Braunschweig. Wie entwickeln sich die USA unter ihrem neuen Präsidenten? An der TU Braunschweig diskutieren Studenten und Professoren bei Kaffee und Kuchen darüber.

Die Amerikaner sind gespalten. Nicht nur das Volk, sondern auch die bekannte gleichnamige Backware, die bei der Veranstaltung „Frühstück mit Ausblick – Nachlese zur US-Wahl“ am Institut für Sozialwissenschaften angeboten wird.

Professorin Anja Jakobi, seit April Leiterin des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen, hatte ihre Studenten zur Diskussion über die Ergebnisse der US-Wahlen geladen. Auch ihre Kollegen, der Politikwissenschaftler Nils Bandelow und Rüdiger Heinze vom Institut für Anglistik und Amerikanistik, diskutierten mit.

Das große Wundenlecken am Morgen danach? Auch für Jakobi ist die Wahl Trumps eine große Überraschung. Einen Tag zuvor hätte sie nicht darauf gewettet. „Wir haben im Vorfeld unter Studenten unsere eigene Umfrage gemacht. Die große Mehrheit glaubte, dass Hillary Clinton das Rennen macht“, sagt Jakobi.

Insbesondere die US-amerikanischen Staatsbürger, die sich an diesem Morgen im Seminarraum 97.8 blicken lassen, wirken verbittert. Kenton Barnes entfährt es: „Sorry, ich bin heute ein bisschen pissed“. Barnes ist Afro-Amerikaner, seine Eltern leben in Michigan. Er beschreibt, wie mit Hilfe des Wahlrechts in einzelnen Bundesstaaten systematisch versucht werde, Latinos und Schwarze zu benachteiligen. Wer nicht regelmäßig wählt, würde von Wahllisten gestrichen, sagt er. „Ich bin jetzt hier, aber ich habe Angst. Werde ich vielleicht verhaftet, wenn ich wieder einreise?“

In der Diskussion wird deutlich, wie sich das amerikanische Selbstverständnis von dem anderer Völker unterscheidet. „Das individuelle Recht hat einen ganz anderen Stellenwert. Es ist das Recht auf Selbstverwirklichung, das tief in der US-Gesellschaft verankert ist. Dafür stand Trump“, sagt ein Landsmann Barnes’. Aus seiner Stimme spricht Enttäuschung und Wut, aber auch das Wissen, dass ein solches Ergebnis nicht zufällig vom Himmel fällt. Trump habe das bedient, was die Abgehängten im Land hören wollten.

Wer sind wir? Diese Frage habe Trump im Wahlkampf immer wieder gestellt, verbunden mit einer Bevölkerungsprognose für die USA. Dass die weiße Mehrheit demnach bald zu einer Minderheit werden würde, hätte vielen Sorgen bereitet. Clinton habe das nie verstanden. Die Erkenntnisse, die Politikwissenschaftler Bandelow, aus der Wahl zieht, sind vielschichtig. „Klar ist: Umfragen sind irrelevant. Wir sollten uns nicht mehr darauf verlassen.“ Politikwissenschaftler versuchten sich als Mathematiker, in dem sie Wahrscheinlichkeiten berechnen würden. „Die Wahl zeigt: Wir haben keine repräsentativen Daten.“

Für Bandelow haben die Demokraten schon unter Präsident Bill Clinton begonnen, die Wahl Trumps einzuleiten. Sie hätten den „New Deal“ zwischen den links-liberalen Eliten der Ostküste und den Industriearbeitern in den Südstaaten aufgekündigt. „Der große Fehler der Demokraten war es, dass sie glaubten, die schrumpfende Arbeiterschaft sei nicht mehr wahlentscheidend.“ Der Kandidat Trump habe diesen ein Wohlfühl-Angebot gemacht, das zumindest eine gewisse Art der Wertschätzung ausdrückte.

Wird Trump ein Präsident der Konfrontation sein, so wie er ein Kandidat der Konfrontation war? Über diese Frage wurde im Plenum kontrovers diskutiert. Einige Teilnehmer sahen auch etwas Positives in der Wahl. Die EU sei möglicherweise nun dazu gezwungen, eigenständiger als bisher zu agieren. Sollte Trump seine Ankündigungen umsetzen, würde künftig jede Nation sicherheitspolitisch „ihr eigenes Ding“ machen, ist sich Jakobi sicher. „Das wäre das Ende der Bündnispolitik, so wie wir es bislang kennen. Das wäre aber auch das Ende des Westens als Wertebündnis.“