Mogán. Abseits der Strände hält Gran Canaria manche Überraschung bereit. Die Insel ist ein Paradies für Mountainbiker.

Wandern auf Gran Canaria? Ungläubig schaut mich die junge Frau aus Hamburg an. „Ich bin hier, um zu relaxen und um richtig braun zu werden“, sagt sie und dreht sich auf ihrer Sonnenliege um. Wir sind in Maspalomas, im Süden der Insel, liegen am Hotelpool und genießen das Nichtstun. Doch morgen soll alles anders werden. Wir wollen die grüne Seite Gran Canarias kennen lernen.

Punkt neun Uhr steht Heiko mit seinem Minibus in der Hotelauffahrt. Der 48-Jährige stammt aus dem Saarland und hat sich vor zwölf Jahren auf den Kanaren niedergelassen. Bergtouren sind seine Spezialität. Über die neue Autobahn geht es zu dem kleinen Hafen- und Ferienort Puerto de Mogán. Hier endet die touristische Zone der Insel. Schon der Hauptort Mogán, eine Viertelstunde von der Küste entfernt, liegt in einem der fruchtbarsten und reizvollsten Täler Gran Canarias. In den Gärten reifen Zitronen, Mangos, Papayas, Auberginen, Tomaten und Bananen.

Eine etablierte Wander-und Landtourismus-Insel

„Das Hinterland unserer Insel wird immer beliebter“, hatte uns zuvor Fernando Arias Texeira vom Tourismusamt berichtet. „Seit
15 Jahren wird das Thema Turismo Rural bei uns großgeschrieben. Heute ist Gran Canaria eine etablierte Wander- und Landtourismus-Insel.“ Es gibt 200 offizielle kleine Landhotels, Landhäuser und Fincas. Die meisten Gäste kommen aus Deutschland und Holland.

„Sie wandern oder erkunden mit dem Fahrrad die Landschaft“, sagt Verónica Alemán vom Verband Gran Canaria Natural & Active. Auf der Insel sind mehr als 300 Kilometer Wanderwege ausgeschildert, vom anspruchsvollen Königsweg bis zum Eselspfad. Zum internationalen Wander-event Gran Canaria Walking Festival Anfang November 2016 kamen rund 800 Teilnehmer aus
19 Ländern. Nicht nur zu Fuß, sondern auch mit dem Rad kann die Insel erkundet werden. Das bergige Zentrum gilt als Paradies für Mountainbiker. Acht offizielle Fahrradrouten werden vom Tourismusamt angeboten.

Die schwierigste Tour ist wohl der Aufstieg zum Pico de las Nieves, mit 1949 Metern der höchste
Gipfel Gran Canarias. Die Königin unter den Etappen, 23 Kilometer lang, teilweise aber mit einer Steigung von mehr 20 Prozent.

Unsere Fahrt mit dem Minibus geht weiter. Der nächste Stopp ist oberhalb des Stausees Mulato. Von hier oben haben wir einen herrlichen Blick auf den See, der eingebettet in der Schlucht liegt. Er ist einer von 63 Stauseen, die als Wasserspeicher für die Obstplantagen und Gemüsefelder dienen. Denn auf Gran Canaria regnet es selten.

Wir kommen nach Ayacata. Ein kleines Bergdorf mit ein paar Häusern, einer Kirche und einer Bar. Hier starten viele Touren. Die beiden Felsmonolithen Roque Nublo (1813 m) und Roque Bentayga (1415 m) sind nicht weit entfernt. Der Nublo gilt als Wahrzeichen der Insel, der Bentayga wird als heiliger Berg verehrt, ein Ort voller Magie.

Die Flora auf den kanarischen Inseln, insbesondere auf Gran Canaria, gilt als einzigartig auf der Welt. Es gibt 500 Pflanzenarten, die hier wachsen. Etwa 100 Arten gedeihen nur auf der Insel. Wir kommen vorbei an einem Drachenbaum, bewundern das Sonnenröschen und den behaarten Ginster und entdecken am Gehweg seltenes Mutterkraut.

Oft beginnt die Mandelblüte schon ab Ende Dezember

Aber auch die Kiefern fühlen sich auf der Insel zu Hause. Das größte Waldgebiet ist der Pinar de Tamadaba im Westen von Gran Canaria. Ein Naturreservat auf dem Berg Tamadaba (1444 m). Ein idealer Ort zum Wandern mit vielen schattigen Plätzen. Zwei der schönsten Monate zum Wandern auf Gran Canaria sind der Januar und Februar während der Mandelblüte. Sehr oft beginnt dieses Naturschauspiel schon Ende Dezember. Nicht so zahlreich vertreten wie die Pflanzen sind die Tiere. Es gibt so gut wie keine großen Wirbeltiere. Geckos und Spitzmaus sind sozusagen die einzigen Vertreter. Doch allzeit präsent sind Vögel. 48 Vogelarten nisten hier. Vom Kanarischen Buntspecht bis zum Gran Canaria Blaufink, der in den Kiefernwäldern zu Hause ist. Kurzer Halt in Tejeda. Auf 1000 Meter Höhe, eines der kleinsten Dörfer der Insel, aber mit seinen weißen Häusern wohl auch eines der schönsten Spaniens. Es gibt ein paar Geschäfte, die lokale Produkte anbieten: Marzipan, Honig und Mandeln. Ein Muss ist die Mandelbäckerei.

Der Honig, so verrät uns eine ältere Spanierin, sei aber noch besser in Cruz de Tejeda. „Verlangen Sie den Berghonig“, rät sie. Er sei sehr gesund und täte vor allem dem Herzen gut. Also gut, auf nach Cruz de Tejeda. Die Fahrt dauert nur eine Viertelstunde. Wir kommen am Parador de Cruz de Tejeda vorbei, der sich für einen Aufenthalt anbietet. Zwei Wanderer kommen daher. Wir schließen uns an, begleiten beide zwei Stunden und laden sie anschließend zu einem Espresso ein. Übrigens: Den Honig haben wir probiert. Er schmeckt wirklich köstlich.

Am späten Nachmittag kommen wir in Atenara an. In dem Ort leben viele der 1200 Einwohner in den zahlreichen Höhlenwohnungen. Auf Gran Canaria wohnen noch etwa 2000 Menschen ganzjährig in Höhlen, weitere 7000 nutzen sie als Wochenendunterkunft. Heiko, unser Reiseführer, kennt einen der Höhlenbewohner. Wir dürfen uns eine Behausung ansehen und stellen fest: Auch ohne Fenster kann es sehr gemütlich sein. Miquel lebt hier mit seiner Frau, die Kinder sind in die Hauptstadt Las Palmas gezogen. Am Wochenende kommen sie mit den Enkelkindern. „Dann genießen alle die Ruhe bei uns und die schöne Natur“, sagt Miquel.

Über Santa Maria de Guia, einen Ort, der für seine schönen Gebäude bekannt ist, geht es zurück über Las Palmas an die Küste nach Maspalomas. Doch wir sind uns alle einig: Beim nächsten Besuch der Insel, die uns immer wieder mit dem „besten Klima der Welt“ lockt, geht es für ein paar Tage ins grüne Hinterland.