versuchte, einem Gästefan den Schal zu entwenden. Deutschmann ging dazwischen. Einer seiner Enkel wurde leicht am Kopf verletzt, als bei der Rangelei um den Schal der Eintracht-Fan auf das Kind fiel. Ein Security-Mitarbeiter sei sofort eingeschritten, habe den übergriffigen Fan des Blocks verwiesen. „Ich halte es für richtig, was der Verein gemacht hat. Keine Gästefans auf der Gegengrade.“

Eintracht Braunschweig und auch Schalke 04 hatten am 17. beziehungsweise am 18. August auf ihren jeweiligen Internetseiten sehr deutlich den Hinweis an die Fans platziert, dass die Möglichkeit einer Abweisung besteht, sollte man sich von Schalker Fanseite nicht an die Vorgabe neutraler Kleidung im Heimbereich des Stadions halten. Dabei nannte der Verein aus Gelsenkirchen auch die Gründe dafür. Es sei, so die Hinweise aus Braunschweig, „leider beim Zusammentreffen im Pokalspiel am vergangenen Wochenende zu diversen Auseinandersetzungen im Stadion zwischen Heim– und Gästefans“ gekommen.

Das hat die Polizei am Rande des Pokalspiels dokumentiert

Was unter diversen Auseinandersetzungen zu verstehen sei, bleibt unklar. Dazu nimmt die Polizeiinspektion Braunschweig aber gegenüber unserer Zeitung Stellung. Die hatte in beiden Partien die Einsatzleitung. „Während des Pokalspiels zwischen Eintracht Braunschweig und Schalke 04 kam es hinter den Blöcken 15 und 16 mehrfach zu verbalen Provokationen und kleineren Handgemengen zwischen den beiden Fanlagern. Konkrete Körperverletzungen wurden der Polizei jedoch in diesem Zusammenhang nicht angezeigt“, erklärte Sprecher Dirk Oppermann. Die Polizei ermittele aktuell nur zu einer Körperverletzung zwischen Eintracht-Anhängern, so der Sprecher weiter. Im Internet kursieren Videos, die Handgemenge auch am Stadionrund zeigen.

Auf Nachfrage, ob sich der Verein mit der Polizei abgestimmt habe, das Tragen von Gästefans-Utensilien zu untersagen, teilt Oppermann mit: „Die Polizei wurde im Rahmen einer Besprechung durch den Verein über die geplanten Maßnahmen in Kenntnis gesetzt. In beiden Spielverläufen war kein unterstützendes Einschreiten durch die Polizei in den neutralen Zuschauerbereichen im angefragten Kontext erforderlich.“

Auch das Liga-Spiel sei analog zum Pokalspiel als „Risikospiel“ (Kategorie Rot) eingestuft worden. Mehrere Faktoren seien dafür laut der Polizei ausschlaggebend gewesen. Die große Anzahl an Gästefans, hohe Mobilisierung der jeweiligen Risikoszenen und die Erfahrungen vom 9. August, als es insbesondere vor dem Spiel zu Ausschreitungen gekommen sei.

Der Vorsitzende des Fanclubs „Königsblaue Niedersachsen“ aus Ribbesbüttel, Norbert Beith, war bei beiden Partien der Traditionsclubs im Stadion, allerdings in Block 1 auf der Haupttribüne, für den das Utensilien-Verbot nicht galt. Er spricht über einen fast schon freundschaftlichen Umgang der Fans untereinander. Vor dem Pokalspiel habe man sich einträchtig in beiden Farben in der „Wahren Liebe“ auf das Spiel eingestimmt. „Es saßen auch einige Schalker auf der Gegengeraden. Ich habe nicht gehört, dass es Ärger gab“, zeigt sich Beith überrascht über die strikte „Kleiderordnung“ beim Treffen in der Liga. Zu beiden Spielen seien Mitglieder seines Fanclubs zusammen mit Eintracht-Fans aus dem Kreis Gifhorn angereist. „Alles komplett nett.“

