Berlin. Der Justizminister plant, die Vergütung von Vorständen an das Durchschnittsgehalt der Kollegen zu koppeln – und das noch vor der Wahl.

Bis vor wenigen Tagen war der Name Christine Hohmann-Denhardt in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Dass sich die Juristin dann quasi über Nacht in den Schlagzeilen wiederfand, lag daran, dass die 66-Jährige auf spektakuläre Weise aus dem Vorstand des VW-Konzerns ausgeschieden war. Nach wenig mehr als einem Jahr, in dem Hohmann-Denhardt in Wolfsburg für das Ressort „Integrität und Recht“ verantwortlich war, trennten sich beide Seiten. Der Preis: zwölf Millionen Euro Abfindung für 13 Monate Arbeit.

Vor diesem Hintergrund hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nun „klare gesetzliche Vorgaben für die Höhe von Managergehältern“ angekündigt. sagte er unserer Redaktion. Er werde die SPD Bundestagsfraktion dabei unterstützen, noch im März einen Gesetzentwurf dazu vorzulegen.

Die Sozialdemokraten sind unter Handlungsdruck, weil Hohmann-Denhardt selbst SPD-Mitglied ist. Sie war viele Jahre Ministerin in Hessen, bevor sie Richterin am Bundesverfassungsgericht wurde und 2011 in die Autoindustrie wechselte, zunächst zu Daimler. Damit nicht genug: Im Aufsichtsrat von VW, der ihren Vertrag absegnete, sitzen die SPD-Politiker Stephan Weil und Olaf Lies, ihres Zeichens Ministerpräsident und Wirtschaftsminister von Niedersachsen.

Auch Quoten zwischen Boni und Grundgehalt sind geplant

Angesichts dessen wurde es für Kanzlerkandidat Martin Schulz schwer, hohe Managergehälter zu kritisieren, vor allem die beim VW-Konzern. Dessen ehemaliger Chef Martin Winterkorn war mit rund 16 Millionen Euro Jahresbezügen Topverdiener. Bei seinem Solo-Auftritt in der Talkshow „Anne Will“ hatte Schulz noch gesagt: „Wenn ein Konzernchef in Deutschland einen ganzen Konzern durch seine Fehlentscheidungen zum Wanken bringt, kriegt er anschließend auch noch Boni dafür.“ Eine Verkäuferin, die wegen eines „kleinen Fehlers“ auffalle, verliere dagegen ihren Job. Das war genau an dem Tag, als die Höhe der Abfindung für Hohmann-Denhardt bekannt wurde.

Martin Schulz will Kanzler werden

Martin Schulz ist der Kanzlerkandidat der SPD für den Bundestagswahlkampf. Er steht für das Projekt Europa. Wofür steht der SPD-Chef noch? Dieses Foto zeigt den ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt.
Martin Schulz ist der Kanzlerkandidat der SPD für den Bundestagswahlkampf. Er steht für das Projekt Europa. Wofür steht der SPD-Chef noch? Dieses Foto zeigt den ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt. © REUTERS | REUTERS / NTB SCANPIX
Europa ist für den Mann aus Aachen, der nahe der Grenze zu den Niederlanden aufwuchs, ein Herzensanliegen.
Europa ist für den Mann aus Aachen, der nahe der Grenze zu den Niederlanden aufwuchs, ein Herzensanliegen. © dpa | Stephanie Lecocq
Zusammen mit dem EU-Kommissionpräsidenten Jean-Claude Juncker (re.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU.
Zusammen mit dem EU-Kommissionpräsidenten Jean-Claude Juncker (re.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU. © dpa | Axel Heimken
SPD-Mitglied Schulz ist nach Berlin gewechselt – und hat in seiner Partei große Hoffnung geweckt.
SPD-Mitglied Schulz ist nach Berlin gewechselt – und hat in seiner Partei große Hoffnung geweckt. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
Nachdem Sigmar Gabriel seinen Rücktritt erklärt hat, ging Schulz ins Rennen für die Bundestagswahl 2017.
Nachdem Sigmar Gabriel seinen Rücktritt erklärt hat, ging Schulz ins Rennen für die Bundestagswahl 2017. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
In der Flüchtlingspolitik engagierte sich Schulz besonders. Das Foto zeigt ihn im November 2015 in Athen beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft.
In der Flüchtlingspolitik engagierte sich Schulz besonders. Das Foto zeigt ihn im November 2015 in Athen beim Besuch einer Flüchtlingsunterkunft. © imago | ZUMA Press
2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“.
2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“. © imago | Agentur Baganz
Im September 2015 empfing Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg.
Im September 2015 empfing Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – natürlich begrüßt vom damaligen Hausherrn Martin Schulz.
Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – natürlich begrüßt vom damaligen Hausherrn Martin Schulz. © REUTERS | REUTERS / POOL
2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments.
2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
Die Nummer eins will Martin Schulz demnächst in NRW sein – jedenfalls auf der Landesliste für die Bundestagswahl 2017.
Die Nummer eins will Martin Schulz demnächst in NRW sein – jedenfalls auf der Landesliste für die Bundestagswahl 2017. © dpa | Michael Kappeler
Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London.
Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London. © REUTERS | REUTERS / STEFAN WERMUTH
Die drei von der SPD: Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz.
Die drei von der SPD: Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Martin Schulz. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
Das „Projekt Europa“ begleitet Schulz nun von Berlin aus.
Das „Projekt Europa“ begleitet Schulz nun von Berlin aus. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
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Die SPD-Spitze schaltete daraufhin sofort auf Angriff um, auch um der Kritik von Grünen und Linke auszuweichen. Generalsekretärin Katarina Barley war deshalb die erste, die forderte: „Wenn die Konzerne nicht im Eigeninteresse oder aus gesundem Menschenverstand diese Millionensummen als Boni oder Abfindungen begrenzen, muss es der Gesetzgeber tun.“ Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel verlangte ein Gesetz noch in dieser Wahlperiode. Fraktionschef Thomas Oppermann kündigte an, die SPD werde einen Entwurf schon im März vorlegen.

