Washington. Der Präsidentschaftskandidat erklärt, er wolle säumigen Nato-Ländern den Schutz entziehen. Wie deutsche Politiker darauf reagieren.

Die Nato ist beunruhigende öffentliche Äußerungen von Donald Trump gewohnt. Diese hier wird in Brüssel voraussichtlich Alarmstimmung auslösen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat South Carolina, wo am 24. Februar die Vorwahlen zur Präsidentschaftskandidatur der Republikaner stattfinden, hat der Ex-Präsident der Vereinigten Staaten die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des westlichen Verteidigungsbündnisses, das wesentlich von den Vereinigten Staaten getragen wird, unter bestimmten Voraussetzungen aufgekündigt. Mehr noch: Trump rief Russland indirekt zu Attacken gegen Nato-Mitgliedsländer auf.

Um sein Image als angeblich harter und erfolgreicher Verhandler zu unterstreichen, erzählte der 77-Jährige von einer Begebenheit zu Zeiten seiner Präsidentschaft (2017 bis 2021). Bei einem Treffen mit Staats- und Regierungschefs von Nato-Mitgliedsländern habe er mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass etliche Länder nicht die vereinbarten Finanz-Richtlinien für die Nato (pro Jahr zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt) erfüllen. Und dass Amerika nicht länger gewillt sei, das hinzunehmen.

Trump: „Du musst bezahlen. Du musst Deine Rechnung bezahlen“

In dieser Situation sei der Präsident eines „großen Landes“ (Trump nannte keine Namen) bei dem Zusammentreffen (wann und wo - ebenfalls nicht erwähnt) aufgestanden und habe gefragt: „Sir, wenn wir nicht zahlen und von Russland angegriffen werden, werden Sie uns dann verteidigen?“.

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Trump will darauf geantwortet haben: „Du hast nicht bezahlt, Du bist zahlungssäumig?“ Der anonyme Präsident soll darauf entgegnet haben: „Ja, lasst uns annehmen, das ist passiert.“ Trumps Konter: „Nein, ich würde Dich nicht verteidigen. Genau genommen würde ich sie (gemeint ist Russland - d. Red.) ermutigen zu tun, was immer zum Teufel sie wollen. Du musst bezahlen. Du musst Deine Rechnung bezahlen.“

Reaktion aus Deutschland: Europa kann sich nicht mehr auf Schutz verlassen

Die Worte Trumps hat auch die deutsche Politik alarmiert. Grünen-Chef Omid Nouripour warnte die Europäer davor, sich weiter auf den militärischen Schutz der USA zu verlassen. Trumps Auftritt unterstreiche „die Notwendigkeit einer vertieften europäischen Zusammenarbeit, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik“, sagte Nouripour unserer Redaktion. „Europa muss sich im Ernstfall selbst verteidigen können.“

Die Äußerungen überraschten leider wenig, fügte der Grünen-Vorsitzende hinzu. Er habe bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er „die Nähe von Putin mehr schätzt als die der demokratischen transatlantischen Partner und entsprechend bereit ist, internationale Verpflichtungen zu missachten“.

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), mahnt weitere Investitionen an. „Wir müssen jetzt schnell deutlich mehr investieren, um die Ukraine mit ausreichend Waffen und Munition auszustatten und selbst abwehrbereit zu werden“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. „Angesichts der großen Herausforderungen wäre ein Festhalten an der Schuldenbremse ein Sicherheitsrisiko.“

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Trumps Äußerungen scharf kritisiert. „Jede Andeutung, dass Verbündete sich nicht verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der Vereinigten Staaten, und setzt US-Soldaten und europäische Soldaten einem erhöhten Risiko aus“, erklärte Stoltenberg am Sonntag in Brüssel.

Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO, bei einer Medienkonferenz im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Jens Stoltenberg, Generalsekretär der NATO, bei einer Medienkonferenz im NATO-Hauptquartier in Brüssel. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ © DPA Images | Virginia Mayo

Biden-Sprecher: „Erschreckend und verstörend“

Erwartungsgemäß reagierte auch Andrew Bates, Sprecher von US-Präsident Joe Biden, empört: „Zu Invasionen bei unseren engsten Verbündeten durch mörderische Regime zu ermutigen, ist erschreckend und verstörend. Es bringt die nationale Sicherheit, die globale Stabilität und unsere Wirtschaft in Gefahr.“ In sozialen Medien, etwa X (früher Twitter), sorgten die Äußerungen des 77-Jährigen für enorme Resonanz und teilweise Entsetzen. „So klar hat Trump noch nie erklärt, dass er Nato-Verbündeten bei einem russischen Angriff nicht helfen würde“, hieß es. Und: „Er wird immer dreister. Sogar für Trumps Standards ist das atemberaubend.“

Joe Bidens Herausforderer bei der Wahl im November profiliert sich als Helfershelfer des russischen Präsidenten.
Joe Bidens Herausforderer bei der Wahl im November profiliert sich als Helfershelfer des russischen Präsidenten. © ddp/Sipa USA | Julia Nikhinson

Trygve Olson vom „Lincoln Democracy Institut“ charakterisierte die Worte Trumps so: „Das ist das verantwortungsloseste Statement eines führenden Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte unseres Landes.“ Ex-US-General Mark Hertling sprach von einer „unglaublich dummen Äußerung“, die ganz Europa in Gefahr bringe.

US-Kongress ringt um Ukraine-Hilfen in Höhe von 60 Milliarden Euro

Tom Malinowski, ehemals demokratischer Kongress-Abgeordneter aus New Jersey, sagt: „Wahrhaft verstörendes Zeug. Der wahrscheinliche republikanische Präsidentschaftskandidat sagt, er wird Russland zum Angriff gegen unsere Allierten ermutigen, was einen Weltkrieg auslösen würde, wenn sie nicht bezahlen. Was soll‘s, dass Europa derzeit mehr für die Ukraine zahlt als die USA. Diese Sache sollte auf die Titelseite und als Top-Nachricht gesendet werden.“

Trumps Äußerungen fallen zeitlich zusammen mit dem ernsten Bestreben der von ihm dominierten Republikaner im Kongress in Washington, Militärhilfe in Höhe von 60 Milliarden Dollar für die von Russland angegriffene Ukraine zu verhindern. Wissend, dass Kiew schon bald Munition und Gerät ausgeht, um sich gegen die russischen Angreifer zur Wehr zu setzen.

In der Propaganda-Show mit dem US-Stichwortgeber Tucker Carlson äußerte sich Präsident Wladimir Putin zu Spekulationen über russische Interventionen außerhalb der Ukraine
In der Propaganda-Show mit dem US-Stichwortgeber Tucker Carlson äußerte sich Präsident Wladimir Putin zu Spekulationen über russische Interventionen außerhalb der Ukraine © IMAGO/ZUMA Wire | IMAGO/Gavriil Grigorov/Kremlin Pool

Trump führte in seiner gewohnt sprunghaften Rede nicht aus, ob er für den Fall seiner Wiederwahl im November wie schon 2017 Nato-Mitglieder unter Druck setzen würde, höhere Beiträge in die Nato-Kasse einzuzahlen. Auch eine konkrete Ankündigung, Wladimir Putin freie Hand bei etwaigen Interventionen gegen Nato-Länder zu geben, blieb aus.

Putin hatte dazu im Skandal-Interview mit US-Polit-Showmaster Tucker Carlson erklärt, Russland habe „kein Interesse an Polen, Lettland oder irgendwo sonst“. Bei den entsprechenden Spekulationen im Westen handele es sich um „Angstmacherei“. Zur Erinnerung: Putin hatte gegenüber Führern des Westens noch wenige Tage vor dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 beteuert, dass Russland keine militärische Intervention plane.