Almería. In Andalusien entstanden Filme von den 60ern bis in die Gegenwart – wie etwa „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Die meisten Cowboys sind lange weg, die hektischen Menschen mit Klappen, Kameras und Scheinwerfern – nach Übersee abgereist. Nur drei Pferde stehen an diesem Vormittag vorm Büro des Sheriffs, zwei Cowboys in langen Lederjacken harken mit Plastik-rechen Pferdemist zusammen. Einer stolpert, flucht auf Spanisch und schlurft in den Saloon mit frisch gestrichener Holzfront und Schwingtür. Ein paar Minuten später fährt die Postkutsche durchs Bild: auf Rundfahrt mit jubelnden Kindern. Es muss bessere Zeiten für Cowboys gegeben haben. Sogar in Andalusien.

Der Saloon ist geöffnet, zweimal am Tag gibt es Stuntshows

Auch die Indianer scheinen fortgezogen – aber auf Zuruf kehren sie zurück, sobald sich wieder Leute aus Hollywood ankündigen, jemand „Action!“ ruft und ein Handgeld an Statisten auszahlt. Wie damals, als die ganz Großen regelmäßig hier waren und Kameras fast im Dauerbetrieb surrten: Henry Fonda, Steve McQueen und Yul Brynner. Ihre Fotos hängen im Saloon, manche haben sie signiert. Sogar das Double von Harrison Ford ließ ein Autogramm da. Wenn gerade kein Kino-Western in der wüstenhaften Landschaft der andalusischen Provinz Almería gedreht wird, steht Fort Bravo Urlaubern offen – als eine von drei solchen Kulissenstädten in der Region um Tabernas, alle mit Hollywood-Karriere.

Deshalb ist der Saloon geöffnet, deshalb gibt es zweimal am Tag Stuntshows. Und deshalb hat irgendwer ein modernes Gebäude an den Rand der Szenerie bauen und einen Geldautomaten installieren lassen.

Die Landschaft doubelt Arizona, New Mexico, Nevada und Kalifornien perfekt: den Wilden Westen der USA. Die Häuschen von Fort Bravo aus Holz und Pappmaschee sind bloß das
i-Tüpfelchen. „Die Glorreichen Sieben“ wurden hier ebenso gedreht wie „Spiel mir das Lied vom Tod“. Später waren es „Die Daltons gegen Lucky Luke“ – und zwischendrin Italo-Western mit Terence Hill und Bud Spencer, zuletzt Bully Herbigs Parodie „Der Schuh des Manitu“.

Das nordöstliche Andalusien ist karg, wüstenhaft sogar, gebirgig, von Canyons durchzogen, mit Kakteen gespickt. Windräder thronen auf Türmen aus Holz oder Metall in den Tälern, sie helfen, Wasser aus Tiefbrunnen hinaufzubefördern, um Pferde zu tränken oder ein paar Bäume und einen Garten zu bewässern; die Steinhäuser sind flach, oft eingeschossig – und manches sieht nach allerlei Improvisation aus. Die Kulisse jedenfalls passt ohne viel Zutun für all das, was Regisseur Sergio Leone und seine Zunftkollegen drehen wollten. Es passt alles haargenau so ins Bild wie in den 60er- und 70er-Jahren. Nur haben Western gerade keine Hochkonjunktur.

Irgendwann kam ersatzweise Steven Spielberg und produzierte hier mit Sean Connery und Harrison Ford „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“. Das passte ebenfalls gut.

Nachts ist es so still, dass man sogar das Knistern der alten Glühlampenfäden in der Beleuchtung hört. Es ist vielerorts so finster, dass das Milchstraßenband viel klarer als anderswo zu sehen ist – so unglaubwürdig schön, so nah sogar, dass man glaubt, man müsste nur aus dem Schaukelstuhl aufstehen und könnte die Sterne einzeln vom Himmel heruntersammeln.

Stimmen gibt es nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr, Fahrgeräusche von Autos nur selten von irgendwo in der Ferne hinter den Kaktushecken. Dörfer haben Seltenheitswert, die Großstädte sind weit weg: Cordoba 320 Kilometer, Sevilla sogar 390, die Provinzhauptstadt Almería immerhin 30. Und keine Dreiviertelstunde sind die Strände zwischen Steilküsten und Buchten mit dem Auto vom Arbeitsplatz der Kulissen-Cowboys entfernt.