München. Wo Touristen südwestlich von München wandern, Rad fahren und raften können.

Türkis schimmert der Lech in seinem Flussbett. Dazu das Grün der Bäume, silbrige Kiesbänke, obendrüber der weiß-blaue Bayernhimmel. Das Bild, das sich an der Litzauer Schleife nahe dem bayerischen Schongau bietet, ist brillant.

Wandern entlang des Lech-Erlebnisweges – der Alpenfluss schlängelt sich rund 168 Kilometer auf deutschem Boden – bietet Natur, so schön, dass es fast kitschig ist. Und zeigt Oberbayern mal von einer anderen Wasserseite. Während meist Tegernsee, Chiemsee oder Starnberger See im Mittelpunkt stehen, gibt es südwestlich von München nämlich noch zahlreiche weitere interessante Ecken zu entdecken. Zu Fuß am Lech, mit dem Rad an der Amper oder im Rafting-Schlauchboot von Lenggries nach Bad Tölz.

Radweg wurde ausgebaut

und soll zertifiziert werden

Die Kleinstadt Fürstenfeldbruck, rund 30 S-Bahn-Minuten von München entfernt, ist ein lohnendes Ziel für Kulturinteressierte, die ein Herz fürs Radfahren haben. Hier lässt sich in den neuen Ammer-Amper-Radweg einsteigen. Als Route gibt es ihn schon seit 2001, aber inzwischen wurde in Beschilderung und Service investiert. „Wir hoffen auf die Vier-Sterne-Zertifizierung im August“, sagt Tourismussprecherin Claudia Metzner.

Vor dem Tritt in die Pedale empfiehlt sich ein Rundgang über das ehemalige Klostergelände. Blutrünstige Legende und Meisterwerk des Spätbarocks – in Fürstenfeldbruck werden damit die Sinne der Besucher angeregt. Im 13. Jahrhundert soll Ludwig der Strenge seine Frau Maria von Brabant enthauptet haben, wegen des – fälschlichen – Verdachts der Untreue. Zur Sühne ließ er ein
Zisterzienserkloster bauen. Im
17. und 18. Jahrhundert entstand die St.-Maria-Himmelfahrtskirche. „Eine einzigartige barocke Größe in unserer Gegend“, schwärmt Kunsthistorikerin Birgitta Klemenz, Archivarin vom Kloster Andechs, während der Besucher die Details in dem etwa 80 Meter langen Gotteshaus studiert. Profan ausgedrückt: Diese Kirche hat Wumms, überwiegend in Altrosa. Dem Rundgang über das reizvolle Klostergelände folgt ein Stopp im Klosterstüberl. Dort gibt es nicht nur köstlichen Fisch wie die einheimische Renke im lauschigen Gastgarten, sondern auch eine Ladestation für Pedelecs.

Mit einem solchen zusätzlich elektrisch angetriebenen Rad lässt sich die anschließende Tour entlang der Amper, des gemütlichen grünen Flusses aus dem Ammersee, auf die leichte Art genießen. Über kleine Wege und schmale Straßen, die gelegentlich große Verkehrsachsen kreuzen, geht es durch idyllische Auen und Ortschaften wie Schöngeising. Hier hat der Pfarrer vorm Gemeindehaus noch seinen eigenen Parkplatz, die Dorfjugend johlt beim Baden im Fluss.

Dass in dieser Ecke Bayerns die Kirche noch eine große Rolle spielt, wird unterwegs sichtbar. Oder wo sonst würde einem auf dem Radweg eine etwa 30-köpfige Pilgergruppe begegnen, die ein großes Holzkreuz voranträgt und das Ave Maria murmelt? Das Kloster Andechs, der älteste Wallfahrtsort Bayerns, ist nicht weit. Seit Beginn des 12. Jahrhunderts kommen Pilger auf den Heiligen Berg. Rund 30 000 sind es pro Jahr, die Zahl steigt, das Durchschnittsalter sinkt. Deutlich größer, etwa eine Million, ist die Menge der Touristen, die spektakuläre Aussicht mit Bier teilt man mit vielen.

