Ponta Delgada. Die Atlantikinseln bieten viel Natur, aber auch Kultur und Geschichte.

Grün so weit das Auge reicht. In allen Schattierungen. Dunkelgrüne Bäume und hellgrüne Wiesen, getrennt durch aufgestapelte Natursteinmauern als Windschutz, umgeben eine riesige mattgrüne Fläche, den Kratersee Lagoa das Furnas. Er ist einer der größten auf São Miguel, der Hauptinsel der Azoren. Hier und da liegen kleinere Quintas, Fincas, die auch B & B für Touristen anbieten.

Serafina Silva, unsere Reiseleiterin, ist in ihrem Element. Schon als Kind war sie oft hier mit ihrer großen Familie, und noch heute ist der erloschene Kratersee bei vielen Einheimischen und Touristen ein beliebtes Ausflugsziel. Es dampft aus dem Boden, riecht nach Schwefel, der mit heißen Quellen an die Oberfläche gebracht wird. Serafina verweist auf die Schilder, die in manchen Hügeln stecken. „Hier seht ihr genau, welche Kochstelle von welchem Koch betreut wird“, sagt sie mit ihrer kräftigen Stimme. Kochstelle?

Serafina lüftet das Geheimnis, erzählt vom Cozido das Caldeiras, dem traditionellen Eintopf, der mit Fleisch und Gemüse gefüllt etwa einen Meter tief im Erdreich gart. Ohne Wasser, nur durch den heißen Dampf, bis zu sechs Stunden. Der große Topf wird dann von zwei Männern aus dem Erdreich geholt, der schmackhafte Inhalt reicht gut für zehn Personen. Ein Erlebnis, und schon nach dieser ersten Wanderung und dem üppigen Essen spürt der Gast, wie hier mit und durch die Natur gelebt wird.

Dass hier alles etwas langsamer zugeht, merkt man deutlich, wenn in den Dörfern die typische eineinhalb Stunden lange Mittagspause gepflegt wird. Eine Tradition, die dem Massentourismus entgegenwirkt, den man auf den Inseln aber auch nicht haben möchte.

Auf São Miguel gibt es die einzigen Teeplantagen Europas

Der warme Golfstrom sorgt für ein eher ausgeglichenes Klima, das die neun Inseln, die zu Portugal gehören, zu einem ganzjährigen Reiseziel macht. Das milde und feuchte Klima sorgt auch dafür, dass es hier, auf São Miguel, die einzigen Teeplantagen Europas gibt. Einst waren es 62 Betriebe, heute findet man auf São Miguel die beiden letzten Teeplantagen, Chá Gorreana und Chá Porto Formoso. Schon der nächste Tag zeigt uns das typische Wetterbild der Inseln. Es sind um die 23 Grad Celsius, die Luft ist feucht, aber nicht schwül. Wir wandern. Unser Ziel ist der Lagoa Azul. Sind solche Wege daheim mit Brennnesseln und Giersch gesäumt, erlebt der Wanderer hier eine weiße Hortensienpracht.

Ganz anders wieder das Wetter am darauffolgenden Tag. Die Sonne knallt, und wir wünschen uns eine schützende Wolke. Sonnengebräunt ist auch das Gesicht von Fischer Paulo Silva, der täglich zwischen 15 und 20 Kilogramm Fische fängt, in der Regel Barrakuda, Schwertfisch und Gabeldorsch, die anschließend auf dem Fischmarkt der Hauptstadt Ponta Delgada verkauft werden. Ein hartes Geschäft.

Und wie es Paulo mit seinen
Fischen geht, so geht es uns bei der anschließenden Wal- und Delfinbeobachtung im Zodiac von Miguel Cravinho. Es ist Glückssache. Aber wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Fleck, denn diverse Delfine begleiten unser Boot.

Den Nachmittag verbringen wir in der Hauptstadt der Azoren. Ihr Stadtbild ist geprägt von weiß verputzten Häusern, deren Hauskanten aus dunklem Lavagestein dem Gebäude seine Form geben und sehr gut mit der Renaissancearchitektur harmonieren. Dazwischen laden kleine Plätze mit Cafés zu einer Pause ein.

Und schon beim Besuch von nur einer Kirche merkt man sofort, welcher Wohlstand hier einst mal vertreten war – die kunstvoll geschnitzten Altäre waren nicht nur vergoldet, sondern auch die gesamten Nischen bildeten mit dem Gold der Altäre eine Einheit. Das wertvolle Blattgold aus der damaligen Kolonie Brasilien wurde auch hier verarbeitet, teilweise mit den typisch blauen, portugiesischen Fliesen kombiniert. Interessant – so farbenprächtig die Natur ist, so üppig sind auch die Kirchen auf diesen neun kleinen Inseln weit draußen im Atlantik.