München . Bundeskanzlerin Angela Merkel liegt deutlich vorn. Aber die CDU-Kampagne läuft nicht rund. Und die AfD ist für die Union ein Problem.

Hier schließt sich der Kreis. In München hatte Angela Merkel

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im Februar den Grundstein für ihren Wahlkampf gelegt, hier setzt die Kanzlerin am Freitag auf dem Marienplatz den Schlussakkord. Die

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ist längst „muttiviert“. Das war nicht immer so. Dass Merkel zuletzt scheinbar bloß ihren Vorsprung verwaltet hat, liegt nicht allein daran, dass Herausforderer Martin Schulz mit sich, der SPD und anderen Widrigkeiten zu kämpfen hat. Die Basis war, dass Merkel in jenen Februartagen ihren Frieden mit CSU-Chef Horst Seehofer gemacht hat.

Ihr Dissens in der Flüchtlingspolitik hält an, wird aber bis Sonntag kaschiert. Die Entpolitisierung von eigentlich wichtigen Themen – wie die CSU-Forderung nach einer Obergrenze – hat Methode. Auf die Debatte über eine Erhöhung des Renteneintrittsalters lässt sich Merkel nicht ein. Beim TV-Duell vereinnahmt sie die SPD-Forderung, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen. Auch im Wahlprogramm werden die Differenzen heruntergedimmt, an vielen Stellen greift es SPD-Positionen auf.

Bei drei Landtagserfolgen im Frühjahr gelingt die Trendwende

Es gibt Energiespender und Energiefresser. Die Wahlkämpferin Merkel gehört zur zweiten Sorte, sie nimmt Kontrahenten jede Energie.

Im Februar und März ist die SPD auf Augenhöhe. Im Umfeld Merkels sorgt man sich wegen der Wechselstimmung. Bei den drei Landtagserfolgen im Frühjahr gelingt die Trendwende; auch dank einer überragenden Mobilisierung. Für CDU-Generalsekretär Peter Tauber sind es spielentscheidende Wochen. Als Merkel Anfang August in Dortmund den CDU-Wahlkampf eröffnet, hat sich der Wind gedreht. Fast aufreizend bemerkt sie am Ende ihrer Rede: „Ich hätte beinahe vergessen zu sagen, dass die Wahl noch nicht entschieden ist und wir natürlich jede Stimme brauchen.“ Es ist der 12. August, im Durchschnitt der Umfragen liegt ihre Partei bei 38,7 Prozent.

Nach dem TV-Duell bekam die AfD Aufwind

Vermutlich würde Merkel sofort einschlagen, wenn man ihr heute ein solches Ergebnis anbieten würde. In den vergangenen Wochen hat Merkel nach eigenen Worten jedem und jeder gesagt, „dass diese Wahl nicht entschieden ist“. Diesmal klingt es nicht mehr siegessicher wie in Dortmund. Richtig rund läuft die Kampagne nicht mehr. Das liegt an drei Faktoren: am Eindruck, dass das Rennen erstens gelaufen sei und es zweitens nur noch um den dritten Platz gehe. Drittens spielte die Flüchtlingspolitik im TV-Duell eine so große Rolle, dass die AfD danach Auftrieb bekam.

Nach den letzten Umfragen sieht es aus, als könnten Union und FDP in der Summe abschneiden wie vor vier Jahren – gut 46 Prozent –, aber nun im neuen Kräfteverhältnis: die Union schwächer, die Liberalen stärker. Fraglich ist, ob sich irgendeine Partei sofort auf Koalitionsverhandlungen einlässt oder alle den Ausgang der Landtagswahl in Niedersachsen abwarten.

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    Demonstranten brüllten „Volksverräter“, „Abwählen“, „Hau ab“

    Die AfD ist ein Problem. Ihr Umfragehoch zeigt Merkel, wie stark sie das Land mit der Flüchtlingspolitik polarisiert hat. Wo die Kanzlerin ankommt, ist die AfD schon da. In Heidelberg wird Merkel mit zwei Tomaten beworfen. Im sächsischen Torgau grölen Hunderte Demonstranten während ihrer Rede und brüllen „Volksverräter“, „Abwählen“, „Hau ab“, in Finsterwalde wird sie von einem Pfeifkonzert begleitet.

    Merkel erlebt auch das andere Ex­trem: Menschen, die für ein Selfie mit ihr Schlange stehen, Künstler, die sich für sie engagieren – wegen ihrer Flüchtlingspolitik –, Fans wie der Mann, der am Tag der offenen Tür im Kanzleramt ein T-Shirt mit der Aufschrift trägt, er wähle Merkel, „weil die Weltpolitik dringend Östrogen braucht“.

    Im Wahlkampf hält sie stets Varianten einer Standardrede

    Im Wahlkampf zieht ihre Partei alle Register, rund 60 Auftritte mit Merkel, bis in die letzten Tage schätzungsweise 900.000 Haustürbesuche. Auch ihr Amtsbonus wird ausgereizt: Sie bringt Mitarbeiter des Kanzleramts bei der CDU unter und fliegt mit dem Hubschrauber der Bundespolizei zu Terminen. Neben dem Reihenabwurf von Interviews bedient sie Milieus, die man nicht gerade mit ihrer Partei in Verbindung bringt, die Youtube-Generation etwa. Selbstredend lässt sie sich nicht nehmen, in Köln die „Gamescon“ zu eröffnen, die Messe für Computerspiele.

    Im klassischen Wahlkampf hält sie Variationen einer Standardrede. Merkel zum Dieselskandal: „Wir machen alles, damit die Autoindustrie wiedergutmacht, was sie an Vertrauen verspielt hat.“ Merkel über den Pflegeberuf: „Helden der Gegenwart“. Die traditionelle Sommerkonferenz mit der Berliner Presse bringt sie unfallfrei hinter sich. Heikler sind die Fragen von Zuschauern in TV-Sendungen, wo sie mit alltäglichen Sorgen von Kleinverdienern konfrontiert wird. Da ist sie überfordert, behilft sich mit Floskeln: „Ich kann Sie gut verstehen“, „das treibt uns um“. Sie selbst treiben zwei Dinge um: Sie will weitermachen und – das sagt sie in Trier – „keine Experimente“.