Braunschweig. Susanna Pütters und Henryk Böhm sind Solisten bei der „Schöpfung“ in der Volkswagen-Halle.

Es soll das musikalische Großereignis zur Reformation werden: Am Sonntag, 10. September, 17 Uhr, gestalten bis zu 800 Chorsänger mit dem Staatsorchester Braunschweig in der VW-Halle das Oratorium „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn. Als Solisten wirken neben Tenor Eric Stokloßa die Sopranistin Susanna Pütters und der Bariton Henryk Böhm mit, die lange im Opernensemble des Staatstheaters wirkten. Im Gespräch mit Andreas Berger erzählen sie, worin für sie der Reiz des geistlichen Werkes liegt.

Was gefällt euch an diesem Oratorium?

Susanna Pütters: Ich liebe den Optimismus, den das Werk ausstrahlt. Die ganze Schöpfung wird beschrieben in ihrer großen Vielfalt, und alles wird als gut bezeichnet, vom Leviathan bis zur Lerche. Diese Freude an der Vielfalt finde ich auch für die heutige Zeit der Ab- und Ausgrenzungsbestrebungen beispielhaft.

Henryk Böhm: Ich bewundere, wie farbenreich Joseph Haydn das komponiert hat. Die Naturinhalte und die Lebensinhalte werden musikalisch direkt anschaulich.

Susanna Pütters: Die musikalischen Mittel korrespondieren wunderbar mit dem Inhalt. Da muss ich bei manchem Kyrie anderer Komponisten mehr darüber nachdenken, warum das jetzt genau so komponiert ist.

Nun ist der von Haydn vertonte biblische Schöpfungsbericht ja durch die Wissenschaft überholt. Kann man das noch glaubhaft singen?

Pütters: Ich finde das stammelnde Staunen der Menschen vor der göttlichen Schöpfung, wie es Haydn ausdrückt, durchaus noch aktuell. Der Mensch kommt ja erst nach zwei Dritteln des Oratoriums ins Bild. Ich finde den Lobpreis der Schöpfung auch gar nicht weltfremd, sondern sehe darin einen Hinweis Gottes darauf, wie der Mensch mit der Schöpfung umgehen sollte: in Demut.

Böhm: Das Werk lehrt uns, die Schöpfung und das Leben als Geschenk zu betrachten. Hier ist der Mensch eingeordnet in einen Gesamtkosmos, und so sollten wir uns auch mal rausnehmen aus dem Zentrum aller Betrachtung. Das bunte Nebeneinanderstehen von allem, was geschaffen ist, fordert eben auch vom Menschen, sich zu integrieren. Im Oratorium werden auch Würmer, Regen und Sturm besungen, sie sind Teil der Natur, und der Mensch sollte eben auch manchmal nachgeben, ihr Freiraum lassen, statt zum Beispiel Überschwemmungsgebiete zu versiegeln und sich dann mit Staumauern dagegen an zu stemmen.

Auch das im Text beschriebene Verhältnis zwischen Mann und Frau wird heute oft als überholt kritisiert: „Nun folge mir, Gefährtin meines Lebens! Ich leite dich“, singt Adam. Was sagt das Ehepaar Pütters-Böhm dazu?

Böhm: Es gibt manchmal so Einfälle in Aufführungen, dass die Musiker an dieser Stelle mit den Füßen scharren und so ihre Distanz zum Text zum Ausdruck bringen wollen, aber das wäre mir zu operettig. Der Absatz beginnt mit der Hingabe an Gott, dem die beiden frisch Erschaffenen danken. Und diese Hingabe soll nun auch zwischen ihnen walten. Für mich ist dies der Ausdruck höchsten Vertrauens, und der gilt von beiden Seiten. Natürlich ist das im Alltag zwischen Eheleuten auch öfter mal schwer, aber dieses Grundvertrauen sollte doch immer da sein, das macht die eheliche Liebe aus.

Pütters: Sie danken dem Schöpfer und machen sich dann auf die Entdeckungsreise des Lebens, wir sind ja noch vor dem Sündenfall. Wichtig ist, dass sie die Achtsamkeit füreinander und für die Schöpfung mitnehmen.

Die Aufführung in der VW-Halle wird mit 800 Chorsängern eine Massenveranstaltung, Mikrofone sind für die Solisten unerlässlich. Lässt das die nötige Nuancierung und intimen Ausdruck zu?

Böhm: Während des Singens empfindet man die Technik nicht mehr so. Vielleicht singt man etwas kontrollierter, weil man weiß, dass jede stimmliche Nuance, aber auch jeder Fehler durch die Lautsprecher geht. Andererseits kann man dadurch genauer und intimer sein. In Kirchenbauten mit langem Nachhall bleibt für die Zuhörer sicher viel weniger solcher Nuancierung übrig. Ein Problem ist eher, wie wir uns hören, da wir kaum Rückhall aus der Riesenhalle bekommen. Da glaubt man manchmal, völlig ins Leere zu singen.

Pütters: Ich wünsche mir, dass nicht der Eindruck der Masse überwiegt, sondern der Vielfalt. So viele verschiedene Menschen vereinen sich in einem Werk, das ist doch auch beispielhaft.

Böhm: Darum kann so eine Mammutaufführung auch was Verbindendes haben, sie stärkt das Wir-Gefühl in einer guten Sache.

Das Sänger-Paar Pütters-Böhm genoss am Staatstheater höchste Popularität. Wie sieht euer musikalisches Leben heute aus?

Pütters: Ich singe vor allem Kirchenkonzerte. Ich unterrichte. Und ich engagiere mich in der Flüchtlingsarbeit der Albertus-Magnus-Gemeinde. Da ist immer Hilfe nötig bei Behördengängen, auch bei gefährlichen Verträgen, in die sie beim Online-Kauf gelockt werden. Dann wieder sucht man Wohnungen oder Möbel.

Böhm: Als Gesangs-Professor an der Musikhochschule in Hannover gebe ich meine Erfahrungen an junge Sänger weiter. Ich gastiere viel in der Kirchenmusik, etwa beim Kreuzchor und beim Thomanerchor, und nehme Gastengagements wahr, etwa demnächst in der Staatsoperette Dresden in Rimsky-Korsakows „Zar Saltan“ und Emmerich Kálmáns „Csardásfürstin“.

Karten von 10 bis 35 Euro gibt es bei der Konzertkasse und den Geschäftsstellen des BZV, Telefon (0531) 166 06, und bei den anderen bekannten Vorverkaufsstellen.