Braunschweig. Der Journalist Mustafa Kuleli kritisiert das „Paktieren“ der Kanzlerin mit Erdogan.

Die türkische Journalisten-Gewerkschaft TGS erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung. Statt die Opposition in der Türkei stärker zu unterstützen, seien der Merkel-Regierung wirtschaftliche Beziehungen und der Flüchtlings-Deal wichtiger. TGS-Generalsekretär Mustafa Kuleli sagte unserer Zeitung: „Ich habe große Probleme mit der Politik Merkels, wenn es um die Türkei geht.“

Der Gewerkschafts-Chef ist in sechs Städten in Deutschland unterwegs, um auf die Situation der Journalisten in der Türkei aufmerksam zu machen. Auf Einladung der Gewerkschaft Verdi sprach er auch in Braunschweig. „Die Bundesregierung verhindert nicht, dass mit deutscher Hilfe türkische Panzer modernisiert werden, sie spricht mit Erdogan darüber, wie viel Geld er pro Flüchtling aus Syrien bekommt“, sagte Kuleli. Dieses Paktieren enttäusche ihn sehr. „Dafür müsste sich Merkel bei der türkischen Opposition entschuldigen.“

„Ich habe große Probleme mit der Politik Merkels, wenn es um die Türkei geht.“
„Ich habe große Probleme mit der Politik Merkels, wenn es um die Türkei geht.“ © Mustafa Kuleli,Generalsekretär der türkischen Journalisten-Gewerkschaft TGS

Laut Kuleli vertritt die Gewerkschaft in der Türkei 1100 Journalisten. Die türkische Regierung verhängte nach dem Putschversuch im vergangenen Sommer den Ausnahmezustand, viele Journalisten wurden verhaftet. Nach Angaben Kulelis sind 159 Journalisten derzeit in der Türkei inhaftiert. Die Türkei gehört damit zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalisten weltweit. Rund 150 Medien wurden laut der Gewerkschaft geschlossen und mehr als 700 Presseausweise annulliert. Kritische Journalisten stünden unter Generalverdacht. Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei weltweit auf Platz 151 von 180.

Kuleli fordert wirtschaftliche Sanktionen gegen sein Heimatland. „Nur darauf reagiert die Türkei. Erst dann wird das Land wieder Anstrengungen unternehmen, wird demokratische Werte wieder achten.“

Auch die EU kritisierte Kuleli. Es sei falsch gewesen, die Türkei mit Blick auf eine Mitgliedschaft so lange hinzuhalten. Etwa die Hälfte der Türken sei gegen Erdogan, das habe das Referendum gezeigt. Viele dieser Türken hätten jahrelang auf ein Zeichen der EU gewartet „Jetzt ist es zu spät, die meisten Türken wollen nicht mehr in die EU.“

Merkel setzte der Türkei indes Grenzen. Sie untersagte eine Abstimmung auf deutschem Boden über die Wiedereinführung der Todesstrafe. In einem WDR-Interview widersprach sie am Dienstag gleichzeitig dem Eindruck, dass dies ein Kurswechsel gegenüber der Regierung in Ankara sei. Man habe aber für „Klarheit“ gesorgt, dass keine Genehmigung für eine Abstimmung über einen Inhalt gegeben werde, „den wir absolut ablehnen“.