Wolfsburg. Daimler soll sich schon 2014 bei den Kartellwächtern gemeldet haben. BMW hat Kooperationsgespräche zu neuen Projekten mit dem Daimler ausgesetzt.

Der Autobauer BMW hat Kooperationsgespräche zu neuen Projekten mit dem Rivalen Daimler vorläufig ausgesetzt. Das berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Damit reagiere der Autobauer auf die Kartellvorwürfe gegen die deutschen Autohersteller. Konzernkreise hätten entsprechende Angaben aus Branchenkreisen zur Einstellung von Gesprächen bestätigt.

Einen Vorstandsbeschluss bei BMW gebe es zwar nicht, das Management wolle aber die Zusammenarbeit kritisch hinterfragen. Betroffen sind demnach mehrere Bereiche, unter anderem der gemeinsame Einkauf von Autoteilen bei Zulieferfirmen. Ein geplantes Tankstellennetz für Elektroautos könne sich verzögern, heißt es in dem Bericht.

Freuen dürfte das die Konkurrenz im Ausland – die Hersteller liefern sich auch international einen Wettbewerb um Zukunftstechnologien wie die E-Mobilität.

Ein BMW-Sprecher wollte die „Spekulationen“ nicht kommentieren. Aus Unternehmenskreisen hieß es, dass sich angesichts der Kartellvorwürfe bestimmte Kooperationsprojekte verzögern könnten. Offenbar will der Autobauer vorher abklopfen, ob bei neuen Kooperationen alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Daimler-Chef Dieter Zetsche hingegen sagte gestern in einer Telefonkonferenz, er rechne nicht damit, dass die Medienberichte zu möglichen Kartellvorwürfen große Auswirkungen auf Kooperationsgespräche unter den deutschen Autobauern haben. „Selbstverständlich haben wir all diese Gespräche und Überlegungen im existierenden Rechtsrahmen angestellt.“

Daimler soll sich schon 2014 angezeigt haben

Daimler hatte nach Angaben des „Spiegel“, der die Vorwürfe öffentlich machte, eine Art Selbstanzeige bei den Wettbewerbshütern eingereicht. Nach Informationen der „Süddeutschen“ soll das offenbar bereits 2014 geschehen sein – damit sei Daimler dem VW-Konzern bei dessen mutmaßlicher Selbstanzeige zuvorgekommen. Straffrei könnte dann Daimler ausgehen, falls die EU-Kommission Geldbußen verhängen sollte. Nach den EU-Bestimmungen wäre für VW nur noch ein Strafnachlass von maximal 50 Prozent möglich – falls VW zusätzlich zu den von Daimler eingereichten Unterlagen weitere „Beweismittel mit erheblichem Mehrwert“ vorgelegt hätte.

Maas: Hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel

Deutschlands Autobauer schienen noch immer nicht voll erfasst zu haben, was auf dem Spiel stehe, mahnte gestern Justizminister Heiko Maas (SPD) in einem Gastbeitrag im „Handelsblatt“: „nämlich das weltweite Vertrauen in die gesamte deutsche Autoindustrie – und damit Hunderttausende von Arbeitsplätzen“. Das Wichtigste sei nun, das Vertrauen der Käufer wiederherzustellen. Deshalb dürften Kosten und Aufwand für notwendige Nachrüstungen nicht an ihnen hängenbleiben.

Außerdem müsse der behördliche Verbraucherschutz gestärkt werden. Das Kraftfahrt-Bundesamt sollte künftig auch prüfen, ob Verbraucher in die Irre geführt werden. Daneben sprach Maas sich erneut für eine Musterfeststellungsklage aus, mit der Verbände im Namen von Kunden klagen könnten.

Weniger skeptisch zeigte sich Clemens Fuest. Der Kartellverdacht wird laut dem Ifo-Präsidenten nicht zu Absatzeinbrüchen führen. „All diese Firmen produzieren trotz allem ja gute Autos“, sagte der Chef des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) im Bayerischen Rundfunk.

Grüne fordern Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses

Die Grünen haben eine Sondersitzung des Wirtschaftsauschusses im Bundestag beantragt. Eine parlamentarische Befassung mit dem Verdacht illegaler Absprachen, dem Dieselskandal und den Ergebnissen der Gespräche zwischen Autobauern und Politik sei „zwingend notwendig“, schrieb Fraktionsmanagerin Britta Haßelmann. Die Sitzung soll demnach nächsten Donnerstag stattfinden, einen Tag nach dem „Diesel-Gipfel“ der Branche mit Bundes- und Landespolitikern. Eine Sondersitzung des Verkehrsausschusses habe Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) abgelehnt.