Braunschweig. Auf dem Schützenplatz nahe des Stadions wird ein Programm gezeigt, das keine Wünsche offen lässt.

Fast jeder Zirkus wirbt mit „Sensationen“, dieser bietet sie: Der „Weihnachtscircus“, der gerade auf dem Schützenplatz in Hannover gastiert, bringt eine große Zahl der weltbesten Zirkusartisten zusammen. Die Premiere endete am Mittwochabend mit stehenden Ovationen für diese großartige Truppe.

Im „Wheel of Death“ spazierten der Ire Tom Duffy und seine Partner so locker in schwindelerregender Höhe außen auf einem riesigen rotierenden Doppel-„Hamsterrad“ herum wie unsereiner am Salzgitter-Stichkanal – und taten es gerne auch zu zweit per Huckepack. Die Mesa Brothers aus Kolumbien zeigten auf dem Hochseil Halsbrecherisches bis zur Pyramide mit sieben Artisten; nur wenige auf der Welt trauen sich das.

Die äthiopische „Spinnenfrau“ Rich Metiku verdrehte sich so grotesk an Haupt und Gliedern, dass mancher im Publikum schon vom Zusehen „Rücken“ kriegte. Veronika Teslenko aus dem Ural wirbelte in großer Höhe virtuos an schmalen Bändern – da verlor im Vergleich jede olympische Turnübung ihren Schrecken. Die beiden kubanischen Kraftpakete Leosvel und Diosmani zeigten an der chinesischen Vertikal-Stange, dass nicht nur zierliche Asiaten die Illusion der Schwerelosigkeit vermitteln können.

Der ukrainische Equilibrist Anatoly Zalewsky demonstrierte perfekte Körperkontrolle, Kraft und poetischen Ausdruck – der Handstand als Weltkunst. Die rumänischen X-treme Brothers spotteten den Gesetzen der Hebelmechanik mit solcher Selbstverständlichkeit, dass die fittesten Sixpack-Besitzer im Publikum wohl am liebsten mit schlechtem Gewissen ins Trainingscamp enteilt wären.

Der ukrainische „Kraftclub“ inszenierte eine hinreißend choreografierte Artistik-Disco, die Kiewer Sängerin Nina Borovskaya setzte konzerttaugliche Kontrapunkte. Und Gabor Vosteen ist als in Hannover klassisch ausgebildeter Flötist so brillant, dass man ihm auch „einfach so“ gerne zugehört hätte – aber er spielte auf einer Handvoll Flöten gleichzeitig, via Mund und Nase – ein urkomischer Musik-Stunt.

Um das Tierwohl muss sich bei diesem glänzend inszenierten Zirkusereignis niemand sorgen. Es gibt keine, sieht man von dem „Bienchen“ ab, das der österreichisch-italienische Clown Fumagalli in einer zum Brüllen komischen Nummer verkörpert. In dieser tatsächlich sensationellen Truppe fielen die Nummern der Teslenko Jugglers und der Trapezartistin Darya Vintilova, die man in jedem „normalen“ Zirkusprogramm als herausragend empfunden hätte, fast ein wenig ab.

Was will Artistik einem Publikum noch bieten, das durch Hollywoods Trickspezialisten täglich das physikalisch Unmögliche vorgeführt bekommt? Diese Leistungsschau echter Menschen gibt eine sehr überzeugende Antwort.

Glücklicherweise sorgen bei diesem Winterzirkus ein solides Zelt, Schalensitze und gute Heizung für ausgezeichneten Komfort. Deshalb kann die Empfehlung nur lauten: Hingehen!

Übrigens hat auch in Braunschweig ein Winterzirkus seine Zelte aufgeschlagen. Premiere ist am Samstag, mehr dazu morgen.