Phnom Penh. Viele Radiosender sind abgeschaltet, Zeitungen eingestellt. Der Vorsitzende der Oppositionspartei wurde verhaftet.

Die Redaktionsräume von Kambodschas größter englischsprachiger Zeitung „Cambodia Daily“ sind jetzt leer. Auf den Tischen ist noch das übliche Chaos, die Telefone sind noch angestöpselt, aber Journalisten sind hier keine mehr. Fast ein Vierteljahrhundert nach der ersten Ausgabe hat das Blatt aus der Hauptstadt Phnom Penh sein Erscheinen eingestellt. Offizieller Grund: ein Streit mit den Finanzbehörden um eine Steuerschuld von 6,3 Millionen Dollar
(umgerechnet etwa fünf Millionen Euro).

In Wahrheit ist „Cambodia Daily“ aber wohl nur ein weiteres Opfer von Ministerpräsident Hun Sen, dem Vorsitzenden der Kambodschanischen Volkspartei (CPP), der in dem südostasiatischen Staat inzwischen seit mehr als drei Jahrzehnten mit autoritären Methoden an der Macht ist. Nachdem er über Monate hinweg der Opposition immer wieder gedroht hatte, ist der 65-jährige Dauerherrscher nun dabei,
seine Worte in die Tat umzusetzen.

Seit Mitte August bekommen das nicht nur politische Gegner, sondern auch Nichtregierungsorganisationen und Medien zu spüren. Viele Beobachter sehen dies als schlechtes Zeichen dafür, was vor den Parlamentswahlen im Juli nächsten Jahres noch alles zu erwarten ist. Auch die Bundesregierung äußerte bereits ihre „große Sorge“.

Die Kampagne begann mit der Schließung einer Nichtregierungsorganisation, des National Democratic Institute (Nationales Demokratisches Institut). Wenige Tage später wurden mindestens 18 Radiosender abgeschaltet. Den aus den USA finanzierten Auslandssendern Voice of America und Radio Free Asia entzogen die Behörden die Lizenz – angeblich ebenfalls wegen Verstößen gegen Steuergesetze. Nächstes Opfer war Anfang September „Cambodia Daily“.

Vier Jahre alte Rede als Beweis gegen den Oppositionsführer

Und schließlich traf es die größte Oppositionspartei, die Nationale Rettungspartei (CNRP). Ihr neuer Parteichef Kem Sokha – der Vorgänger musste ins Exil – wurde wegen „Konspiration mit einer anderen Nation“ von einem Großaufgebot der Polizei verhaftet. Er soll mit US-Unterstützung einen Umsturz geplant haben. Als Beweis diente der Mitschnitt einer vier Jahre alten Rede, in der Sohka berichtet, wie er von Amerikanern Ratschläge zu guter Oppositionsarbeit bekam.

Bei einer Verurteilung drohen bis zu 30 Jahre Gefängnis. Für seine Partei, die die CPP bei den Wahlen 2013 mit 47,5 Prozent an den Rand einer Niederlage gebracht hatte, könnte dies die Auflösung bedeuten. Viele sehen in der Kampagne reine Willkür eines Ministerpräsidenten, der um seine Macht fürchtet.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) meint: „Inzwischen scheint es Hun Sen egal zu sein, dass außer seinen Parteikumpanen kein Mensch mehr daran glaubt, dass die Wahlen im Juli 2018 frei oder fair sein werden.“ Der Autor des Buchs „Hun Sen’s Cambodia“ („Hun Sens Kambodscha“), Sebastian Strangio, vermutet dahinter auch Frust über schlechte Wahl- und Umfrageergebnisse. „Das liegt auch daran, dass die CPP bei den Kommunalwahlen im Juni kein so überzeugender Sieg gelang wie erhofft.“ Die Regierungspartei kam damals auf 51 Prozent, die CNRP auf 46 Prozent.

Die Oppositionspartei weist alle Vorwürfe gegen ihren Vorsitzenden zurück. Zugleich forderte sie den Rest der Welt auf, Hun Sens Treiben nicht länger zuzusehen. Strangio hält solche Appelle für nutzlos. Auch früher, als der Westen noch größeren Einfluss hatte, habe es der Machthaber geschafft, solchen Forderungen auszuweichen. Dank Rückendeckung aus China müsse er heute noch weniger darauf hören.

Manche Experten bezweifeln die uneingeschränkte Macht Hun Sens

Aber es gibt auch Kambodscha-Experten, die der Meinung sind, dass Hun Sens Macht gar nicht so gefestigt ist. Professor Sophal Ear vom amerikanischen Occidental College glaubt ebenfalls, dass der harte Kurs gegen die Opposition darauf abzielt, die CNRP in eine „Zombie-Partei“ zu verwandeln. „Aber was passiert, wenn sie trotzdem eine beeindruckende Zahl an Stimmen bekommt?“ Ear meint: „Das Einzige, was in Kambodscha heute sicher ist, ist, dass es einen Wandel geben wird.“

Der Ministerpräsident sieht das anders. Vor ein paar Tagen verkündete Hun Sen, dass er unabhängig vom Ausgang der Parlamentswahl ein weiteres Jahrzehnt regieren werde. Als Grund führte er – ausgerechnet – die Ereignisse der letzten Tage an. „Nachdem ich gesehen habe, zu welch Hochverrat manche Kambodschaner fähig sind, habe ich beschlossen, meinen Job noch weitere zehn Jahre zu machen.“dpa