Helmstedt. Das Helmstedter Zonengrenz-Museum stellt Fotografien aus, die den Wandel im Braunschweiger Land zeigen.

Ein riesiger Schaufelradbagger frisst sich in den Hang, klaubt mit seinem Greifarm alles auf, was dort die Natur vor ihrer Ausbeutung jahrtausendelang verborgen hat: Erde, Knochen, vor allem Kohle. Dieses Bild, das der Braunschweiger Fotograf Klaus Wefringhaus Anfang der 90er aufgenommen hat, ist der ideale Einstieg für Besucher einer Ausstellung, die der Verein der Braunschweigischen Landschaft unter dem Titel „Kulturlandschaften“ zusammengestellt hat.

In Helmstedt, wo 80 Arbeiten aus dieser Sammlung im Zonengrenzmuseum gezeigt werden, ist die beängstigende Szenerie jahrzehntelang Alltag gewesen. Zumindest für die Bergleute, die vor den Toren der Stadt – und im Schöninger Tagebau noch bis zum vergangenen Jahr – Braunkohle zur Stromerzeugung geschürft haben.

Die Wunden, die auf diese Weise der flachen Landschaft zugefügt wurden, heilen langsam. Flora und Fauna erobern sich die verlassenen Industriebrachen zurück. Wasser füllt die Tagebaulöcher. Wie lange es dauert, bis der Mensch dort wieder Einzug hält, ob als Badegast oder Freizeitkapitän, ist kaum absehbar und überdies eine andere Geschichte.

Zurück zur Ausstellung: Die Braunschweigische Landschaft präsentiert in Helmstedt eine Auswahl aus ihrer Sammlung „Kulturlandschaften“ und setzt diese Schwarzweiß-Aufnahmen in Bezug zu neuen Motiven von Michael Ewen und Ernst Wagner, die sich mit den Besonderheiten der Landschaft im Kreis Helmstedt auseinandersetzen.

Kuratorin ist Ulrike Lahmann. Sie hat den Schwerpunkt auf den ländlichen Raum gelegt, der seit Jahrhunderten den Veränderungen durch Landwirtschaft und Industrie ausgesetzt ist. Der Titel „Kulturlandschaften“ trägt diesen Eingriffen Rechnung.

Dieser Ansatz hat eine Vorgeschichte: Auf Anregung der Braunschweigischen Landschaft waren Anfang der 1990er Jahre renommierte Fotografinnen und Fotografen eingeladen worden, Arbeiten einzureichen, die das Braunschweiger Land in seiner typischen Charakteristik darstellen sollten. Sie zeigen Spargelfelder, Rübenäcker, aber auch Schlote und Schachtanlagen am Horizont von Getreideflächen.

„Stadtaufnahmen waren damals nicht gefragt. Davon gibt es hinreichend“, erinnert sich Ulrike Lahmann, seinerzeit Leiterin des Museums für Photographie in Braunschweig.

Die Helmstedter Ausstellung zeigt Arbeiten von Uwe Brodmann, Jutta Brüdern, Andreas Greiner-Napp, Heinrich Heidersberger, Heinrich Riebesehl, Cem Alexander Sünter, Klaus Wefringhaus, Ommo Wille, Christa Zeißig und legt mit den Fotografien der Gäste Michael Ewen und Ernst Wagner einen besonderen Fokus auf den Kreis Helmstedt.

Die Ausstellung hat aus Sicht eines Zeitungsreporters, dessen Geschichten zu ganz überwiegendem Teil von Menschen leben und handeln, dort ihre Stärken, wo Handwerker, Land- oder Industriearbeiter in ihrem beruflichen Umfeld abgebildet werden.

Dokumentation ist nicht alles; die Kunst will mehr: Emotionen und Erinnerungen wecken. Wie Kornfelder, Getreidesilos oder eben Kohlebagger in Szene gesetzt worden sind, wirkt perfekt, ist ästhetisch und erfüllt voll und ganz den Anspruch, Kulturlandschaften zu zeigen, wie sie heute nicht mehr sind.

Klaus Wefringhaus hat einmal gesagt: „Du kannst es machen, wie du willst: Fotos fangen an, Geschichten zu erzählen. Auch wenn keine Menschen da sind!“

Am Tag der Deutschen Einheit, 3. Oktober, bietet das Zonengrenz-Museum ab 15 Uhr eine Kuratorenführung an. Der Eintritt ist frei.

Die Ausstellung „Kulturlandschaften“ ist bis 22. Oktober zu sehen. Adresse: Zonengrenzmuseum, Südertor 6 in Helmstedt. Geöffnet Di. u. Fr. 15-17 Uhr, Mi. 10-12u. 15-17 Uhr, Do. 15-18.30 Uhr, Sa. u. So. 10-17 Uhr.