Sozialdemokraten wollen die Union unter Druck setzen

Justizminister Maas will dabei mithelfen. Nach seiner Vorstellung soll die Höhe der Vorstandsbezüge an das Gehaltsniveau der Belegschaft gebunden werden. Konkret: „Wir brauchen ein festgeschriebenes Maximalverhältnis zwischen der Vergütung von Vorständen und dem durchschnittlichen Gehalt ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“

Außerdem sollten Quoten festgelegt werden zwischen Grundgehalt und Boni. Diese, so stellt Maas es sich vor, sollten gemeinsam mit Unternehmensverbänden und Gewerkschaften ermittelt werden. Darüber hinaus bringt der Minister eine gesetzliche Regelung ins Gespräch, wonach „variable Vergütungen bei Schlechtleistung oder sogar regelwidrigem Verhalten einbehalten oder nach Auszahlung zurückgefordert werden können“.

Union folgt dem SPD-Vorschlag noch nicht

Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Volkswagen AG, Ferdinand Piech (2.v.l.), seine Frau und VW-Aufsichtsratsmitglied Ursula Piech (l), der damalige Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Martin Winterkorn, und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bei der Hauptversammlung von Volkswagen. Die Hauptversammlung sei für die Union der richtige Ort für Gehaltsdiskussionen.
Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Volkswagen AG, Ferdinand Piech (2.v.l.), seine Frau und VW-Aufsichtsratsmitglied Ursula Piech (l), der damalige Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Martin Winterkorn, und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bei der Hauptversammlung von Volkswagen. Die Hauptversammlung sei für die Union der richtige Ort für Gehaltsdiskussionen. © dpa | Julian Stratenschulte

Mit diesen Plänen wollen die Sozialdemokraten nun wiederum die Union unter Druck setzen. Der Koalitionspartner will bislang nur soweit gehen, dass Vorstandsgehälter von der Hauptversammlung festgelegt werden. So war es im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2013 vereinbart. Dafür warben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Unions-Fraktionschef Volker Kauder auch am Dienstag vor den Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU.

Es gehe ja zunächst um das Geld des Unternehmens „und die Anteilseigner werden schon aus eigenem Interesse keinen Mondgehältern zustimmen“, hatte Kauder jüngst in einem Interview gesagt. Die Kontrolle allein durch die Aufsichtsräte, so sieht es aber auch er, sei jedenfalls nicht ausreichend.

Verfassungsrechtlich ist der Plan nicht ganz einfach

Darüber hinaus ist die Union nach Worten von CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt bereit, die steuerliche Absetzbarkeit von Managervergütungen zu beschränken. „Wir sind da vollständig gesprächs- und kooperationsbereit“, fügte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), ein.

Dieser Plan, bei dem die SPD mitmachen würde, gilt aber als verfassungsrechtlich nicht ganz einfach. Das Prinzip, Aufwendungen für Gehälter vom zu versteuernden Gewinn abzuziehen, ist im Steuerrecht fest verankert. Entsprechend gab es in der Unions-Bundestagsfraktion gestern Kritik daran. Wirtschaftspolitiker wie Michael Fuchs (CDU) und Hans Michelbach (CSU) argumentierten, dass die Beschneidung der steuerlichen Abzugsfähigkeit ordnungspolitisch zweifelhaft sei. Auch grundsätzlich hatten sie Bedenken, Gehälter staatlich zu regeln.