Berlin. In den ersten Sondierungsrunden war die Stimmung entspannt. Es deuten sich Schnittmengen an. Doch über viele Themen gibt es Streit.

Nächste Woche geht es richtig los: Am Dienstag um 18 Uhr treffen sich CDU, CSU, FDP und Grüne und reden über Geld. Zum ersten Mal wird konkret über ein Thema verhandelt. Es ist noch ein langer Weg nach Jamaika, das betonen die Unterhändler immer wieder. Es gibt viele Knackpunkte, aber auch inhaltliche Gemeinsamkeiten. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den

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Wie ist die Atmosphäre?

Zwischenmenschlich scheint es gut zu laufen. Die Stimmung sei locker, erzählen Teilnehmer. Am Freitagabend etwa bot NRW-Ministerpräsident Armin Laschet auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft Zigarillos an. FDP-Chef Christian Lindner griff zu, wie Fotos zeigen. Am besten war die Atmosphäre nach dem Abendessen, es wurde auch gelacht. Zum Beispiel über den Grünen Robert Habeck, der Angela Merkel einmal „Chefin“ nannte.

Auch die Kanzlerin sorgte für Heiterkeit. Sie machte einen selbstironischen Spruch über womöglich nicht vorhandene Schnittmengen zwischen CDU und CSU – eine Anspielung auf den langen Streit über die Flüchtlingspolitik zwischen ihr und CSU-Chef Horst Seehofer. Nicht einfach hatte es FDP-Generalsekretärin Nicola Beer. Bei CDU, CSU und Grünen stellten verschiedene Fachpolitiker die Haltung der Parteien zu den Themen vor. Bei der FDP sprach nur Beer. Was ein paarmal den Spruch provozierte: „Frau Beer, können Sie noch?“

Wie sieht der Fahrplan für die nächsten Tage aus?

Bei der Sitzung am Dienstag soll über die Themen Finanzen, Haushalt, Steuern und Europa diskutiert werden. Am Donnerstag geht es um zehn Uhr weiter mit den Komplexen Energie/Umwelt, Flucht/Migration und Bildung/Digitales. An drei Terminen in der nächsten Woche soll unter anderem über Arbeit/Soziales, Familie/Frauen, Wohnen, Landwirtschaft/Verbraucher, Wirtschaft/Verkehr und Außen- und Innenpolitik beraten werden. Dann soll in einer großen Runde festgehalten werden, wo bereits Konsens erzielt wurde.

Wo gibt es Gemeinsamkeiten?

Schnittmengen zeichnen sich bei sozialen Themen ab. Vor allem CSU und Grüne könnten sich hier verständigen – und etwa ein Pflegepaket schnüren. Konsens deutet sich auch bei den Investitionen in den ländlichen Raum an. Mehr Geld für die Bildung können sich alle Parteien vorstellen.

Die größten Gemeinsamkeiten zeichnen sich bei der Digitalisierung ab.

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verlangte massive Investitionen. „Angesichts der Gigabit-Gesellschaft, die wir anstreben, brauchen wir sicher mindestens zweistellige Milliardenbeträge“, sagte er. Auch FDP und Grüne haben im Wahlkampf mehr Geld für die Digitalisierung gefordert.

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    Schneller als gedacht könnte es bei der inneren Sicherheit gehen. FDP und Grüne lehnen hier einen starken Staat ab, also auch Vorratsdatenspeicherung oder Gesichtserkennung zur Terror-Abwehr. Aber alle Parteien wollen die Polizei besser ausstatten – personell und materiell. Bei den Finanzen pocht die CDU auf die schwarze Null, also einen Haushalt ohne neue Schulden. Dagegen wird es kaum entschiedenen Einspruch geben.

    Welche Themen trennen die Parteien?

    Entwicklungsminster Gerd Müller (CSU) am Freitag auf dem Weg zu den Sondierungsgesprächen in Berlin.
    Entwicklungsminster Gerd Müller (CSU) am Freitag auf dem Weg zu den Sondierungsgesprächen in Berlin. © dpa | Bernd Von Jutrczenka

    Bei der Migration prallen zwei Weltbilder aufeinander – das der CSU, die eine restriktive Flüchtlingspolitik will, und das der Grünen, die für Integration stehen. Streitpunkt könnte der Familiennachzug werden. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) deutete in der „FAS“ an: „Ein Kompromiss beim Familiennachzug könnte darin bestehen, dass man die Zusammenführung im Härtefall zulässt.“

    Union und FDP sind gegen Steuererhöhungen. Vor allem die Liberalen wollen Steuererleichterungen, die Grünen sind dagegen. Uneinigkeit gibt es auch in der Landwirtschaft: Die Öko-Partei stößt mit ihrer Forderung nach weniger Massentierhaltung auf Granit.

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      Streit ist auch beim Komplex Europa programmiert. Die Liberalen lehnen jede Vergemeinschaftung von Schulden ab – die Grünen stellen sich gegen diese „Sparpolitik“. CSU-Vize Manfred Weber rief die Verhandlungspartner dazu auf, sich auf einen Reformkurs für Europa zu verständigen. Die neue Regierung müsse „den positiven Geist, den unter anderem Frankreichs Staatspräsident Macron gesetzt hat, aufgreifen“, sagte er unserer Redaktion.

      FDP-Generalsekretärin Nicola Beer (l.) und Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am vergangenen Donnerstag.
      FDP-Generalsekretärin Nicola Beer (l.) und Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am vergangenen Donnerstag. © dpa | Bernd von Jutrczenka

      Eine mögliche Jamaika-Koalition müsse ein klares Zeichen des Aufbruchs und Gestaltens in Europa senden. Weber appellierte an die Verständigungsbereitschaft der beteiligten Parteien. Die bevorstehenden Gespräche würden „kompliziert“. Deshalb sei

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      notwendig, betonte der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament. In einem Europa, das durch Instabilität geprägt sei, brauche Deutschland eine stabile Regierung.

      Ein weiterer Knackpunkt ist die Umweltpolitik. Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen, fordert von CDU/CSU und FDP Entgegenkommen. „Es ist gut, dass sich alle Parteien zum Pariser Klimaabkommen bekennen“, sagte Kellner unserer Redaktion. „Doch das nützt gar nichts, wenn Union und FDP uns nicht endlich verraten, wie sie die Klimaziele erreichen wollen.“ Natürlich würden die Grünen ernsthaft und konstruktiv in die Gespräche gehen. „Aber Jamaika ist kein Selbstläufer; wir regieren nicht um jeden Preis.“