Berlin. 15.000 Forscher aus 184 Ländern haben eine „Warnung an die Menschheit“ unterzeichnet. Sie fordern einen konsequenteren Umweltschutz.

Unterschrieben haben Mediziner und Mikrobiologen, Botaniker und Physiker. Ökologen, Geologen, Soziologen, Astronomen. Direktoren und Präsidenten weltweit renommierter Hochschulen, Forschungsinstitute und Museen, auch Studenten und emeritierte Professoren. Insgesamt 257 Seiten füllen die Namen der Unterzeichner. So etwas gab es noch nie: 15.000 Wissenschaftler aus 184 Ländern haben eine eindringliche „Warnung an die Menschheit“ (Warning to Humanity) unterzeichnet, mit der sie zu konsequenterem Umweltschutz aufrufen.

Mehr noch: Sie beschwören die Weltgemeinschaft zum Handeln – bevor es zu spät ist. „Das ist eine überwältigende Resonanz, die wir nicht erwartet haben“, sagte Forscher Thomas Newsome von der University of Sydney und Sprecher der Alliance of World Scientists (AWS). Das wissenschaftliche Fachjournal „BioScience“ hatte den Aufruf am Montag veröffentlicht und sorgte damit

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Seit 25 Jahren wenig Fortschritte gemacht

Es ist der zweite Aufruf seiner Art, der erste datiert aus dem Jahr 1992. Vor 25 Jahren, als der erste UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro stattfand, hatte die Weltforschergemeinde einen ersten gemeinsamen Aufruf veröffentlicht. Darin warnten 1700 Wissenschaftler – unter ihnen viele Nobelpreisträger – vor besonders drängenden Problemen wie Klimawandel, Überbevölkerung, Trinkwasserknappheit, Waldabholzung und dem Schwinden der Artenvielfalt. Schon 1992 baten die Experten die Weltgemeinschaft inständig darum, die Treibhausgase zu reduzieren und den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen voranzutreiben.

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    25 Jahre später herrscht Ernüchterung. Außer bei der Stabilisierung der Ozonschicht hätten die Menschen seither viel zu wenige Fortschritte gemacht, resümiert der Ökologe William Ripple von der Oregon State University. „Alarmierenderweise hat sich das meiste sogar verschlechtert.“

    Forscher warnen vor anhaltendem Bevölkerungswachstum

    Die Autoren der „Warnung an die Menschheit“ halten Veränderungen in der Umweltpolitik, im menschlichen Verhalten und bei der globalen Ungerechtigkeit für unabdingbar. Ihre Zahlen sind alarmierend: Neben dem eklatanten Anstieg der CO2-Emissionen (seit 1992 um 62 Prozent) warnen sie vor einem anhaltenden Bevölkerungswachstum, vor allem in den armen Regionen der Welt. Bis 2100, schätzen sie, werden auf der Erde zwischen 9,6 und 12,3 Milliarden Menschen leben. Darauf folgt das Problem der Trinkwasserversorgung – seit 1992 ist die Menge des pro Kopf verfügbaren Trinkwassers um etwa ein Viertel gesunken.

    Vor allem durch den Eintrag von Dünger und Erdöl hat die Zahl sauerstoffarmer Todeszonen in den Ozeanen um etwa 75 Prozent zugenommen. Die Bestände zahlreicher Fischarten sind bedroht, auch durch Überfischung. Darüber hinaus sind zwischen 1990 und 2015 mehr als 120 Millionen Hektar Wald abgeholzt worden, ein Gebiet etwa so groß wie Südafrika. Die abgeholzten Flächen werden für Landwirtschaft genutzt, obwohl Wälder als Kohlendioxid-Speicher, für den Wasserhaushalt und die Artenvielfalt wichtig sind. Um Letztere steht es ebenfalls schlecht: Seit 1992 sank die Zahl der Säugetiere, Reptilien, Amphibien, Vögel und Fische um 29 Prozent.

