Braunschweig. Reza Asghari will den Westen wachrütteln. Das Atomabkommen sei komplett gescheitert, die Gefahr für Israel entsprechend groß.

Prof. Reza Asghari lehrt an der TU Braunschweig und an der Ostfalia. Ein Interview über die Politik in seinem Heimatland.

Bei dem Stichwort „Iranisches Atomprogramm“ rollen einige gleich mit den Augen. Never Ending Story, superkompliziert. Sie aber sagen: Das ist wichtig, damit sollten wir uns alle befassen. Warum denken Sie das?

Reza Asghari lehrt an der TU Braunschweig und der Ostfalia.
Reza Asghari lehrt an der TU Braunschweig und der Ostfalia. © regios24 (Archiv) | Darius Simka

Ich möchte vorab kurz auf die politische Konstellation im Iran eingehen. Die hat sich in den letzten Jahren dramatisch zugunsten der radikalen Kräfte verändert. Als der Westen zur Zeit der Obama-Präsidentschaft mit dem Iran verhandelte, also vor 2016, hatten gemäßigte Politiker in Teheran noch einigen Einfluss. Davon kann keine Rede mehr sein. Der Machtapparat wurde von gemäßigten Leuten „gesäubert“. Aktive oder ehemalige Mitglieder der Revolutionsgarden sind in der Zentralregierung, aber auch in den Provinzregierungen maßgeblich. Die Revolutionsgarden haben ihren Einfluss auf die Unterdrückung der Gesellschaft noch weiter erhöht und bestimmen die außenpolitische Agenda. Die Staatsräson ist, dass Israel ausradiert werden muss. Und dabei spielt die Unterstützung von Satellitenarmeen eine große Rolle: die Hisbollah, die Hamas, die Huthi, aber auch eine Armee im Irak. Alle diese Organisationen haben nichts anderes im Sinn, als den Staat Israel zu vernichten. Dazu muss man wissen, dass die erfolgreichen israelischen Bemühungen im Rahmen des Abraham-Abkommens um Friedens- und Wirtschaftsverträge mit arabischen Staaten in Teheran die Alarmglocken läuten ließen. Die Rolle des islamistischen Regimes drohte deutlich geschwächt zu werden. Deshalb bekam die Hamas den Auftrag, den bestialischen Angriff auf Israel am 7. Oktober auszuführen. Vor diesem Hintergrund ist klar, dass es ein enormes Risiko wäre, wenn das Regime sein Ziel erreichen sollte, über Atomtechnologie und dann auch über Atomwaffen zu verfügen.

Meinen Sie, dass dieses Ziel erreicht werden kann?

Das meine nicht nur ich. Rafael Grossi, der Direktor der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO, sagte jetzt, es sei keine Frage von Monaten, sondern von Wochen, wann es im Iran gelingt, Uran auf eine Weise anzureichern, wie das für den Bau der Atombombe notwendig ist. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses Roderich Kiesewetter hat auf diese Gefahr hingewiesen. Wir müssen davon ausgehen, dass das Regime in Teheran mit voller Konzentration an der Atombombe arbeitet.

Damit könnte es international viel mehr Druck ausüben, richtig?

Ja, Atomwaffen wären ein gutes Argument, den hegemonialen Machtanspruch des Regimes in der islamischen Welt zu unterstreichen. Zudem will man sich unbesiegbar machen, so wie die Nordkoreaner es versuchen, wozu passt, dass Donnerstag eine große Delegation aus Nordkorea in Teheran eingetroffen ist. Da soll die Zusammenarbeit intensiviert werden. Man muss wissen, dass es zwei große Atomanlagen im Iran gibt, eine oberirdische, da geht es um die zivile Nutzung – und eine unterirdische. Internationale Behörden haben hier keinen Zugang mehr, das ist vorbei.

Da stellt sich die Frage, ob das von den USA vorangetriebene Atomabkommen – also fürs Entgegenkommen in dieser Sache die Wirtschaftssanktionen aufzuheben - von vornherein falsch war. Wie sehen Sie das?

Ich würde es nicht so absolut sagen. Es war ein guter erster Schritt. Doch man wusste nicht, dass die Verhandlungspartner im Iran nicht die Macht hatten, die Ergebnisse in ihrem Land langfristig durchzusetzen. Man muss bedenken, dass die Führung in Teheran alles andere als vertragstreu ist. Damals hat man Zugeständnisse gemacht, weil die Sanktionen wirklich schwere Folgen hatten. Man war kaum in der Lage, das Erdöl zu verkaufen. Heute ist die Situation eine andere: Der Iran verkauft 80 Prozent des Erdöls nach China. Und das Regime hat einen furchtbaren Krieg im Nahen Osten losgetreten. Die Behauptung der Mullahs, sie hätten vom Angriff der Hamas auf Israel nichts gewusst, halte ich für eine glatte Lüge. Wir dürfen sowieso nicht alles glauben, was Teheran gesagt. Die Mullahs predigen Moral, doch sie verhalten sich ganz anders. Im Westen muss man sich überlegen: Wollen wir das tatsächlich hinnehmen, dass ein solches Regime über so furchterregende Waffen verfügt?

Ich nehme an, dass Sie die Frage verneinen…

Ja, das tue ich. Und an dieser Stelle sehe ich auch die Politik von Joe Biden kritisch. Die USA sind die einzige Macht, die die Routen von Öltankern und damit den Verkauf des Erdöls wirklich überwachen und also auch kontrollieren könnte. Doch die USA kümmern sich darum derzeit nicht intensiv. Man schätzt, dass dieser Verkauf dem Regime pro Jahr 30 Milliarden Dollar einträgt – und dieses Geld kommt leider nicht dem notleidenden iranischen Volk zugute, sondern dem Terror, der Aufrüstung und besonders dem Aufbau der Atomtechnologie.