Braunschweig. Birgit Pordzik und Dagmar Scharf engagieren sich auf Braunschweigs Weihnachtsmarkt für Unicef. Der Karten-Verkauf ist die wichtigste Einnahmequelle.

Die längsten drei Stunden ihres Lebens hat Birgit Pordzik an einem bitterkalten Samstagabend auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt durchlitten, ohne wärmenden Glühwein. „Es hatte minus 16 Grad. Die Finger waren so klamm, wir konnten das Wechselgeld kaum noch rausgeben.“

Pech gehabt. Eingeteilt ist eingeteilt. Wer krank ist, darf seine Verkaufsschicht im Unicef-Stand am Rathaus auch einmal absagen. Aber wenn sie nur auf einen besonders ungemütlichen Tag fällt, ist das kein hinreichender Fluchtgrund, da sind die Damen der Braunschweiger Unicef-Arbeitsgruppe und ihre Unterstützer in der Weihnachtszeit ziemlich eisern. „Für die Füße haben wir ja auch einen Heizlüfter. Meist ist es halb so wild“, wiegelt Birgit Pordzik ab.

Dagmar Scharf, Chefkoordinatorin für den Weihnachtsmarkt, hat schon lange begonnen, den Schichtplan für dieses Jahr auszuarbeiten, die Freiwilligen der vergangenen Jahre anzusprechen, neue Freiwillige zu gewinnen. Das diesjährige Karten-Angebot der Unicef-Zentrale muss gesichtet, das Sortiment bestellt und ausgezeichnet werden. Diesen Job erledigt Dagmar Scharf nebenher auch für die Weihnachtsmärkte in Goslar und im Wolfenbütteler Schloss.

Seit acht Jahren ist die Abbesbüttlerin in der Braunschweiger Unicef-Gruppe aktiv, die Organisation des Stands mit den Benefizkarten ist ihre Hauptaufgabe. „Ich weiß noch, wie ich im Dezember 2008 mit meinem Mann über den Markt schlenderte und mir das Unicef-Häuschen ins Auge fiel. Ich wusste gleich: Da will ich mitmachen“, erzählt sie.

Dagmar Scharf hatte sich damals als Finanzbeamtin beurlauben lassen. Die beiden Söhne waren aus dem Haus, „und ich wollte nun ein unabhängiges Leben führen und etwas Sinnvolles tun – am liebsten für Kinder“.

Bei Dagmar Porzik war es ähnlich. Sie engagiert sich bereits seit 15 Jahren in Braunschweig für Unicef, leitet nun seit Jahren die Arbeitsgruppe und das kleine Büro Am Neuen Petritor. Die Arbeit und die Philosophie von Unicef hatten sie schon lange fasziniert. „Ich finde den Ansatz gut, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Und ich wollte mich für die vielen Kinder engagieren, die nicht so behütet aufwachsen können wie meine Tochter Jessica.“

Das ganze Jahr über sind die derzeit 17 Braunschweiger Unicef-Frauen ehrenamtlich im Einsatz. Sie organisieren Benefiz-Konzerte, Ausstellungen, berichten in Kindergärten und Schulen über die Projekte von Unicef. Doch der wichtigste oder zumindest ertragreichste Einsatz ist der auf dem Weihnachtsmarkt. Bis zu 50 000 Euro Umsatz erwirtschaften die Ehrenamtlichen dann mit dem Verkauf von Grußkarten zugunsten des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen.

„Das deutsche Unicef-Komitee ist eines von wenigen, das am Kartenverkauf festhält“, sagt Birgit Pordzik. In anderen Ländern habe man die Aktion eingestellt – die Menschen schreiben keine Weihnachtskarten mehr. „Aber bei uns läuft es gut. Und wir haben nicht nur weihnachtliche, sondern auch Motive für viele andere Anlässe sowie Kalender im Angebot.“

1,80 Euro kostet die Einzelkarte, rund 15 Euro ein Zehnerpaket. Die Motive werden unentgeltlich von Künstlern gestaltet. Der Renner seien in den letzten Jahren die Karten gewesen, die Rocklegende Udo Lindenberg beigesteuert habe, erzählt Dagmar Scharf. „U.do fröhliche“ oder „U.do selige“ waren die lustigen Zeichnungen betitelt, die den Sänger im Weihnachtsbaum-Look zeigten. Das aktuelle Motiv lautet „Give Peace a Chance“ – wer sollte etwas dagegen haben?

Unicef feiert am 11. Dezember sein 70-jähriges Bestehen. Das Kinderhilfswerk war ursprünglich gegründet worden, um Kinder im kriegszerstörten Europa zu unterstützen. Die Benefiz-Karten werden seit 1949 verkauft. Den Anstoß dazu gab ein Bild, das ein rumänisches Mädchen aus Dankbarkeit für seine Unterstützung gemalt hatte. Die Unicef-Mitarbeiter waren so angetan davon, dass sie es als Weihnachtskarte drucken ließen.

Seit1969 werden Unicef-Karten auf dem Weihnachtsmarkt verkauft

Die Braunschweiger Unicef-Gruppe habe sich 1964 gegründet, erzählt Birgit Pordzik. Fünf Jahre später gab es zum ersten Mal einen Stand auf dem Weihnachtsmarkt. „Lange wurde dafür ein alter Brauereiwagen genutzt, der war unbeheizt und offen“, erinnert sich Pordzik. Seit einigen Jahren verkaufen die Unicef-Mitarbeiter aus einem Holzhäuschen heraus, das die Firma Holz-Brandt gestiftet hatte.

Rund 60 externe Freiwillige unterstützen die Unicef-Gruppe auf dem Weihnachtsmarkt, viele kommen von Organisationen wie den Rotariern, dem Kiwanis-Club und den Lions. Gearbeitet wird in Drei-Stunden-Schichten von 10 bis 21 Uhr – die letzte Schicht ist etwas kürzer.

Neben den Verkäufern gebe es noch viele weitere Helfer, betonen Portzik und Scharf. Das THW, das die Bude aufbaut, die Anhänger-Firma Kirsch, die beim Transport hilft, die Ehemänner, die netten Vermieter der Geschäftsstelle – und die Polizei, die ein ehemaliges Pförtnerhäuschen als Lager zur Verfügung stellt. Da lagern die Karten, mit deren Verkaufserlös dieses Jahr vor allem Flüchtlingskinder weltweit unterstützt werden sollen, vielleicht nicht warm – aber ziemlich sicher.