Washington. Sind die Tage der Demokratie gezählt, wenn Donald Trump US-Präsident wird? Viele sorgen sich, dass er den Rechtsstaat demontiert.

Ob es der russische Präsident Wladimir Putin, Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, Chinas Staatschef Xi Jinping oder der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist: Mit seiner Bewunderung für Diktatoren und Politiker, die ihr Land mit einer eisernen Faust regieren, hat Donald Trump noch nie hinterm Berg gehalten.

Sollte Trump am 5. November 2024 ein zweites Mal zum US-Präsidenten gewählt werden – und daran hat der Republikaner keinen Zweifel aufkommen lassen, würde auch er versuchen, den Rechtsstaat auszuhöhlen und die Weichen für einen autokratischen Staat zu stellen. Das wiederum könnte das Ende der Demokratie in den USA bedeuten.

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Aktuellen Umfragen zufolge würde Trump in einem Duell mit seinem demokratischen Nachfolger Joe Biden in konservativen Staaten einen Durchmarsch feiern. Außerdem hat er unter anderem in Michigan, Pennsylvania, Wisconsin und Georgia –sogenannten „Swing States“ mit einem hohen Anteil an Wechselwählern – die Nase vorn.

Donald Trump hat die Abrissbirne zur Demontage des Rechtsstaates

Natürlich sind die Wählerbefragungen in einem so frühen Stadium mit Vorsicht zu genießen, denn sie könnten erheblichen Schwankungen unterliegen. Vor allem dann, wenn die Inflation weiter zurückgeht und der Arbeitsmarkt robust bleibt. Dem amtierenden Präsidenten würde das helfen. Auch dürfte Biden bei den Wechselwählern profitieren, falls sein Vorgänger in einem oder mehreren der gegen ihn laufenden Strafprozesse verurteilt werden sollte.

Geht Trump aber im kommenden November aus der Wahl als Sieger hervor, hat er bereits angekündigt, (zumindest) „am ersten Tag ein Diktator“ sein zu wollen. Auch hat er kürzlich gefordert, dass die US-Verfassung außer Kraft gesetzt wird und den Wunsch geäußert, dass seine politischen Gegner „zur Hölle gehen“. Die Unverfrorenheit, mit der er annonciert, die Demokratie mit Füßen zu treten, verheißt nichts Gutes.

Trumps Ziel: Vollständige Kontrolle, letztlich Alleinherrschaft

Unstrittig ist, dass dem Republikaner das politische, juristische und militärische Instrumentarium zur Verfügung stehen würde, um die Demontage des Rechtsstaats voranzutreiben. Die wichtigsten Bausteine, mit denen er versuchen könnte, den Weg zu einer Diktatur zu pflastern, wären das Justizministerium, das Verfassungsgericht und das Militär.

Seine erste Amtszeit war nur ein Probelauf. Werden wir den echten Donald Trump erst in der zweiten Amtszeit kennenlernen?
Seine erste Amtszeit war nur ein Probelauf. Werden wir den echten Donald Trump erst in der zweiten Amtszeit kennenlernen? © DPA Images | MIKE SEGAR

Wie Russell Vought, während Trumps Präsidentschaft der Direktor der Haushaltsbehörde sagt, wäre das ultimative Ziel im Falle einer Wiederwahl, die „vollständige Kontrolle über sämtliche Instanzen des staatlichen Verwaltungsapparats zu haben, die autonome Entscheidungen treffen können“. Demnach würde ein Präsident Trump versuchen, alle Personen auszuschalten, die theoretisch imstande wären, sich gegen ihn aufzulehnen oder seine „Alleinherrschaft“ infrage zu stellen.

Plant Trump einen Rachefeldzug gegen seine Gegner?

Zum Ausdruck kommt dieses Ansinnen etwa in seiner Ankündigung, politische Gegner und Kritiker mit Zivilprozessen und Strafverfahren zu verfolgen, einzuschüchtern und neutralisieren zu wollen. Opfer eines solchen Rachefeldzugs würden unter anderem Minister, leitende Mitarbeiter aus seiner ersten Amtszeit und andere Politiker sein, die ihm den Rücken gekehrt haben. Dazu zählen unter anderem der frühere Stabschef, General John Kelly, der ehemalige Justizminister William Barr und die ehemalige Kongressabgeordnete Liz Cheney. Auch hätte er führende Medienvertreter im Visier, die kritisch berichtet haben und seinen Versuch gegeißelt haben, seine verlorene Wahl zu kippen.

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Für die Verfolgung seiner Gegner stünde Trump das Justizministerium zur Verfügung. Zwar ist der „Attorney General“ formal der Bundesstaatsanwalt und somit die höchste Instanz im Lande, die Zivil- oder Strafverfahren einleiten kann. Faktisch ist er aber auch ein Kabinettsmitglied, das vom Präsidenten ernannt wird. Trump hat bereits signalisiert, dass er einen rigiden Loyalisten zum Justizminister ernennen will, der nicht zögern würde, jeden noch so legitimen Gegner oder Kritiker an die Messer einer politisch motivierten Justiz auszuliefern.

Ein weiterer Baustein wäre das Militär einschließlich quasi-militärischer Abteilungen innerhalb der Geheimdienste. Der Sicherheitsexperte und Schriftsteller Spencer Ackermann ist überzeugt, dass „Trump und die MAGA-Bewegung eine Zukunft anstreben, in der die US-Geheimdienste ihr massives und weitreichendes Instrumentarium gegen politische Gegner innerhalb der USA verwenden“.

Von „seinen“ Richtern verlangt Trump Loyalität

Als Beispiele nennt er den Einsatz der „Joint Terrorism Task Forces“, die dem Bundeskriminalamt FBI angegliedert sind, gegen „Black Lives Matter“-Demonstranten, oder die Verhaftung von Demonstranten, die in fensterlose Minivans gezwungen wurden und die Entsendung von Drohnen in mehr als ein Dutzend US-Städte, um Proteste gegen die Ermordung des Afroamerikaniers George Floyd durch einen weißen Polizisten zu überwachen. Würde er das Militär zu ähnlichen Zwecken mobilisieren wollen, hätten die Streitkräfte keine Chance, sich den Anordnungen ihres obersten Befehlshabers, dem Präsidenten selbst, zu widersetzen.

Zu guter Letzt könnte Trump hoffen, dass der Oberste Gerichtshof ihm bei seinen Bemühungen, eine Diktatur aufzubauen, zumindest indirekt zur Seite steht. Schließlich hatte er als Präsident drei erzkonservative Richter ernannt und zögert nicht, diese daran zu erinnern, dass sie ihm „zur Loyalität verpflichtet sind“. Ob diese nach den Buchstaben der Verfassung handeln oder Trump die geforderte „Treue“ erweisen, das werden die hohen Richter schon bald unter Beweis stellen.

Denn dann werden sie aller Voraussicht nach entscheiden, ob die Urteile der Verfassungsgerichte in Colorado und Maine, die den Ex-Präsidenten wegen der Anzettelung des blutigen Aufstands im US-Kapitol von der Wahl ausschließen wollen, Bestand haben werden. So oder so: Wie ein Amerika unter einem neuen Präsidenten Trump aussehen würde, das hat Liz Cheney, seine schärfste Kritikerin unter den Republikanern, auf den Punkt gebracht. „Alle Wähler, die diesmal Trump ihre Stimme schenken, sollten sich darauf einrichten, dass es die letzte Stimme sein wird, die sie jemals abgeben werden“.

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