Schalke-Fans im Grundschulalter: Zunächst wird der Eintritt verweigert

Dennoch wurden am Sonntag beim Ligaspiel auch Kinder im Grundschulalter, mit Platzkarten im Familienblock, am Eingang aufgefordert, sich des Schalke-Trikots zu entledigen. Ansonsten würde man sie nicht ins Stadion lassen. Ein Familienvater, aus dem Ruhrgebiet angereist (Name der Redaktion bekannt) erlebte das. Morgens um 6 Uhr gestartet, wurden ihm und seinen 9 und 6 Jahre alten Kindern von einem Security-Mitarbeiter am Eingang Rheingoldstraße eröffnet, dass die Kinder „so nicht ins Stadion könnten“. Man habe Anweisungen.

Dabei besaßen die Trikots nicht einmal die klassischen Schalker Farben, Blau und Weiß, sondern waren grün und grau. Dennoch gab es kein Vertun. Nach einer kurzen Diskussion, so der Vater gegenüber unserer Zeitung, bei dem auch anstehende Fans von Eintracht Braunschweig ihr Unverständnis über die Ordner zum Ausdruck gebracht hätten („Lass‘ die Jungs doch so ins Stadion“), einigte man sich. Sie kamen rein, die Kinder mussten das Trikot aber falsch herum, also auf links gedreht, anziehen. „Ich fand das schon extrem, weil ja auch unsere Freunde und deren Kinder dabei waren, die dann teilweise Blau und Gelb trugen“, so der Mann, der sein eigenes Trikot dann doch lieber zu Hause gelassen hatte.

Familienvater aus dem Ruhrgebiet: Keine Anfeindungen gegenüber den Kindern

Er frage sich, was ein Familienvater aus Braunschweig in dem Fall machen solle, der zwei Kinder habe. „Und das eine ist für Eintracht und das andere für den Verein, der zu Gast ist.“ Seine eigenen Jungs seien nach einer kurzen Phase der Verunsicherung klargekommen, der Jüngere habe sein Trikot im Stadion auch irgendwann wieder „richtig herum getragen“, was in diesem Block überhaupt kein Problem gewesen sei. Auch in Bochum habe er ähnlich strikte Einlasskontrollen erlebt. „Man kann alles auch übertreiben.“

Der Verein Eintracht Braunschweig verteidigt gegenüber unserer Zeitung das Vorgehen als „direkte Reaktion auf das teils recht provokative Verhalten von Schalke-Anhängern, die massiven Beschwerden vieler Eintracht-Fans als auch auf die verbalen und teils körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Fans beider Vereine rund um das Pokalspiel in der Woche zuvor“.

Eintracht: Positive Rückmeldungen und weniger Zwischenfälle

Man halte aufgrund sehr vieler positiver Rückmeldung der eigenen Anhängerschaft und angesichts der Tatsache, dass es beim Ligaspiel zu „signifikant weniger Zwischenfällen“ gekommen sei, die Maßnahme auch im Nachhinein für richtig, teilte der Verein mit. Zuletzt habe man diese Linie beim Derby gegen Hannover 96 gefahren. Auf die Frage, warum das alles nicht für die Haupttribüne gegolten habe, erklärt Eintracht-Sprecher Luca Podlech: „Auf der Haupttribüne gilt diese Regelung wie in vielen anderen Stadien nicht, um auch den gemeinsamen Besuch von Heim- und Gästefans zu ermöglichen.“

Eintracht Braunschweig stehe für eine offene Willkommenskultur, dennoch behalte man sich vor, diese präventive Sicherheitsmaßnahme auch bei künftigen Risikospielen umzusetzen.

Das Innenministerium in Hannover verweist auf das Hausrecht des Vereins. Fehlte Fingerspitzengefühl? Es habe Vorgaben gegeben, heißt es. Ziel sei es immer, rivalisierende Fangruppen im Stadion zu trennen. Ganz unabhängig vom konkreten Fall sei der stetige Austausch der Akteure vor Ort entscheidend. Polizei, Verein, Fans, Ordnungsdienst.