Rio de Janeiro. Nach Olympia lockt die brasilianische Stadt mit vielen Aktivitäten und schöner Natur.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, ganz besonders aber einem Anfang wie diesem. Tief unter einem beginnen in der Dämmerung die Lichter der Stadt zu flackern. Die Sonne verglüht als blutroter Feuerball am Horizont. Man steht hoch oben auf dem Gipfel des Corcovado, wird umweht vom Gemurmel der Besucher.

Über einem empfängt Cristo Redentor, die gewaltige Jesusstatue aus Beton, Gäste der Stadt mit offenen Armen. Das gigantische Monument – 30 Meter Stahlbeton auf einem Sockel von acht Metern Höhe – ist ein Wahrzeichen der Metropole und thront auf einem Felssporn über der Stadt.

Wer von der Aussichtsplattform auf Rio de Janeiro hinunterblickt, für den breitet Brasiliens schönste Metropole als Willkommensgruß all das aus, was sie in der ganzen Welt berühmt gemacht hat.

In der weiten Guanabara-Bucht erhebt sich der Zuckerhut mit seiner gläsernen Gondelbahn. In der Altstadt, in den Gassen der Viertel Lapa und Santa Teresa, öffnen jetzt unzählige Bars und Clubs: Nicht nur im Karneval wird hier gefeiert, als gäbe es kein Morgen. Auch die berühmten Strände sind noch belebt. An der Copacabana trifft man selbst um Mitternacht noch gestählte Fußballer.

Nebenan liegt der heimliche Konkurrent, Heimat der hübschen Boys und Girls von Ipanema. Auf der anderen Seite der Metropole glänzt im Scheinwerferlicht eine Kultstätte des Fußballs: das Stadion Maracanã. Rio hat sich trotz angespannter Finanzlage herausgeputzt für die Olympischen Spiele. Davon profitiert man immer noch. Dem Sport sind Rios Bewohner, die Cariocas, in inniger Leidenschaft verbunden: In keiner anderen Stadt der Welt scheinen die Menschen so auf ihr Aussehen bedacht zu sein wie hier. „Auch bei uns haben natürlich nicht alle Leute die Maße eines Models oder eines Athleten“, meint Sérgio Tavares, der Sportwissenschaft an der Universität von Rio lehrt. „Doch der Körperkult gehört einfach zur Stadt dazu.“

Weite Teile der Armenviertel,

der Favelas, sind heute befriedet

Trotzdem geht kaum jemand ins Fitnessstudio. Rio ist von der Natur so gesegnet, dass die Cariocas das ganze Jahr lang unter freiem Himmel Sport treiben können. Etwa 40 Kilometer lang sind die Strände im Stadtgebiet: Hier wird Beachtennis und Volleyball, Fußball und Frisbee gespielt, dann geht es zum Abkühlen ins Schaumbad des Atlantiks. Die Uferpromenaden säumen Fitnessgeräte, die von Alt und Jung für Klimmzüge genutzt werden. Jogger und Walker drehen Runde um Runde und strampeln dann auf einem der vielen Leihfahrräder zur Arbeit.

Zum Surfen fahren die Wellenreiter in die Buchten von Prainha und Itacoatiara. Die meisten Kite-Surfer trifft man am windigen Strand von Barra, wo sich auch das Olympische Dorf befand, und im Barra Blue Beach Club, das „Deutsche Haus“ der deutschen Olympiamannschaft. Wanderer und Kletterer erklimmen den 394 Meter hohen Zuckerhut, statt sich in der Gondel nach oben bringen zu lassen – je nach Erfahrung und Kondition gibt es leichtere und schwerere Routen.

Inzwischen werden auch die Gipfel der markanten Felsen hinter der Innenstadt ins Visier genommen. „Viele Besucher wissen nicht, dass es mitten in Rio auch einen Nationalpark gibt“, erzählt Sérgio Tavares. Neben seinem Lehrauftrag führt er mit seiner Firma Rio Ecoesporte Interessierte durch das Schutzgebiet. „Ob Pico da Tijuca oder Pedra da Gávea: Viele der Hügel kann man als Wanderer erkunden.“ Das gilt auch für den 700 Meter hohen Corcovado mit der Christusstatue: Drei Stunden dauert die Tour vom Parque Lage bis zum Aussichtspunkt, vorbei an Wasserfällen und wild wuchernden Mango- und Jackfruchtbäumen.

