Frankfurt. In der Nationalmannschaft könnte Joshua Kimmich zurück zur Leichtigkeit finden.

Es braucht einen Moment, sich Joshua Kimmich im Trikot von Borussia Dortmund vorzustellen. Aber er hat es getragen. Eine ganze Zeit lang, immer dann, wenn er nicht zwingend etwas anderes anziehen musste. Die Eltern kauften dem damaligen Knirps das schwarz-gelbe Textil. Sein erstes Trikot. Auf dessen Rückseite stand der Name von Kimmichs Lieblingsspieler gedruckt: Tomas Rosicky. „Seine Leichtigkeit und seine Fähigkeit, seine Mitspieler perfekt einzusetzen“ faszinierten ihn.

Das sagt auch heute noch etwas darüber, was für ein Fußball-Spieler Joshua Kimmich ist oder immer dann gerne wäre, wenn die Leichtigkeit mal gerade verflogen ist, wenn sie Schwere hinterlässt. Der 22-Jährige kennt beide Zustände. Er durchlebte sie in kürzester Zeit.

Am Dienstag trifft sich die Nationalmannschaft, um zwei Tage später zum Confed-Cup nach Russland zu reisen. Jenem Turnier, das angeblich keiner braucht, keiner will. Aber die Spieler wollen. Vor allem: Kimmich will. Das Beste zum Schluss der Saison. Weil er da ist, wo er Vertrauen spürt. Er ist voller Vorfreude und Ehrgeiz.

Vor ziemlich genau einem Jahr debütierte er in der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw, gehörte bei der Europameisterschaft in Frankreich zu jenen, die Vorfreude auf die Zukunft machten. Doch trotz erstaunlicher vier Treffer zu Saisonbeginn geriet der Verteidiger beim neuen Münchner Trainer Carlo Ancelotti – eher bekannt als gutmütiger Versteher der Stars denn als Entwickler junger Talente – ins Abseits. Die Einsatzzeiten ließen nach, seine Leistungen ebenfalls. Sehr leicht fühlte sich das nicht an.

Im für diesen Sommer kernsanierten deutschen Kader aber nimmt Kimmich eine exponierte Stellung ein, weil er bei Bundestrainer Joachim Löw gesetzt ist. Kimmich spielte zuletzt immer. „Ich weiß schon, was manche für Möglichkeiten haben“, sagte Löw vor wenigen Wochen und stellte in Aussicht, jene auch „durch Situationen zu führen, in denen sie im Verein Probleme haben oder nicht regelmäßig spielen.“ Der Kurort Löw hat schon viele Patienten wieder auf Vordermann gebracht. Nicht unwahrscheinlich, dass dies auch bei Kimmich gelingt.

Indizien dafür gibt es. Gegen Dänemark (1:1) vor einer Woche gelang ihm der Ausgleich per Fallrückzieher, gegen das bedauernswerte San Marino (7:0) in der WM-Qualifikation bereitete er mit seinen Flanken gleich vier Treffer vor, was zumindest den köpfenden Abnehmer und Torschützen Sandro Wagner zu einer gewagten Prognose verleitete: „Robert Lewandowski“, Münchens Torjäger, „kann sich freuen, wenn Jo bei den Bayern spielt. Bei den Flanken macht er gleich noch mal zehn Tore mehr.“

Wagner hievte seinen Mannschaftskameraden damit gleich mal auf ein Treppchen oberhalb von Philipp Lahm, der auf der rechten Bayern-Seite eine Institution wurde. 2014 trat er aus der Nationalmannschaft zurück, nun beendete er seine Karriere ganz.

Kimmich ist als derjenige ausgemacht, der ihn ersetzen könnte. Bei den Bayern (so wollen es die Vereinsgranden). Und auch in der Nationalmannschaft. So hat es Löw längst verfügt.

Vielleicht erhält Kimmichs etwas ins Stocken geratene Karriere in den kommenden Wochen neuen Schwung. Schwung für die Bayern. Schwung für die WM 2018. Schwung, den er braucht. Lahms Erbe zu sein, dürfte eine der anspruchsvollsten Aufgaben sein, die es im Weltfußball so zu erledigen gibt.

Denn er ließ das Schwere leicht aussehen, ließ seine Mitspieler glänzen. So wie Kimmich es mag.