Mein perfektes Wochenende. Wie Wolfgang Dressler in der Werkstatt von Nils Holloh eine Klinge aus Damaszenerstahl schmiedete.

Tomaten – exakt geschnitten in Drei-Millimeter-Scheiben. Da geht ein Raunen durch die Reihen der Kirchenköche in Groß Flöthe. Verursacher dieses Aha-Erlebnisses ist Wolfgang Dressler, oder genauer gesagt, sein Wirklichkeit gewordener Jugendtraum: ein selbstgeschmiedetes Messer mit einer Klinge aus Damaszenerstahl.

Nie hätte er gedacht, dass der Weg dahin ein so kurzer ist. Denn Dressler wusste nicht, dass nur wenige hundert Meter von seinem Zuhause entfernt Nils Holloh eine Schmiede betreibt und dort auch Kurse anbietet. Per Zufall lernten sich die beiden Männer am Verkaufstresen beim Dorfschlachter kennen, und schon wenig später stand Dressler voller Tatendrang in der urigen Schmiede in Hollohs Garten.

Heute brennt kein Feuer in der Esse. Aber wenn Dressler ins Erzählen kommt, kann man sich nur allzu gut vorstellen, wie hier der Schweiß rinnt, wie hier „das Mineralwasser so verdunstet wie die Holzkohle weggeht.“ Es ist schummrig in dem selbst gezimmerten Holzständerbau, dessen Boden mit Feldsteinen gepflastert ist. Und das soll auch so sein.

Im Halbdunkel sind zwar die fein säuberlich an den Wänden aufgereihten Zangen, Hämmer, Setzwerkzeuge, Lederschürzen und Schutzbrillen kaum zu erkennen, die Flammenfarbe des glühenden Stahls dafür aber umso besser. Und nur darauf kommt es an. „Wir messen die Temperaturen nicht, wir sehen sie“, erklärt Holloh. Erst Dunkelrot, dann Orange bis Hellgelb, schließlich ein Grünstich im Orange (1250 Grad). Wenn das Werkstück kurz darauf zur Wunderkerze wird, ruft der Amboss. Und dort sind längst nicht nur Kraft, sondern auch Schnelligkeit, Feingefühl und Auge gefragt, soll eine so kunstvolle Klinge entstehen, wie sie Dressler nach insgesamt 30 Stunden gelungen ist.

Fünf Stücke Flachstahl unterschiedlicher Qualitäten zum Paket verschweißen, eine Haltestange anbringen, ins Schmiedefeuer halten, wieder herausholen, mit kurzen satten Schlägen innerhalb von wenigen Sekunden auf dem Amboss feuerverschweißen, auf 15 Zentimeter ausschmieden, in der Mitte kerben, den Zunder gründlich abbürsten, das Werkstück umklappen, Boraxpulver daraufstreuen und wieder ab ins Feuer: Sechsmal hat Dressler diesen Prozess wiederholt. „320 Lagen macht das insgesamt“, rechnet der Hobbykoch vor. Es folgten Schmirgeln und Feilen, Erwärmen auf 1000 Grad (Kirschrot), Härten in Rapsöl, Politur und erneutes Erhitzen auf 240 Grad (Strohgelb). „Aber erst nach dem abschließenden Säurebad schlägt die Stunde der Wahrheit“, weiß Dressler. Erst dann werde die typisch wilde Damaszener-Struktur sichtbar. „Perfekt, einfach perfekt!“ Holloh ist voll des Lobs über die Arbeit seines Kursteilnehmers. Dessen Kollege muss übrigens noch einmal antreten. Eine kleine Unaufmerksamkeit hat ihn um den Erfolg gebracht. Seine Klinge ist unbrauchbar.

Holloh ist ein aufmerksamer Lehrmeister. Er spricht viel mit seinen Azubis, gibt hier Tipps, legt dort Hand an – auch in der angrenzenden Werkstatt, wo die Klingen zum guten Schluss individuell gestaltete Griffe aus edlen Hölzern oder Horn erhalten.

Seit 20 Jahren gibt Nils Holloh sein Wissen weiter. Zunächst war er vornehmlich in Freilichtmuseen aktiv. Doch das Leben als reisender Schmied wurde ihm mit der Zeit zu anstrengend. Seit gut fünf Jahren finden seine vielgestaltigen Schmiedekurse daher bei ihm zu Hause statt. Den Museen, allen voran Salzgitters Stadtmuseum im Schloss Salder, aber ist er verbunden geblieben. Dort hatte sich der gelernte Büchsenmacher zum Museumspädagogen und Metallrestaurator weitergebildet, dort backt er noch heute mit Kindern Brötchen in Steinzeitöfen, tischlert Schatzkisten, begleitet Ferienaktionen und Arbeitsgemeinschaften. In Salder entdeckte der 55-Jährige im Übrigen auch seine Leidenschaft für die schwierige Damaszener-Technik. Auf den Geschmack gekommen durch eine Sonderausstellung, machte Holloh in der Museumswerkstatt seine ersten Erfahrungen mit diesem Metier.

Der Mann, der nicht nur alte Werkstoffe, sondern auch alte Techniken liebt, hat auch eine kreative Ader. „Immer nur Messer schmieden, das ist mir zu eintönig geworden“, sagt er. Gartenkunst aus Schrott – das macht ihm Spaß. Und einen Traum hat Holloh auch: Schon bald will er in seiner kleinen Galerie Künstlern aus der Region ein Forum bieten. Die Muschelbilder von Marita Steven sind ein erster Vorgeschmack auf das, worauf sich nicht nur seine künftigen und ehemaligen Schmiedeschüler freuen dürfen.

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