In Niterói huldigt man dem Architekten Oscar Niemeyer: Der Meister des Modernismus baute hier nicht nur ein Volkstheater, sondern auch ein Museum für zeitgenössische Kunst, das wie ein Ufo auf einer Klippe gelandet ist. Das alte Hafenareal, früher eine gefährliche No-go-Area, wird in großem Stil umgestaltet und hat mit dem Museu do Amanhã ein neues Wahrzeichen bekommen.

An der Copacabana bietet das 1923 erbaute Hotel Copacabana Palace wieder Glamour und Style wie zu Zeiten von Fred Astaire und Ginger Rogers, die hier einst den Musicalfilm „Flying down to Rio“ drehten. Samstags kann man hier beim Mittagessen das brasilianische Nationalgericht probieren, den Eintopf Feijoada. „Ursprünglich haben die Leute auch Schweineohren, Rüssel und Pfötchen gekocht“, erzählt der Chefkoch Pierre-Olivier Petit. Dann grinst er, denn er weiß um die Wirkung seiner Worte. „Keine Angst: Wir haben das Rezept behutsam modernisiert.“

Der rührige Franzose schätzt als Pendler zwischen den Kontinenten nicht nur die klassische europäische Küchentradition, sondern auch den neuen Fusion-Stil in Südamerika. „Früher gab’s hier vor allem satte Steaks. Doch Rio de Janeiro hat sich nun auch zu einer kulinarischen Trendmetropole entwickelt: Brasilien ist riesig und hat eine unglaubliche Auswahl an Produkten, die man anderswo noch nicht kennt“, meint er. Sein Tipp ist die Kneipe Aconchego Carioca, wo Chefin Bianca Barbosa die Spezialitäten des Landes als Tapas auf den Tisch bringt. Dazu gibt es die Kreationen der lokalen Craft-Beer-Produzenten zu trinken, die ihr Bier mit Acai-Beere, Cashewnuss oder Mangogeschmack brauen.

Doch es gibt auch deutlich weniger schicke Ecken. In den Favelas hinter den Boulevards kleben die Häuser wie eine Kolonie von Schwalbennestern an den Hügeln. Drogenhandel, Schießereien, Raubüberfälle: „Noch vor ein paar Jahren konnte man Besucher nicht in die Armenviertel schicken. Es war schlicht und einfach viel zu gefährlich“, erzählt Sérgio Bloch. Der Regisseur dreht hier seit Langem Filme und dokumentiert inzwischen den positiven Wandel: Viele Gegenden wurden in letzter Zeit befriedet. Zwar gibt es auch immer wieder Rückschläge und Zusammenstöße mit der Polizei. Sérgio Bloch hat trotzdem ein Experiment gewagt und zwei gastronomische Führer für die Favelas von Rio de Janeiro herausgegeben. Die Bücher haben sich zum Renner entwickelt: In einem Dutzend Viertel wurden Bars und Restaurants ausgewählt und beschrieben – die erleben nun einen Ansturm von Einheimischen und Touristen.

Günstige Drinks gibt es

im Hipster-Viertel Santa Teresa

„Traditionelle Gerichte sind hier oft besser. Und die Drinks viel billiger“, sagt der Regisseur. Bestes Beispiel ist die Bar do Tino auf dem Morro dos Prazeres hoch über dem Hipster-Viertel Santa Teresa. Hausherr Leandro Santana mariniert seine Hühnchen nach einem Geheimrezept. Frisch gegrillt kommt das Fleisch auf den Tisch, zusammen mit Maniokmehl, schwarzen Bohnen und weißem Reis. Matetee wie früher trinken dazu aber die wenigsten Gäste. Der atemberaubende Ausblick auf die Stadt, auf Zuckerhut und Christusstatue, verlangt nach einem eiskalten Durstlöscher. Und dann mixt Leandro Santana auch noch einen Zuckerrohrschnaps mit Limetten und Zucker – den berühmten Caipirinha.