Gastkommentar. Einige Politiker sollten sich fragen, ob sie sich über jede Fake News aufregen müssen. Kurzfristig bringt das Applaus, am Ende freut sich der Lügner.

Dieser Gastkommentar ist eigentlich nicht für Sie gedacht. Als Leserin bzw. Leser einer seriösen Tageszeitung haben Sie die besten Helfer, die man sich gegen Fake News wünschen kann: Journalisten. Journalisten recherchieren, hinterfragen kritisch und prüfen Fakten. Sie decken vielleicht nicht jede Fake News auf, aber guter Journalismus ist immer noch die wirksamste Medizin gegen Lügen.

Warum wird dann überall vor Fake News gewarnt? Drei Dinge kommen in diesen Tagen zusammen. Erstens sind es die vielen Lügen im amerikanischen Wahlkampf, die Donald Trump zwar nicht zum Präsidenten gemacht haben, deren öffentliche Entlarvung ihn aber auch nicht verhindert haben. Zweitens ist es die Angst, dass wir Deutschen im bevorstehenden Bundestagswahlkampf zu Opfern von Fake News werden. Denn drittens gibt es mit den Rechtspopulisten und Putins Russland mindestens zwei Kandidaten, denen viele den gezielten Einsatz von Fake News zutrauen.

Wie viele Menschen Fake News erreichen können, haben sie im amerikanischen Wahlkampf bewiesen. Die 20 erfolgreichsten Fake News auf Facebook wurden häufiger geteilt und geliked als die 20 erfolgreichsten „echten“ News. Das beweist eindrucksvoll, wie leicht es ungeprüfte Informationen in den sozialen Netzwerken haben, mit Hilfe von Bots, Agitatoren und Leichtgläubigen viele Menschen zu erreichen. Dennoch dürfte die Gefahr durch Facebook-Lügengeschichten in Deutschland überschaubar sein. Denn die allermeisten Facebook-Nutzer informieren sich immer noch vor allem durch klassische Medien. Viel gefährlicher sind Fake News, weil sie auch erfolgreich sein können, wenn sie als Lüge entlarvt wurden. Auch hierfür gibt es zwei Schlagwörter. Das erste sind „alternative Fakten“, die bei der Brexit-Abstimmung im vergangenen Jahr eine wichtige Rolle gespielt haben. Diese Lügen sind zwar als Lügen öffentlich benannt worden, sie verhinderten aber eine auf Fakten basierende Diskussion. Am Ende wurde keiner Zahl und keinem Experten mehr geglaubt.

Der andere Begriff ist die Provokation. „Du benutzt gerade Nazi-Methoden!“ Mit dieser offenkundigen Lüge beschimpfte der türkische Staatspräsident jüngst die Bundeskanzlerin. Er erreichte damit sein Ziel: Ein Sturm der Entrüstung bei vielen deutschen Politikern und Medien, die Erdogan zur Mäßigung aufriefen – und eine Welle der Solidarisierung mit Erdogan bei vielen Türken auslösten.

In beiden Fällen helfen keine Ratgeber, wie Fake News erkannt werden können. Hier braucht es vor allem verantwortungsvolle Politiker und Journalisten. Journalisten sollten alternative Fakten als das benennen, was sie sind: eine Lüge, die es nicht verdient hat, gleichberechtigt neben geprüften Fakten zu stehen. Und sie sollten (selbst)kritisch prüfen, ob sie über jede provokante Lüge berichten müssen, die z.B. die AfD immer wieder geschickt einsetzt. Einige Politiker sollten sich fragen, ob sie sich über jede Fake News aufregen müssen. Kurzfristig bringt das Applaus von den eigenen Rängen, am Ende freut sich meist der Lügner. Manchmal ist Schweigen das wirksamere Mittel gegen Fake News.