Braunschweig. Es war vielleicht nicht das Finale, was sich viele gewünscht hatten. Aber es war spektakulär. Das Turnier endet als echtes Tennis-Drama.

„Was für ein Drama“, sprach Moderator Oliver Seidler aus, was alle Zuschauer auf dem Centre Court im Bürgerpark dachten, als der Ball von Pavel Kotov ins Aus ging. Sieger Franco Agamenone lag da noch, die Arme weit von sich gestreckt, auf dem Rücken des Sandplatzes. Erschöpft, gezeichnet, aber glücklich genoss der Italiener so seinen Erfolg bei den Brawo Open, an den im zweiten Satz viele nicht mehr geglaubt hatten. Denn der 30-Jährige hatte sich verletzt, war in seinen Bewegungen sichtlich eingeschränkt. Und doch besiegte er den Russen am Ende 7:5, 6:3. Seine Freundin, in der zweiten Reihe sitzend, hatte zwischendurch jede Bewegung seines Kampfes gegen die Schmerzen mit bangem Blick verfolgt und nun Tränen der Rührung in den Augen.

Auch Top-Favorit Altmaier besiegt

Damit hatte das Tennisturnier im Braunschweiger Bürgerpark einen würdigen Sieger gefunden. Agamenone hatte zuvor in der ersten Runde den Deutschen Maximilian Marterer besiegt und im Achtelfinale den Japaner Daniel Taro. Im Viertelfinale warf er dann sogar den Turnier-Favoriten Daniel Altmaier raus und im anschließenden Halbfinale den Deutsch-Libanesen Benjamin Hassan. Eigentlich nicht die besten Voraussetzungen, um aus deutscher Sicht als Publikumsliebling aus dieser Veranstaltung zu gehen. Doch das holte Agamenone am Samstag im Endspiel des ATP Challenger gegen den Russen Kotov mit seinem kämpferischen Auftritt nach und sicherte sich neben dem Preisgeld von 19.650 Euro auch 125 Punkte für die Weltrangliste.

Verletzung am Oberschenkel

Im entscheidenden zweiten Satz hatte es zuvor nicht gut für den 30-Jährigen ausgesehen. Er hatte sich bei einer 3:0-Führung verletzt. Agamenone musste behandelt werden und spielte mit einem bandagierten Oberschenkel weiter, konnte sich aber nur noch eingeschränkt bewegen. Kotov, eigentlich schon auf der Verliererstraße, witterte seine Chance und kam noch einmal heran. Der Mann mit einem kleinen Balltick - nach jedem gewonnenen Punkt wollte er immer wieder mit dem zuvor eingesetzten Ball aufschlagen - holte sich ein Break und verkürzte mit seinem ersten gewonnenen Aufschlagspiel im zweiten Satz auf 2:3. Doch obwohl Agamenone humpelnd viele Bälle nicht mehr erreichte, kämpfte der Italiener weiter, spielte mit viel Risiko, um die Ballwechsel kurz zu halten – und wurde belohnt. Kotov zeigte Nerven, machte gegen den angeschlagenen Gegner zu viele Fehler und kassierte sogar selbst noch ein Break.

Kotov kassiert sogar ein paar Pfiffe

Das Publikum, zuvor eher unentschieden, schlug sich nun klar auf die Seite des Italieners mit argentinischen Wurzeln. Kotov, im Halbfinale gegen den Brasilianer Thiago Seyboth Wild noch eher der Ruhepol, sammelte dagegen keine Sympathiepunkte. Mehrmals kassierte er für Zeitspiel, Ball wegschlagen und Schläger zertrümmern Verwarnungen des Schiedsrichters, mit dem er obendrein noch lange und ausgiebig diskutierte. Die ersten Pfiffe waren von der Tribüne zu hören. Agamenone verfolgte das Geschehen dagegen ruhig und sparte sich alle Aufmerksamkeit für die Ballwechsel. Einen dritten Satz, das war ihm wohl klar, hätte er wahrscheinlich nicht gewonnen. Mit scheinbar letzter Kraft brachte er aber zwei seiner Aufschlagspiele durch und triumphierte verdient im Bürgerpark.

Siegerehrung im Regen

Und es passte zu diesem kleinen Tennis-Drama, dass die Siegerehrung aufgrund eines Gewitterschauers etwas verkürzt abgehalten werden musste. Agamenone hatte gerade die üblichen Dankesworte ans Publikum, seine Familie, seine Unterstützer gerichtet und zu seiner Verletzung in Satz 2 gesagt, „es hat am Anfang wehgetan, aber dann ging es ganz gut“, da begannen sich die dunklen Wolken über dem Bürgerpark zu entladen. Moderator Seidler sagte noch „ein irres Finale“, dann wurden schnell die Siegerfotos gemacht und schon schüttete es wie aus Eimern. Die Zuschauer auf der Tribüne suchten den Weg ins Trockene, und es war Volksbank-Brawo-Chef Jürgen Brinkmann persönlich, der den Sieger mit einem Regenschirm vom Platz begleitete.

In der Doppelkonkurrenz war das noch alles gemählicher vonstatten gegangen. Diese gewannen die beiden Franzosen Pierre-Hugues Herbert und Arthur Raymond gegen das indische Duo Rithvik Choudary Bollipalli und Arjun Kadhe mit 7:6 und 6:4 und konnten anschließend entspannt mit ihren Pokalen in der Hand den Centre Court der BTHC-Anlage verlassen.