Mexiko-Stadt. Nayib Bukele ist überheblich und skrupellos. Doch er wird wie ein Heiliger verehrt – denn er schaffte etwas, was als unmöglich galt.

Der Mann, der am Sonntag mit größter Wahrscheinlichkeit wieder zum Präsidenten von El Salvador gewählt werden wird, ist gerade Everybody‘s Darling. In dem kleinen Land in Zentralamerika verehren ihn die Menschen wie einen Heiligen, seit er die Organisierte Kriminalität, ausgeübt von zu Verbrechersyndikaten gewandelten Jugendbanden, eingehegt hat. Aber auch in weiten Teilen Lateinamerikas gilt er als Vorbild – vor allem dort, wo die Kartelle, Mafias und sonstige Gewaltakteure gerade Überhand nehmen.

Nayib Bukele, 42, mit reichlich Überheblichkeit und noch mehr Skrupellosigkeit ausgestattet, darf auf einen Erdrutschsieg hoffen – mit Zahlen, wie man sie eigentlich nur aus Einparteienstaaten kennt. Die jüngste Umfrage von „Observa El Salvador“ sagt Bukele 70,9 Prozent voraus. Auf dem zweiten Platz liegt demnach Manuel Flores, Kandidat der ehemaligen FMLN-Guerilla. Ihm werden 2,9 Prozent prognostiziert. Erreicht hat der rechte Autokrat diese enorme Popularität mit seiner Sicherheitspolitik und dem rechtsstaatlich fragwürdigen, aber äußerst erfolgreichen Kampf gegen die Organisierte Kriminalität.

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Man kann es in einer Formel zusammenfassen: El Salvador wurde unter Bukele vom Land mit der weltweit höchsten Mordrate zum Land mit der höchsten Inhaftierungsrate. Die bittere Lehre aus seinem ersten Mandat ist einfach: Der Verzicht auf Bürger- und Menschenrechte, auf Grundregeln der Demokratie und Gewaltenteilung sind offenbar für die Bevölkerung ein akzeptabler Preis, wenn auf der Habenseite ein Leben in Sicherheit und ohne Angst steht.

El Salvador: Land mit der höchsten Inhaftierungsrate

Politikerinnen und Politiker aus der ganzen Region beobachten staunend bis neidisch die Entwicklungen in El Salvador, das kaum größer als Hessen ist. Präsidenten, Gouverneure, Bürgermeister und Abgeordnete in Kolumbien, Peru, Chile, Argentinien und Ecuador haben versprochen oder sich dafür ausgesprochen, Bukeles Politik in ihren eigenen Ländern nachzuahmen.

Den Präsidenten von El Salvador, Nayib Bukele, gibt es auch als Tonfigur und als Spielzeugpuppe.
Den Präsidenten von El Salvador, Nayib Bukele, gibt es auch als Tonfigur und als Spielzeugpuppe. © AFP | MARVIN RECINOS

Dabei ist seine Sicherheitspolitik antidemokratisch und brutal. Mehr als 75.000 meist Jugendliche und Männer hat Bukele wegen angeblicher oder nachgewiesener Bandenmitgliedschaft festgenommen und in extra gebauten Hochsicherheitszentren inhaftiert, wo Erniedrigung, Folter und die totale Entrechtung zur Strategie gehören. Die Häftlinge gehören alle zu den „Maras“, dieser besonderen salvadorianischen Variante des Organisierten Verbrechens. Die Maras begannen in den 1980er Jahren als Banden, gebildet von aus den USA abgeschobenen Jugendlichen.

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Viele Jahre terrorisierten vor allem die „18“ und die „Salvatrucha“ die Bevölkerung mit Morden, Schutzgelderpressungen, Drogenhandel und Zwangsrekrutierungen. Im März 2022 verhängte Bukele den Ausnahmezustand und begann mit der Repression, die bis heute andauert. Und so hat der Staat in El Salvador nach Jahrzehnten des Kontrollverlustes das Gewaltmonopol weitgehend zurückgewonnen und das Land für den Moment befriedet.

