Harsewinkel. Die medizinische Abteilung der Löwen erklärt, was sie zur Prävention unternimmt - und dass die Löwen bei Genesungszeiten voll im Rahmen liegen.

Eintracht Braunschweig war in der vergangenen Saison von Verletzungen gebeutelt. Ständig brachen Spieler weg. Oft waren es Leistungsträger. Die Reihen des Lazaretts wollten sich nie so recht lichten. Da wird in der Öffentlichkeit schnell ein Schuldiger gesucht. War die medizinische Abteilung der Blau-Gelben zu sorglos? Diese Erklärung wäre viel zu einfach. Die Gründe sind komplexer als mit einem losen Blick deutlich wird – wie so oft im Leben.

Muskelfaserriss ist nicht gleich Muskelfaserriss

Unter den Verletzungen hatten die Löwen in der abgelaufenen Spielzeit schwer zu leiden. Zu dünn war der Kader, um so viele – teils hochkarätige – Ausfälle einfach schlucken zu können. Oft waren es die Muskeln der Profis, die angeschlagen waren. Die Belastung im Profi-Fußball ist schließlich hoch. „Es gibt nicht das unfehlbare Vorhersage-Kriterium, um einen müden Muskel rechtzeitig zu erkennen“, sagt Mannschaftsarzt Florian Brand.

Die Belastung der Fußballer ist hoch – nicht nur im Trainingslager. In der Vorsaison gab’s vier oder fünf Muskelverletzungen im Eintracht-Lager. Aber keine ist miteinander zu vergleichen. Muskelfaserriss ist etwa nicht gleich Muskelfaserriss. Da kann es durchaus sein, dass ein Spieler nach wenigen Tagen schon wieder in den Betrieb einsteigen kann. Es kann aber auch länger dauern – viel länger. Beim mittlerweile zum Hamburger SV abgewanderten Spielmacher Immanuel Pherai etwa hat selbst ein Spezialist in Bayern Schwierigkeiten gehabt, die Blessur genau zu lokalisieren. Reißt die Faser dann noch an einer ungünstigen Stelle, fällt ein Spieler auch mal wochenlang aus.

Mehr zu Eintracht Braunschweig:

Muskelabriss bei Brian Behrendt

Und dann gibt es noch extremere Ausreißer: „Bei Brian Behrendt, der wegen eines Muskelabrisses operiert werden musste, ist die Ausfallzeit natürlich länger als bei jemandem, der sich einen kleinen Muskelfaserriss zuzieht“, sagt Brand. Der Verteidiger riss sich mehrere Muskeln im hinteren Oberschenkel, weil er beim Spiel in Magdeburg unglücklich ausgerutscht war.

Hinzu kommen andere Einflussfaktoren von außen, ein Tritt im Spiel zum Beispiel. Die sind im Fußball unvermeidbar – im Training wie auch im Spiel. „Da kann die Prävention dann noch so gut laufen. Dann hat man keinen Zugriff darauf, Verletzungen zu verhindern“, erklärt Brand. Und dafür tun die Ärzte und Physiotherapeuten der Eintracht, was sie können. „Einerseits orientieren wir uns an den Daten, die wir erheben. Dafür machen wir ja auch die umfangreichen Tests vor der Saison. Dann schauen wir natürlich auch in Absprache mit den Jungs, was wir machen können. Da geht es darum, Dysbalancen auszugleichen und zu schauen, dass auf die Körperstruktur nicht unnötig mehr Arbeit zukommt“, erklärt der leitende Physiotherapeut Christian Degenhardt.

Das machen Eintracht Braunschweigs Physiotherapeuten, um Muskelverletzungen zu vermeiden

Hinzu kommt freilich die Regeneration. Die ist einfach – und kompliziert zugleich. Ausreichend Schlaf ist eines der wichtigsten Kriterien. Acht oder neun Stunden am Tag sollten es sein. Der obligatorische Mittagsschlaf der Profis im Trainingslager in Klosterpforte hat also nichts mit Langeweile oder Faulheit zu tun – sondern ist Teil des Trainings, wenn man so will.

Wir hatten fünf Langzeitverletzte, aber prophylaktisch war bei diesen Verletzungen nicht viel zu machen.
Florian Horn, Physiotherapeut bei Eintracht Braunschweig

Außerdem wichtig: Die richtige Ernährung. „Gerade hier im Trainingslager bekommen sie auch ein Buffet, das die besten Voraussetzungen bietet, um sich gut zu ernähren“, sagt Degenhardt und Physiotherapeut Florian Horn ergänzt: „Dazu gehört auch die Aufnahme von ausreichend Flüssigkeit – gute, nicht zuckerhaltige Getränke. Aber es kommt nichts ans Schlafen heran.“

Eintrachts Mannschaftsarzt: „In der vergangenen Saison hatten wir viele ausgefallene Verletzungen“

Von einem Muskelfaserriss hat jeder schon einmal etwas gehört, der sich auch nur entfernt mit Sport befasst. Eintracht hatte in der Spielzeit 2022/23 aber auch Einträge in die Krankenakten, die weit weniger gewöhnlich sind. „In der vergangenen Saison hatten wir viele ausgefallene Verletzungen, die man nicht alltäglich sieht“, sagt Brand. Filip Benkovic etwa war am Labrum verletzt – einer Gelenklippe an der Hüfte. Der Kroate riss sich überdies noch den Brustmuskel.

Mehr zu Eintracht Braunschweig:

In welcher Szene es zu dieser Verletzung kam, hat Degenhardt erst bei genauem Videostudium entdeckt. Nichts Ungewöhnliches übrigens. Die medizinische Abteilung sammelt ständig Daten, schaut sich Spielszenen an, um genauere Erkenntnisse über den Ursprung der Blessuren zu erlangen. „Wir hatten fünf Langzeitverletzte, aber prophylaktisch war bei diesen Verletzungen nicht viel zu machen“, sagt Horn.

Bis zum in den späten Abend werden die Spieler im Trainingslager behandelt

Im Trainingslager haben Teamarzt und die Physios reichlich zu tun. Vor allem dann, wenn die Spieler mit der Schufterei fertig sind. In einem Raum im Erdgeschoss des Sporthotels haben sie ihr Lager aufgeschlagen. Drei Liegen stehen permanent bereit für Massagen, Stoßwellentherapien, Akkupunktur-Behandlungen und alles, was sonst so beim Fit werden und regenerieren hilft.

Wie die Behandlung aussieht, läuft übrigens in Absprache mit den Spielern. Etwa eine halbe Stunde liegen die Profis dann unter der Fuchtel der medizinischen Mannschaft. Dabei gibt’s einen für alle Seiten erfreulichen Nebeneffekt. Ein bisschen Trash Talk hier, ein bisschen Flachsen da. „Na klar. Das gehört dazu“, sagt Horn. Um 23 Uhr schließen die Türen. Alles zur Verletzungsprävention. Aber auch das hilft längst nicht immer …