Unten am Ammersee liegt eine gute Alternative: Die Terrasse vom Seehof in Herrsching ist ideal, um den Sonnenuntergang zu erleben.

Wer lieber zu Fuß entschleunigt, ist auf dem Lech-Erlebnisweg von Landsberg nach Füssen richtig. In fünf Etappen führt er bis zum Lechfall. Wir wählen eine kurze Strecke von der Schongauer Alm bis zur Litzauer Alm. Vorbei an Blumenwiesen und Weiden mit hellgrauen Rindern mit Puschelohren geht es durch den Wald zu einer Erlebnisstation mit Informationen zu Historie und Natur. Der Info-Kasten enthält eine Fotografie aus dem Jahr 1959 – sie liegt transparent über dem echten Flusspanorama dahinter und zeigt dieselbe Ansicht von einst.

„Durch die Stauseen für die Kraftwerke sind Kiesbänke verschwunden, die Artenvielfalt verringert sich“, erklärt Gebietsbetreuer Stephan Jüstl. Vorbei die Zeit, als die wilden Wasser aus den österreichischen Alpen Edelweißsämlinge mitbrachten und die Flussufer-Wolfsspinne hier logierte. Stattdessen bietet etwas flussaufwärts der aufgestaute Lechsee hohen Freizeitwert, etwa im Feriendorf Via Claudia, nahe dem Dörfchen Urspring.

Im Neoprenanzug in die Fluten

der kühlen Isar stürzen

Den örtlichen Machern wie etwa Susanne Lengger vom Pfaffen-Winkel-Tourismus liegt die Verbindung von Erholung, Ökologie und Geschichte am Herz. Ein gutes Beispiel dafür ist die „Erlebnis-Lechflößerei“: Rund eineinhalb Stunden dauert die gemütliche Fahrt mit einem historischen Fernhandelsfloß vom Schongauer Lechsee durch seine fjordartigen Abschnitte am mittleren Lechtal. Während die Lechflößer in beschaulichem Tempo unterwegs sind, darf es in Lenggries auf der Isar etwas flotter sein. Zu zehnt in einem Boot plus zwei Guides: Das ist das Team, das sich in dem großen Zodiac in Bewegung setzt. Alle ausgerüstet mit Neoprenanzügen und Schwimmwesten, von Montevia-Chef Martin Held sicherheitstechnisch eingewiesen: „Wenn ihr reinspringt, keine Kerze und keinen Kopfsprung!“ Wer auf seine Anweisungen hört, wird in den nächsten Stunden ein nasses Abenteuer mit Blick auf die bayerischen Berge haben. „Paddeln, paddeln!“: Auf Kommando gibt die Gruppe alles, um über die Stromschnellen an der sogenannten Isar-Burg zu kommen. Man darf sogar ein Stück zurückgehen und sich dann in die eiskalten Fluten stürzen, die durch das Neopren plötzlich nur noch angenehm kühlen. Nach ruhigeren Fahrminuten kommt das Angebot von Guide Martin: „Wer mag jetzt reinhupfen?“ Ein Sprung, und schon geht die Strömungsreise los!

Im perfekten Tempo trägt einen das Wasser etwa 100 Meter, aber dann – Hilfe! – ist das Boot am Ufer weit weg, zu weit für die Schwimmerin. Da kommt schon der „Leinensack“ angeflogen. Schnell die Leine gepackt, dann zieht Martin den Isar-Passagier zurück ins Gruppenboot. Bei lustigen Spielchen geht noch mancher über Bord, bis am Ende bei Bad Tölz der Ausstieg wartet. Viel zu früh, da sind sich alle einig – egal, ob flotte ältere Berlinerin oder junger Einheimischer aus München.