Nayib Bukele: Seine Sicherheitspolitik ist brutal

Man muss Bukele, der sich selbst als „coolsten Diktator der Welt“ bezeichnet, noch für so vieles anderes anprangern: die Aushöhlung des Rechtsstaates, den Bruch der Verfassung, um wiedergewählt werden zu können, die Verfolgung seiner Kritiker und Gegner. Und auch für die Einführung von Bitcoin als offiziellem Zahlungsmittel. „Bukele hat den Generalstaatsanwalt und mehrere Richter ausgewechselt, und im Grunde gibt es keine Gewaltenteilung mehr“, kritisiert Valeria Vásquez, Zentralamerika-Expertin bei der Beratungsfirma „Control Risks“.

Mehr als 75.000 meist Jugendliche und Männer hat Bukele wegen angeblicher oder nachgewiesener Bandenmitgliedschaft festgenommen und in extra gebauten Hochsicherheitszentren inhaftiert.
Mehr als 75.000 meist Jugendliche und Männer hat Bukele wegen angeblicher oder nachgewiesener Bandenmitgliedschaft festgenommen und in extra gebauten Hochsicherheitszentren inhaftiert. © AFP | MARVIN RECINOS

„Und das wird sich weiter verschlechtern“, blickt sie schon auf das vermutliche zweite Mandat Bukeles voraus, das 2028 enden würde. Zudem habe er nahezu alle Macht in seiner Person konzentriert, ergänzt Ana María Méndez-Dardón, Zentralamerika-Direktorin des Washingtoner Büros für Lateinamerika (WOLA). Bukele ist faktisch eine Ein-Mann-Regierung. Bukele, Spross einer christlich-palästinensischen Einwandererfamilie, ging schon mit 30 in die Politik, wurde zunächst Vorstadtbürgermeister und dann führte er von 2015 an die Geschäfte der Hauptstadt San Salvador. Er war damals noch Mitglied der linken FMLN, aus der er 2017 aus ideologischen Gründen ausgeschlossen wurde.

Bukele hatte eine Werbeagentur, jetzt regiert er

Bei der Präsidentenwahl 2019 gelang ihm schon im ersten Wahlgang ein deutlicher Sieg, wobei er sich scharf gegen die FMLN und auch die ultrarechte ARENA abgrenzte, die sich an der Macht abgewechselt hatten. Damals kam der gelernte Werbefachmann mit Lederjacke, Baseballmütze, Bart und ohne Krawatte erfrischend daher. Bukele machte kaum traditionellen Podiumswahlkampf, sondern Kampagne in den sozialen Netzwerken und warb damit, das Land grundlegend zu verändern.

Nayib Bukele ist allgegenwärtig. In Mejicanos schmückt sein Abbild eine ganze Häuserwand.
Nayib Bukele ist allgegenwärtig. In Mejicanos schmückt sein Abbild eine ganze Häuserwand. © AFP | Camilo Freedman

Wie sehr er Wort gehalten hat, hätte 2019 wohl keiner der sechs Millionen Einwohner für möglich gehalten. Er hat El Salvador neu erfunden, aber an den Problemen der strukturellen Armut und der Auswanderung nichts geändert. Zudem musste er für die Wiederwahl die Verfassung beugen und die Institutionen nahezu gleichschalten. Um den Schein der unverletzten Verfassung zu wahren, trat er einfach vor sechs Monaten de jure vom Amt des Präsidenten zurück, regierte de facto aber weiter.

Damit umging er in der Lesart der ihm treuen Verfassungshüter das Verbot der direkten Wiederwahl. „Sein großer demokratischer Triumph am Sonntag sanktioniert den vorhergehenden Bruch der demokratischen Regeln“, ätzt der argentinische Schriftsteller Martín Caparrós.