    Schlechte Nachricht in Bonn: CO2-Ausstoß steigt wieder

    Eine – weitere – bittere Nachricht präsentierten Klimaforscher am Montag auf der Bonner Konferenz. Denn: Der globale CO2-Ausstoß, Hauptverursacher für den Klimawandel, steigt wieder. Der Report „Globales Kohlenstoff Budget“ sieht für das laufende Jahr 2017 einen Anstieg um zwei Prozent.

    Vorher waren die Emissionen drei Jahre gleich geblieben. Auch für 2018 rechnen die Forscher mit einer steigenden Belastung. Der Großteil der Kohlendioxid-Emissionen entfällt demnach auf die üblichen Verdächtigen – Kohle, Gas und Öl. Wirtschaftswachstum und Kohleproduktion in China gelten als massivste Belastung.

    Wissenschaftler appellieren an die Jamaika-Parteien

    In Europa und den USA seien die Emissionen zwar ganz leicht zurückgegangen, obwohl auch dort die Wirtschaft gewachsen ist, resümierten die Experten. Das sei aber viel zu wenig. Mit solchen Zahlen ist das Ziel des Pariser Abkommens, die Klimaerwärmung unter zwei, wenn möglich sogar bei 1,5 Grad zu halten, nicht zu schaffen, hieß es. Nach der Prognose pustet die Menschheit 41 Milliarden Tonnen Kohlendioxid allein in diesem Jahr in die Atmosphäre. In Paris haben sich die Staaten vorgenommen, den Netto-Ausstoß ihrer Treibhausgase in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf null zu bringen. Dafür müsste die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas zwischen 2050 und 2070 enden. Verbindliche politische Entscheidungen diesbezüglich gibt es in Deutschland bisher nicht.

    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zeigte sich eher unbeeindruckt von den Ergebnissen der aktuellen CO2-Studie. Diese werde die Bonner Verhandlungen sicher beeinflussen, sagte sie in einer ersten Reaktion. „Aber ich glaube nicht, dass man einen zusätzlichen Druck hier in den Verhandlungen aufbauen muss, denn diejenigen, die hier verhandeln, die kennen ihre Verantwortung.“

    Druck auf Jamaika-Verhandlungen wächst

    Druck auf die Sondierer in Berlin scheint dagegen manchem geboten. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, appellierte bei einer Stellungnahme gestern direkt an die

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    : „Die Koalitionsverhandler in Berlin dürfen sich nicht auf der bequemen Unwahrheit ausruhen, sie könnten Pause machen bei der Klimapolitik“, sagte er am Rande der Klimakonferenz. „Deutschland senkt seine Emissionen nicht im erforderlichen Maße, nötig ist daher bei uns und weltweit ein Ausstieg aus der Kohleverbrennung.“

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      Naturschutzbund-Präsident Olaf Tschimpke erklärte: „Frau Merkel hat noch im Wahlkampf versprochen, dass die deutschen Klimaschutzziele bis 2020 erreicht werden. Ohne eine entsprechende Vereinbarung für die zukünftige Regierung provoziert die Kanzlerin diese Woche in Bonn eine internationale Blamage Deutschlands.“ Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid meinte: „Absichtserklärungen schützen nicht das Klima, das können nur mutige Beschlüsse.“ Die Weltklimakonferenz in Bonn geht nun in die entscheidende Runde: Bis Freitag soll feststehen, auf welche Regeln für die Umsetzung des Pariser Weltklimavertrags sich die 195 Länder einigen können.

      Klimakonferenz geht in entscheidende Runde

      Festgelegt werden muss zum Beispiel, wie der CO2-Ausstoß künftig gemessen und angegeben werden soll. Auch Verhandlungen über eine ausreichende Finanzierung des globalen Klimaschutzes stehen an – und damit einer der größten Stolpersteine, um Umwelt- und Energieprojekte auf den Weg zu bringen. Ab Mittwoch werden in Bonn auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron erwartet – die Hoffnungsträger für eine ambitionierte europäische Klimapolitik.

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