Berlin. Saudi-Arabien erlaubt ab März 2018 Kinos. Kronprinz Mohammed bin Salman will das streng islamische Königreich weiter liberalisieren.

Während die Frau mit den dunklen langen Haaren und dem hochgeschlossenen schwarzen Chiffonkleid zum Mikrofon läuft, kreischt die Halle. Die libanesische Chansonsängerin Hiba Tawaji, ein Star in der arabischen Welt, singt vor Tausenden Zuhörerinnen im „King Fahad Cultural Centre“ in Riad. Viele der weiblichen Besucher im Publikum schieben sich das Kopftuch zurück, einige legen die Abaya, den obligatorischen schwarzen Umhang für Frauen ab, machen Selfies. „Girl Power!“ – „Mädchen-Macht!“ – schreit Tawaji. Die Menge jubelt. Partystimmung in der Wüsten-Metropole.

Frauen und Unterhaltung in der Öffentlichkeit: Das war im streng islamischen Saudi-Arabien lange Jahre wie Feuer und Wasser. Frauen gehörten nach offizieller Lesart ins Haus. Ohne schriftliche Zustimmung ihres männlichen Vormunds – egal ob Ehemann, Vater, Bruder oder halbwüchsiger Sohn – durften sie weder studieren, heiraten noch ins Ausland reisen.

Die harschen Sitten basierten bislang auf einem Bündnis zwischen der Herrscherfamilie al-Saud, die das Land seit 1932 als absolute Monarchie führt, und dem Klerus. Der Wahhabismus, eine konservativ-puritanische Auslegung des Islam, ist noch immer Staatsdoktrin.

Kulturminister Auwad al-Auwad spricht von einem „Wendepunkt“

Doch nun wird alles anders. Musik, Theater, Lasershows erobern das Königreich. Kürzlich gastierte der griechische Komponist Yanni in mehreren Städten. Am Donnerstag kommt der US-Rapper Nelly nach Dschidda am Roten Meer. Und bald soll eine der letzten Hürden der streng islamischen Gesellschaft fallen: Nach mehr als 35 Jahren hebt Saudi-Arabien das Verbot von Kinos auf. Die ersten Lichtspielhäuser sollen bereits im März 2018 geöffnet werden, teilte das saudische Ministerium für Kultur und Information mit. Kulturminister Auwad al-Auwad sprach von einem „Wendepunkt“.

Bis 2030 solle es mehr als 300 Kinos im Land geben. Es sei geplant, auch internationale Filme – zum Beispiel Hollywoodproduktionen wie „Mission Impossible“ – zu zeigen, heißt es. Allerdings müsse Sorge getragen werden, dass die Streifen nicht „zu freizügig“ seien, wird in Riad kolportiert.

Damit unternimmt das islamisch-konservative Land einen weiteren Schritt in Richtung gesellschaftliche Liberalisierung. Im September hatte König Salman bereits angeordnet, im nächsten Jahr das Fahrverbot für Frauen aufzuheben. Sie sollen ab Mitte 2018 ans Steuer dürfen. Treibende Kraft hinter den Reformen ist Kronprinz Mohammed bin Salman.

Land will Weltmarktführer bei der Solarenergie werden

Er soll seinem Vater bald auf den Thron folgen und ist schon jetzt der starke Mann. Der 32-Jährige hat auch das Amt des Verteidigungsministers inne. Wegen des massiven Kriegs gegen die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen hatte ihm der BND Ende 2015 eine „impulsive Interventionspolitik“ angekreidet. Doch nun will der Prinz auch innenpolitisch aufs Tempo drücken und das Image seines Landes aufpolieren. Er sieht sich als Anwalt der jungen Generation, die die Hälfte der 32 Millionen Saudis ausmacht.

Der Kronprinz, am Hof auch „MBS“ genannt, hat sein ehrgeiziges Programm in der „Vision 2030“ niedergelegt. Er weiß, dass die saudischen Öl- und Gasreserven endlich sind. Deshalb will er die eigene Wirtschaft auf breitere Beine stellen. Demnach soll der Anteil von Öl und Gas am Bruttoinlandsprodukt von heute 47 Prozent auf elf Prozent sinken.

Mit Investitionen von 109 Milliarden Dollar will das Land Weltmarktführer bei der Solarenergie werden. Gedacht ist aber auch an den Ausbau der Petrochemie sowie die Produktion von Haushaltsgeräten. Ein deutscher Unternehmer in Riad betont: „Wenn die Saudis internationale Firmen anlocken wollen, sind sie dazu verdammt, das Königreich zu öffnen.“