Würzburg. Die Region Spessart zwischen Aschaffenburg und Würzburg wird wiederentdeckt. Der größte Mischwald Europas bietet ein dichtes Netz an Wanderwegen.

Die Zeit rund um Schloss Mespelbrunn scheint seit 60 Jahren stehen geblieben zu sein. Wie in dem Kultfilm „Das Wirtshaus im Spessart“ spiegeln sich die Fassade, der Turm, das ehemalige Mühlengebäude und der umliegende Wald auf der Oberfläche des Schlossteiches – genau wie damals, im Jahr 1957, als der Film gedreht wurde und Liselotte Pulver (heute 87) als Comtesse zu Sandau hier ihren Räuberhauptmann versteckte.

Doch hinter den Schlossmauern hat sich allerhand getan. Das liegt an der jetzigen Besitzerin, Marie Antoinette Reichsgräfin von Ingelheim, Echterin von und zu Mespelbrunn und Freifrau Geyr von Schweppenburg. Zusammen mit ihrem Vater hat sie den Nordflügel und den Turm zum Museum gemacht. In der alten Mühle dürfen sogar Gäste wohnen.

Malerisch und farbenprächtig ist die Umgebung rund um das Schloss, vor allem im Spätherbst. Dann verwandelt sich der Laubwald bis zum Einsetzen der Winterstürme in ein Spektakel aus Gold, Rot, Braun und Restgrün. Buchen, Eichen, Walnussbäume und Kastanien schillern in verschiedenen Nuancen, die Fichten bleiben grün. Der wilde Wein am Schlossgemäuer und an vielen anderen Häusern in den umliegenden Dörfern wird blutrot. Der Indian Summer im Spessart, der Tourismusregion Räuberland, zu dem das Gebiet um Mespelbrunn zählt, verzaubert den größten Mischwald Europas.

In der Region warten mehr als

15 Burgen auf ihre Entdeckung

Das Naturspektakel kann es mit seinem berühmten Pendant in Nordamerika aufnehmen, sind Freunde dieser Region überzeugt. Es ist nur viel schneller zu erreichen und hat auch mehr zu bieten als Massachusetts: rund 15 Burgen, Schlösser, Klöster, Kirchen, romantische Fachwerkorte, kulinarische Köstlichkeiten, mehrere Hundert Wanderwege und die wohl größte Kunst- und Theaterdichte zwischen Würzburg und Aschaffenburg.

Der Räuberlandweg 3 ist die attraktivste, aber auch die längste Strecke unter den insgesamt drei Räuberlandwegen. Start ist an der St.-Martinus-Kirche im „staatlich anerkannten Erholungsort“ Heimbuchenthal. Sie wurde 2003 zu ihrem 250-jährigen Bestehen renoviert. Wegweiser führen auch ohne Wanderkarte zu den sehenswertesten Wanderzielen, beispielsweise zum Schloss Mespelbrunn selbst, zur Basilika Maria Schnee oder zur Kapelle Herrin der Berge. Unterwegs kann eingekehrt werden, zum Beispiel in den Restaurants Wiesengrund, Lamm oder Heimathenhof, wo es hervorragende Spinatknödel, köstlichen Hirschbraten und Wildbeerengrütze gibt.

Der Weg schlängelt sich durch dunklen Wald und war früher gefürchtet, weil fast jede Kutsche überfallen wurde. Das passierte im Spessart-Film ja auch Liselotte Pulver. Was früher abschreckte, wurde genau vor zehn Jahren als touristischer Nervenkitzel und Zauber entdeckt. Die Gemeinden Rothenbuch, Mespelbrunn, Heimbuchenthal, Leidersbach und Dammbach schlossen sich zum „Räuberland“ zusammen und schufen ein Wandernetz mit vielen Möglichkeiten: Wandern für Sportliche, für Rollstuhlfahrer, mit Kinderwagen, für Kulturfans. Es gibt Kultur-, Kulinarik- und Meditationstouren, Naturlehrpfade und die GPS-Tour sowie den Erlebnisweg mit Obelisken und Tierbegegnungen. Die lange Jahre etwas verschlafene Gegend ist aufgewacht.

Im Räuberland zu wandern, macht Lust auf mehr. Im letzten Teil des Räuberlandweges 3 gibt es Abzweigungen zum Europäischen Kulturweg und zu Nordic-Walking-Strecken. Alles in allem gehören acht Europastrecken und rund zwei Dutzend Touren zum Spessart-Wegenetz. Unter anderem führen sie zur Henneburg, der Wildenburg oder der Clingenburg über dem Main-Städtchen Klingenberg, wo jährlich zwischen Juni und August Open-Air-Festspiele stattfinden, 2018 bereits zum 25. Mal.

Krönender Abschluss jeder Spessart-Tour ist Bayerns wohl kleinste Theater- und Museumsstadt Aschaffenburg, vom Bayernkönig Ludwig I. wegen des milden Klimas das „bayerische Nizza“ genannt. Es gibt zwar keine Palmen, aber rund ein Dutzend Sprech-, Musik- und Kabarettbühnen, ein halbes Dutzend Museen und eines der prächtigsten deutschen Renaissance-Schlösser: Johannisberg. Dazu kommt eine 1000-jährige Altstadt mit der größten Kneipendichte im Land.