Berlin/Genf. Immer mehr Rohingya fliehen aus Myanmar. Inzwischen sind Hunderttausende auf der Flucht. Das sind die Hintergründe der Tragödie.

Das Drama der Rohingya nimmt immer größere Ausmaße an. Die Zahl der aus Myanmar fliehenden Mitglieder der muslimischen Volksgruppe ist laut Vereinten Nationen erneut drastisch gestiegen. Wie ein UN-Sprecher am Dienstag in Genf mitteilte, zählten die Behörden in Bangladesch allein am Montag mehr als 11.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland.

Vorort sei man bereits in „voller Alarmbereitschaft“, sagte UN-Sprecher Adrian Edwards. Der Grund des Anstiegs sei noch unklar. In der vergangenen Woche waren am Grenzübergang noch durchschnittlich 2000 Flüchtlinge pro Tag gezählt worden.

Die Zahlen werfen erneut ein Schlaglicht auf das menschliche Drama, das sich seit Monaten in Südostasien abspielt. Darum geht es:

• Die Lage: Die Volksgruppe der Rohingya bildet eine muslimische Minderheit in Myanmar, dem ehemaligen Birma. Sie wird in dem vorwiegend buddhistischen Land nicht als Minderheit anerkannt. Ihre Mitglieder haben keine Bürgerrechte und werden seit Jahren drangsaliert und verfolgt.

• Die Folgen: Seit Rohingya-Rebellen im August Polizei- und Militärposten im Westen des Landes angriffen, geht das Militär in deren Siedlungsgebiet brutal gegen die Muslime vor. Insgesamt sind mittlerweile etwa 520.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch geflohen.

Rohingya-Krise: Suu Kyi bricht ihr Schweigen

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    • Der „Alptraum“: UN-Generalsekretär António Guterres warnte kürzlich vor einer Verschlimmerung der Flüchtlingskrise. Die anhaltende Gewalt in Myanmar drohe, weitere 250.000 Männer, Frauen und Kinder in die Flucht zu zwingen, sagte Guterres vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Es sei die am schnellsten eskalierende Flüchtlingskrise weltweit. Die Rohingya erlebten einen „Alptraum“.

    • Die Forderung: Guterres forderte von den Sicherheitskräften Myanmars ein sofortiges Ende der Militärkampagne sowie die Erlaubnis für humanitäre Helfer und UN-Ermittler, in den Rakhine-Staat einzureisen. Die geflohenen Rohingya müssten in ihre Siedlungsgebiete zurückkehren dürfen. Zuvor hatten Myanmars Behörden eine geplante Reise von UN-Experten zur Rohingya-Minderheit im Norden des Landes kurzfristig und ohne Gründe abgesagt. UN-Menschenrechtskommissar Seid Ra’ad al-Hussein hatte das Vorgehen der Militärs als offenbar „lehrbuchmäßiges Beispiel für ethnische Säuberung“ bezeichnet.

    Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi.
    Myanmars Regierungschefin Aung San Suu Kyi. © REUTERS | Soe Zeya Tun

    • Die Rolle Aung San Suu Kyis: In Myanmar amtiert seit 2016 eine demokratisch gewählt Regierung unter der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Sie gilt vielen als Aushängeschild einer Regierung, die noch stark von der Armee beeinflusst wird – Myanmar stand jahrzehntelang unter einer Militärdiktatur. Aung San Suu Kyi schwieg lange zu der Tragödie um die Rohingya, bevor sie die Gewalt verurteilte. Für ihr Zögern wird die 72-Jährige scharf kritisiert. Während der Militärherrschaft in Myanmar hatte Suu Kyi viele Jahre im Hausarrest verbracht. Sie wird dafür im Westen wie im eigenen Land bis heute als Kämpferin für die Demokratie verehrt. Dieses positive Bild bekommt nun einige Kratzer.

    • Die deutsche Hilfe: Die Bundesregierung engagiert sich mit mehreren Millionen Euro in der Krise. Über den zentralen Nothilfefonds der Vereinten Nationen ist Deutschland außerdem mit 60 Millionen Euro an der humanitären Hilfe für die Flüchtlinge in Bangladesch beteiligt. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach angesichts der Massenflucht von einer katastrophalen humanitären Lage. Außerdem unterstützt die Bundesregierung die EU-Hilfsmaßnahmen mit Mitteln in Höhe von mehreren Millionen Euro.

    • Mit Spannung erwartet wird der Besuch des Papstes in Myanmar und Bangladesch. Franziskus wird die beiden Länder vom 26. November bis 2. Dezember besuchen. Der Vatikan kündigte am Dienstag an, der Pontifex werde in Myanmar nicht wie bei anderen Auslandsreisen üblich an einem interreligiösen Treffen teilnehmen. Es wird damit gerechnet, dass Franziskus auch auf die Lage der Rohingya eingehen wird. In der Vergangenheit hatte er immer wieder auf das Schicksal der Minderheit hingewiesen. (W.B./dpa)